In den Markt kommt nur langsam Bewegung:

Auswahl AT-komptibler Rechner noch mager

06.09.1985

Die Ankündigung des AT-Modells der IBM-PC-Serie veränderte die Mikrocomputerlandschaft, auch wenn viele Mitbewerber dies nicht wahrhaben wollten. Schwierigkeiten bei Produktion und Auslieferung des AT haben zu etwas Ruhe im Markt geführt, zeitweilig stieg die Nachfrage nach XT-Modellen. Dennoch: Neues orientiert sich in erster Linie am AT. Mittlerweile ist auch ein Nachfolger im Gespräch.

Schon als der PC AT nur in den USA angekündigt worden war, geriet auch hierzulande der Mitbewerb in Aufregung. Insider (der Großrechner-Szene) fühlten sich an die Ankündigung des Mittelklasse-Rechners 4300 erinnert: Mit einem bis dahin weder bei der IBM noch bei dem Mitbewerb dagewesenen Preis/Leistungs-Verhältnis schockte Big Blue den Markt. Seinerzeit scheiterte der Hersteller IBM-kompatibler Systeme, Itel, an dieser Politik.

Tiefschlag aus Schwaben mit Preissenkung

Kaum hatten sich die Mikro-Konkurrenten nach der ersten AT-Ankündigung im August '84 beruhigt (die USA sind ja doch relativ weit weg), holte IBM zu einem neuen Tiefschlag aus - und diesmal kam er aus Stuttgart. Die Schwaben kündigten im September nach einer für das Haus ungewöhnlich kurzen Schamfrist den AT auch in der Bundesrepublik an und verbanden das Announcement zum Entsetzen der Konkurrenz mit einer 20prozentigen Preissenkung bei dem Alt-Modell XT. Bei der Ankündigung des "normalen" PC hatten die Blauen noch 18 Monate gebraucht, bis das Modell auch in deutschen Landen auf den Tisch kam.

Immerhin: In Stückzahlen sollte es den AT erst deutlich später geben, und bis dahin hatten die Mitbewerber noch eine Chance, ihre Produkte abzusetzen. Der Markt beruhigte sich zunächst selbst mit der Überlegung, daß die drastische XT-Preissenkung letztlich nur als Eingeständnis eines nicht erreichten PC-Forecastes zu werten war. Auf "Teufel komm raus" sollte nun der Durchbruch erzielt werden.

Vom Mitbewerb trotzige Reaktionen

Die Konkurrenz reagierte auf die Preissenkungen teils trotzig wie Data General ("Wir werden die Preise für unsere Arbeitsplatzcomputer nicht anpassen"), teils kompromißbereit wie Ericsson ("Die IBM-Preise haben eine gewisse Leitfunktion"), teils nichtssagend wie Altos ("... sind unsere Computer im Preis/Leistungs-Verhältnis immer noch die kostengünstigste Alternative").

Auch auf das Problem des "Industriestandards" angesprochen, zeigte sich eine breite Palette von Meinungen, Unternehmen resignierten (CTM: "Standard is, whatever IBM does") oder waren optimistisch (Digital Equipment: "Wir glauben nicht, daß sich kurzfristig ein Standard im Mikro-Bereich durchsetzen wird") oder wurden konkret (Northern Telecom: "Die Kombination der Intel-Prozessoren mit Xenix und MS-DOS wird langfristig ein Industriestandard sein ...").

Im November schließlich setzte IBM mit der Ankündigung des AT/370 noch einen weiteren Tupfer auf das AT-Gemälde. Damit schien IBM die Katze aus dem Sack gelassen zu haben: Durch die Ankündigung des AT/370 unter dem Betriebssystem VW/CMS wollte Big Blue offenbar die alte IBM-Welt wiederauferstehen lassen. CMS (Conversional Monitor System) und Unix sollen die Standards für den Einsatz von Mikrocomputern in Großunternehmen setzen.

Über drei Monate brauchte die Konkurrenz, um endlich aufzuwachen. Ende März '85 kam Kaypro mit dem Modell 286i auf den Markt, das das erste AT-kompatible Produkt darstellen sollte. Für rund 4500 Dollar bot das Unternehmen sein Gerät an. Derzeit kostet das Modell 10 (mit 10-MB-Festplatte) in der Bundesrepublik knapp 12 000 Mark.

Gleich zwei AT-kompatible Geräte kündigte Compaq im Mai an. Mit den Modellen "Deskpro 286" und "Portable 286" will das Unternehmen weiter auf der Erfolgswelle schwimmen. Preis für die Grundversion: rund 15 000 Mark. Gleichfalls tragbar und kompatibel zum Quasi-Industriestandard ist der ATP-Mikro der Corona Data Systems, der mit 1,2-MB-Floppy oder 20-MB-Winchester erhältlich ist.

Als Ergänzung zum IBM-Mikro AT entwickelte die Frankfurter Computer und Peripherie GmbH ihren Business AT, mit dem vor allem das Problem der Datensicherung gelöst werden sollte. In knapp sechs Minuten, so der Anbieter, rette das Gerät 20-MB-Daten auf Kassette. Zu den Unternehmen, die auf den AT-Zug aufspringen wollen, gesellte sich auch Hewlett-Packard. Der AT-Clone von HP soll, soweit bis heute zu erfahren war, natürlich schneller und billiger sein als das Original, mit integrierter 20- oder 40-MB-Winchester geliefert werden und unter dem Betriebssystem Xenix laufen.

Auch Northern Telecom mochte nicht abseits stehen und kündigte vor vier Wochen den "Vienna AOC" an. Dieser Mikro arbeitet nach Herstellerangaben rund 30 Prozent schneller als der AT und soll zumindest in England bereits verfügbar sein. Ferranti hat zwar noch keinen AT-kompatiblen Mikro, aber das Unternehmen bekundete seine Absicht, eine AT-Kopie auf den Markt zu bringen. Das soll zwar noch in diesem Jahr passieren, aber ein genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest. Bis dahin versucht Ferranti, mit PC- und PC/XT-kompatiblen Systemen Furore zu machen. Marktbeobachter in Großbritannien sind der Meinung, daß sich auch ICL und Apricot in absehbarer Zeit dem AT-Trend anschließen werden.

Manche Produkte sind nur Floppy-kompatibel

Als "100 Prozent IBM-kompatibel" bezeichnet die NCR GmbH ihr jüngstes Produkt im IBM-AT-Markt, den PC 8. Als Single-User-System läuft das Augsburger Modell unter dem Betriebssystem NCR-DOS 3.11. Bis zu vier Benutzer soll der Rechner unterstützen, falls Xenix 3.3 eingesetzt wird. AT-kompatible Systeme kommen ferner von Televideo (Modell Tele-AT) zum Preis von 4000 Dollar ohne Winchester, von Texas Instruments (Business Pro) mit maximal 72-MB-Platte für etwa 20 000 Mark sowie von Zenith Data Systems (Z-240) für mindestens 15 000 Mark. Floppykompatibel zum PC AT ist auch das Altos-System 2086. Neue Konkurrenzprodukte zum IBM-Vorbild kündigten jetzt auch Core mit dem Modell "Atomizer" sowie der koreanische Hersteller Samsung an. Das Samsung-Produkt dürfte sich aller Erfahrung nach bald in vielen AT-Clones wiederfinden.

Während die Mitbewerber also versuchen, sich an IBM anzuhängen und mit einem besseren Preis/Leistungs-Verhältnis die "drei Buchstaben" zu kompensieren, dementiert Big Blue heftig die Entwicklung eines AT-Nachfolgers. Der von Insidern zunächst in diesem Sommer wartete PC II wird indes auch von Kennern inzwischen für tot erklärt. Aber die Spekulation um neue PC-Produkte von IBM hat damit noch lange kein Ende gefunden: Jetzt ist vom Super-AT die Rede.

Bindeglied zwischen Mini- und Mikro-Welt

Ende 1986 soll der Neue kommen und mit einem Betriebssystem ausgerüstet sein, das als Bindeglied zwischen den jetzt gebräuchlichen Betriebssystemen in der Mikro- und Mini-Welt (PC-DOS, Unix und VM) dienen soll. In der Branche munkeln die Insider, daß IBM die Bestellungen für den Intel-Prozessor 80286, Herz des AT, um 40 Prozent gekürzt haben soll. Positionieren will IBM nach Expertenmeinung den neuen AT zwischen dem Desktop-Modell des Systems /36 und dem Alt-AT. Big Blues Supermicro wird auf dem Intel-Prozessor 80386 basieren - auf einem Prozessor, der bis heute nicht angekündigt, geschweige denn lieferbar ist.