Internationalisierung im Rechnungswesen

Ausuferndes Regelwerk

09.02.2006
Von 
Senior Communication Managerin bei der Content Marketing Agentur Evernine
Immer mehr internationale Standards bei der Rechnungslegung betreffen auch den Mittelstand. In die Diskussion geraten ist derzeit IFRS. Bei der Bilanzierung nach diesen Regeln sind gezielte Beratung und geeignete IT-Unterstützung nötig.

Dr. Winfried Schwarzmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Professor an der Fachhochschule München, ist sich sicher: "Künftig müssen nicht nur börsennotierte deutsche Großunternehmen, sondern auch viele Mittelständler gleichzeitig nach dem deutschen Handelsgesetzbuch und den International Financial Reporting Standards (IFRS, früher International Accounting Standards, IAS) bilanzieren."

Bis zu achtfache Buchführung

Für Töchter internationaler Konzerne genügen die "doppelte Buchführung" nicht mehr. Konzernabhängige Unternehmen müssten sich auf eine "bis zu sechs- und achtfache Buchführung" einstellen, um ihrer Mutter die benötigten Zahlen für den Konzernabschluss liefern zu können. Schwarzmann rät allen Mittelständlern, die sich aufs internationale Parkett begeben, die Doppel- und Mehrarbeit in der Buchführung freiwillig in Angriff zu nehmen.

Seine Argumente: Kapitalgeber, Kunden und Lieferanten im Ausland könnten Abschlüsse nach dem deutschen Handelsgesetzbuch HGB nicht lesen, doch IFRS-Bilanzen verschafften ihnen ein klares Bild von der wirtschaftlichen Situation deutscher Unternehmen.

Je stärker die deutschen Mittelständler international expandieren, desto dringender benötigten sie ein einheitliches Regelwerk. Der Abschluss nach IFRS mache es den Firmen möglich, aktuelle Werte für Immobilien und Anlagen zu berücksichtigen, so dass im Vergleich zum Handelsgesetzbuch ein "Mehrvermögen" ausgewiesen wird - eine wichtige Beruhigungspille für besorgte Banker gerade in Krisenzeiten.

'Die Denkweise ist gar nicht so dumm.' Katharina Urban, stellv. kaufmännische Leiterin bei ERNI
'Die Denkweise ist gar nicht so dumm.' Katharina Urban, stellv. kaufmännische Leiterin bei ERNI

Der ERNI-Konzern beschäftigt rund 400 Mitarbeiter und ist Hersteller von Steckverbindungen. Das Unternehmen hat bereits im Jahr 2000 Buchführung, Controlling und Reporting an internationale Anforderungen angepasst. Katharina Urban, stellvertretende kaufmännische Leiterin der ERNI Elektroapparate GmbH im baden-württembergischen Adelberg, über die ersten Versuche in dieser Richtung: "Die Amerikaner haben uns ausgelacht und gefragt: Warum rechnet ihr euch arm?" So setzte sich Urban mit der IFRS-Philosophie auseinander - und registrierte in den Grundsätzen des internationalen Standardisierungsgremiums IASB (International Accounting Standards Board) eine "andere Denkweise, die gar nicht so dumm ist".