Flexibler Einsatz von EDV-Personal bei Engpässen:

Austrittskartei bietet unschätzbare Vorteile

20.07.1984

MÜNCHEN - Der EDV-Bereich gilt oft als Sorgenkind des Personalmanagements. Berufsspezifische Engpaßsituationen treten hier besonders häufig auf und haben das berüchtigte Arbeiten "rund um die Uhr" zur Folge. Auf die Dauer geht das nicht gut. Man kann aber auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Personalkapazität nicht nur auf Zeiten der Spitzenbelastung abstellen. Zeitpersonal kann eine Lösung sein.

Überstunden eignen sich zur Überwindung von Engpässen nur bedingt: Sie sind unbeliebt, wenn sie zu häufig vorkommen. Dazu ist aber auch das arbeitsvertragliche Direktionsrecht rechtlich begrenzt, denn mehr als zwei Überstunden an 30 Arbeitstagen im Jahr sind, von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, nach der Arbeitszeitordnung unzulässig. Die Praxis setzt sich oft über diese Grenzen hinweg und ist überrascht, wenn bei übertriebener Überstunden- und Nachtarbeit das Gewerbeaufsichtsamt einschreitet.

Nicht so flexibel bei Belastungen

Auch sollte man nicht vergessen, daß der Betriebsrat über die Frage, ob und wann Überstunden gefahren werden, ein echtes Mitbestimmungsrecht ausüben kann (° 87 des BetrVG). Man kann also mit Überstunden, richtig gesehen, nicht so flexibel auf Spitzenbelastungen reagieren, wie dies im Management oft angenommen wird. Eine im allgemeinen recht verständnisvolle Kooperation der EDV-Belegschaft sollte man daher nicht als Selbstverständlichkeit betrachten.

Wenn man sich mit eigenem Personal nicht helfen kann, denkt der EDV-Praktiker an befristet eingestellte Spezialisten von außen. Das ist besonders naheliegend für den projektbezogenen Einsatz von EDV-Organisatoren, Systemanalytikern oder Programmierern, aber auch bei Verwaltungspersonal, Datentypistinnen und Operatoren.

Befristete Aushilfen

Die Anwerbung solcher Fachkräfte dauert verhältnismäßig lang, trifft im allgemeinen auf einen engen Markt und ist neben entsprechenden Kosten mit dem Auswahlrisiko und langen Einarbeitungszeiten verbunden. Der EDV-typische kurzfristige Personalengpaß läßt einen solchen Zeitverlust bis zur vollen Einsatzfähigkeit meist nicht zu. Das ist eher bei zeitlich befristeten Projekten, die man kommen sieht, vorstellbar.

Befristung unzulässig für laufenden Betrieb

Ein rechtliches Problem erschwert zusätzlich die Eingliederung von Fachkräften auf Zeit; der befristete Arbeitsvertrag ist nach jüngster Rechtsprechung nur noch als solcher zulässig und wirksam, wenn er durch einen "sachlichen Grund" gerechtfertigt ist. Fehlt ein solcher, fehlt auch ein schutzwürdiges Interesse an der Befristung. Die Befristungsvereinbarung gilt dann beispielsweise wegen Umgehung des Kündigungsschutzes als nicht vereinbart. Dies hat zur Folge, daß man diesen Anstellungsvertrag mit allen daraus folgenden Problemen kündigen muß.

Ein Zeitvertrag ist rechtlich unproblematisch, wenn der befristet angestellte Spezialist nicht länger als vereinbart arbeiten kann (wegen Einberufung zur Bundeswehr oder Beginn eines Studiums) oder lediglich "Ersatz" für einen vorübergehend ausgefallenen Mitarbeiter darstellt. Besonders gefährlich ist es dagegen, einen Spezialisten auf Zeit für Aufgaben einzustellen, die zum laufenden Betrieb gehören. Dieser Befristungsgrund wird von der Rechtssprechung ausdrücklich als unzulässig erklärt, weil die Befristungsvereinbarung dem Arbeitnehmer das Beschäftigungsrisiko des Arbeitgebers nach dem Ablauf der Befristungszeit überbürdet. Anders ist dies bestenfalls bei einem befristeten Sonderprojekt, das beweisbar am Ende der vereinbarten Zeit ersatzlos entfällt und zu den "Randfunktionen" des EDV-Bereichs gehört.

Eine interessante Variante flexibler Gestaltung der Arbeitszeit ist der "Bedarfsarbeitsvertrag" oder Rückgriff auf frühere Mitarbeiter (meist Frauen) aufgrund einer "Austrittskartei". Solche Mitarbeiter kann man praktisch "auf Abruf" einsetzen, obwohl es auch für derartige Vertragsgestaltungen rechtliche Vorbehalte gibt. Sie kommen jedoch den Interessen beider Vertragspartner entgegen und sind in der Praxis weit verbreitet:

Bei den "Bedarfsarbeitsverträgen" (auch Wortungetüm KAPOVAZ) handelt es sich um eine Art Zwitter zwischen "Aushilfe" und Dauerbeschäftigtem mit unbefristetem Vertrag: Eine Vertragsbindung besteht. Es ist aber von vornherein beiden Vertragspartnern klar, daß der Einsatz nur gelegentlich stattfindet und sich auf Spitzenbelastungen des Betriebes beschränkt. Für eine solche Vertragsbindung interessieren sich vor allem Hausfrauen, die nur gelegentlich bei Bedarf zur Verfügung stehen wollen.

Sie nehmen in Kauf, daß praktisch nur der Arbeitgeber bestimmt, wann sie abgerufen werden und welche beschäftigungslosen Zeiten zwischen den einzelnen Einsätzen liegen. Der Bedarfsarbeitsvertrag ist daher eher eine Art Rahmenvertrag ohne beiderseitige Verpflichtungen bis zum Abruf, so daß man zweckmäßigerweise gewisse Zugeständnisse bei der Zahlung anteiliger Weihnachtsgratifikationen ohne Rücksicht etwa auf die Einsatzdauer oder bei der Anrechnung früherer Betriebszugehörigkeit macht.

Ausleserisiko entfällt für das Unternehmen

Eine rechtlich weniger bedenkliche Variante ist der Abruf aufgrund einer "Austrittskartei": Vor allem Datentypistinnen, mitunter auch weibliche Operatoren oder Programmierer, scheiden im Laufe der Jahre aus und geben ihre Berufstätigkeit aus familiären Gründen auf. Solche Ehemalige interessieren sich häufig dafür, einige Wochen oder Monate auszuhelfen und etwas dazuzuverdienen.

Sie bieten den unschätzbaren Vorteil, den Betrieb und die EDV-Abteilung genau zu kennen und sind in der Lage, kurzfristig ohne längere Einarbeitung einzuspringen. Dadurch sind sie allen anderen externen Aushilfskräften weit überlegen. Da man sich im allgemeinen noch gut kennt, entfällt für den Arbeitgeber auch das Risiko der Auslese.

Auch von Zeitpersonalfirmen zur Verfügung gestellte Arbeitskräfte verlagern einige Risiken der vorübergehenden Einstellung von Aushilfen nach draußen: Kurzfristiger Abruf von Zeitpersonalfirmen mit entsprechenden Spezialkräften (selten); Austausch ungeeigneter Kräfte reduziert das Auswahlrisiko; vereinfachte Abwicklung einschließlich der verhältnismäßig umständlichen Vertragsgestaltung und Abrechnung.

Spezialschichten

Die höheren Stundensätze solcher Teilzeitkräfte sind bei Einrechnung betrieblicher Personalnebenkosten mit den eigenen Personalkosten durchaus vergleichbar, was mitunter bei Vergleich eines reinen Stundensatzes von Angestellten mit den Verrechnungssätzen der Zeitpersonalfirmen übersehen wird. Ein großes Hindernis stellt allerdings die noch immer bestehende gesetzliche Drei-Monats-Befristung dar.

Eine noch wenig ausgebaute Möglichkeit, Spitzenpersonalbedarf aufzufangen, sind Abendschichten, die man gegebenenfalls auf Zeit einrichtet: Hierfür kommen wiederum vorzugsweise weibliche Fachkräfte in Betracht ("Hausfrauen-Abendschicht" etwa 17.00 bis 22.00 Uhr). Hierbei entstehen allerdings gegebenenfalls Führungsprobleme, die man erfahrungsgemäß am besten aus dem Personenkreis der Schicht selbst abdeckt.

Vor allem die Hausfrauen-Abendschicht hat auch dann, wenn man sie auf Dauer einrichtet, einen entscheidenden Vorteil: Man kann mit unbefristet eingestellten Hausfrauen sehr viel leichter als bei anderen Dauerbeschäftigten eine Anpassung an wechselnde Auslastung von Fall zu Fall vereinbaren, so daß eine Art "kapazitätsorientierte Arbeitszeitvereinbarung" (KAPOVAZ) zustande kommt.

Mitunter kann man auch kurzfristig auf freiberuflich tätige EDV-Spezialisten zurückgreifen. Wenn diese ständig für mehrere Auftraggeber tätig sind, bringen sie oft ein breites Erfahrungsspektrum in die Arbeit ein. Man sollte sich allerdings hüten, eine organisatorische Eingliederung in der Weise herbeizuführen, daß dieser Freiberufler direkte Arbeitsanweisungen erhält, im Betrieb zeitlich von eingebunden ist oder wie andere EDV-Kräfte tätig wird, weil kraft Gesetzes dann ein abhängiges Arbeitsverhältnis entsteht. Bei einer solchen "Eingliederung" entscheidet nicht der Wille der Vertragspartner sondern die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit.

Werkverträge

Ähnliche Probleme können auftreten bei EDV-Spezialisten, die aufgrund eines "Werkvertrags" im Betrieb tätig werden, gleich, ob sie als Einzelpersonen freiberuflich tätig sind oder Mitarbeiter eines Rechenzentrums, einer Beratungsgesellschaft etc. sind. Bei einer echten "Eingliederung" entsteht kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen dem in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer und dem Einsatzbetrieb (° 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz).

Wegen der daraus folgenden "Subsidiär-Haftung" entsteht ein befristetes Arbeitsverhältnis, also das Gegenteil des beabsichtigten flexiblen Einsatzes. Diese Gefahr besteht besonders bei "Schein-Werkverträgen" solcher Mitarbeiter, die unbedingt auf Rechnung arbeiten möchten, aber tatsächlich von wie andere Mitarbeiter im Betrieb tätig sind.

Der Rückgriff auf solche Werkvertragmitarbeiter von Fall zu Fall zur Abdeckung von Kapazitätsspitzen ist aber gerade im EDV-Bereich inzwischen weit verbreitet und bietet vor allem in Ballungszentren mit entsprechenden Servicebetrieben eine echte Alternative.

Dr. Helmut Frey, Rechtsanwalt in München.