Integriertes Computersystem vom Karosserieentwurf bis zur Werkzeugkonstruktion:

Außenhautinformation aus der Styling-DB

18.02.1983

Im Karosseriebereich unterstützen heutzutage Computer die Designer und Konstrukteure vom Entwurf bis zur Werkzeugherstellung. Umfangreiche Untersuchungen bei Opel führten zu dem Ergebnis, daß nur ein Integriertes System mit einer zentralen Datenbank den angestrebten Nutzen erreichen kann. Mit der Planung dafür wurde bereits 1965 begonnen. Der Krefelder Journalist Volker Heiner beschreibt, wie das System heute läuft.

Nach einigen Systemvergleichen entschloß Opel sich, das bei General Motors entwickelte System Inca II (Integrated Numerical Control Approach) zu übernehmen. Das System wurde 1970 zunächst für die Entwicklung der Ur- und Anlagemodelle aus dem Karosserieaußenhautplan eingeführt. Im März 1971 stellte der Automobilbauer ein mit Insa entwickeltes Urmodell der Außenhaut eines Fahrzeuges fertig. Das Verfahren fand ebenfalls Anwendung für die Modellerstellung und Teilbereiche der Karosseriekonstruktion.

Inca II enthielt Möglichkeiten, ein integriertes Verfahren vom Design bis zur Produktionsvorbereitung aufzubauen, doch fehlten ihm interaktive grafische Fähigkeiten, so daß es wirtschaftlich nur in Teilbereichen der Konstruktion eingeführt werden konnte. Erst 1975 und 1978 wurde eine vollständige Einführung von Computer Graphics in Design und Konstruktion möglich.

Zur Zeit setzt Opel drei interaktive grafische Systeme ein:

1) Cadance mit Schwerpunkt Design (Computer Aided Design And Numerical Control Efforts);

2) Fisher Graphics mit Schwerpunkt Karosseriekonstruktion und

3) Network Stations für Modell- und Lehrenherstellung sowie andere Anwendungen aus dem produktionsvorbereitenden Bereich.

Alle drei Systeme stammen von General Motors, arbeiten mit einer gemeinsamen zentralen Datenbasis sind 3-D-Systeme, überlappen sich in ihren Eigenschaften und folgen beinahe den gleichen theoretischen Grundlagen.

Die Systeme Cadance und Fisher Graphies arbeiten interaktiv mit einem Großcomputer, währen die Network Stations auf Minicomputerbasis arbeiten und mit dem Großsystem wegen des Austausches der geometrischen Daten über Rezote-Batch-Leitungen verbunden sind. Mit dem kombinierten Einsatz dieser Systeme hat sich bei Opel der in der Abbildung dargestellte Arbeitsfluß von Styling bis zur Produktionsvorbereitung herausgebildet.

Arbeitsfluß Styling

Von dem in den Stylingstudios manuell entwickelten 1:1 -Plastilinmodell der Karosserieaußenhaut werden mit einem 3-D-Koordinatenmeßgerät Schnitte und charakteristische Konturlinien abgenommen, in den Rechner eingelesen und in der sogenannten Rohdatenbank abgespeichert. Der Plankonstrukteur nimmt diese Daten mit Cadance auf und glättet die Rohdaten.

Vor der Flächenentwicklung muß noch ein sogenannter 3-D-Mesh der geglätteten Schnitte und Konturlinien durchgeführt werden. Unter 3-D-Mesh wird die Vereinigung der Schnitte und Konturlinien im Raum verstanden. Nach der Entwicklung der Karosserieaußenhaut speichert der Konstrukteur diese als 3-D-Flächen in der Styling Freigabe-Datenbank ab.

Die Übergabe des Karosserieaußenhautplanes an die Konstruktion erfolgt in Form der geometrischen Daten mit den zugehörigen Kontrollzeichnungen. Während dieses Prozesses findet eine ständige Abstimmung zwischen Styling, Konstruktion und Produktionsvorbereitung über konstruktive, aerodynamische und fertigungstechnische Randbedingungen statt.

Der Konstrukteur übernimmt aus der Styling-Datenbank die benötigten Außenhautinformationen. Aufbauend auf diesen Informationen führt er dann mit Fisher Graphics die Konstruktion der Karosserieinnen- und -außenteile aus. Fisher Graphics erfaßt alle Bereiche der Karosseriekonstruktion.

Die anfallenden Änderungen müssen am Bildschirm durchgeführt werden. Nach Abschluß der Konstruktion wird das Teil in 3-D-Darstellung in der Konstruktions-Freigabe-Datenbank abgespeichert und die Freigabe-Zeichnungen über computergesteuerte Zeichenmaschinen erstellt. Strukturberechnungen und andere analytische Untersuchungen begleiten die grafische Konstruktion und gehen in diese ein.

Zur Entwicklung der Fräsbänder für Modelle und Lehren werden die Außenhautinformationen aus der Styling-Datenbank und alle anderen Karosserieteile aus der Konstruktionsdatenbank übernommen. Der Bearbeiter nimmt das Teil aus der zentralen Datenbank und stellt es in die lokale Datenbank einer Network Station.

Er entwickelt dann am Bildschirm die zu fräsenden Flächen berechnet die Fräserbahnen, erstellt das Fräsband für die Drei- und Fünf-Achsen-Fräsmaschinen und die dazugehörigen Fräsbandauszeichnungen als Kontrolle und Arbeitsunterlage für das Bedienungspersonal der NC-Fräsmaschinen.

Fräsbänder, Fräsbandzeichnungen und die Koordinaten zum Aufspannen des Werkstücks für das Fräsen der Einzelflächen werden anschließend an den Versuchsbau und die Produktionsvorbereitung übergeben. Der Versuchsbau fräst die Modelle für die Prototypen, und die Produktionsvorbereitung bearbeitet die Ur- und Anlagemodelle für die Produktionsteile.

Nach dem Glätten der Fräsüberstände erfolgt die Übergabe der Modelle für die Erstellung der Ziehwerkzeuge. Aus dem gleichen Datenbestand werden noch alle anderen benötigten Lehren bis zu den Inspektionslehren in der Produktion gefertigt. Die Werkzeugkonstruktion greift ebenfalls auf die Kontruktionsdatenbank zurück und entwickelt am Bildschirm die Zeichnungen der Konstruktionsteile in Ziehlage oder entnimmt Meßpunkte für den Aufbau der Zusammenbaublöcke für die Schweißkonstruktionen. Eine Erweiterung der Anwendung von Fisher Graphics in der Werkzeugkonstruktion ist in naher Zukunft vorgesehen.

Das Softwaresystem Fisher Graphics (FG) dient zur interaktiven Konstruktion von Karosserieaußen- und -innenteilen am grafischen Bildschirm. Um es wirksam zu betreiben, benötigt man einen Großrechner IBM 370-168 oder größer. Der erforderliche Ausbau hängt dabei direkt von der Zahl der angeschlossenen Bildschirme ab. Die gesamte Software wurde bei Fisher Body, einer Tochtergesellschaft von General Motors, entwickelt und besteht aus zirka 2000 Programmen, hauptsächlich in PL/I geschrieben. Das System ist in rund 100 Anwendungsmodule gegliedert, von denen jeweils nur eines dynamisch geladen wird.

Bei FG handelt es sich um ein echtes 3-D-System. Die gesamte Datenstruktur entstand aus der Forderung daß beliebig geformte Flächen (Karosserieaußenhaut) dargestellt werden müssen. Fisher Graphies ist kein simples System. Wegen der Vielzahl der angebotenen Funktionen muß der Benutzer ständig neu entscheiden, wie er eine ihm gestellte Aufgabe löst.

Die Weiterentwicklung von FG muß in Zusammenhang aller interaktiven grafischen Anwendungen bei General Motors gesehen werden. Seit Mitte 1979 wird die Entwicklung dieses Gebietes zentral durch eine 25köpfige Arbeitsgruppe wahrgenommen. Ihre Aufgabe besteht darin, ein System zu erstellen, unter dessen Kontrolle die verschiedensten heutigen Anwendungen unter Verwendung einer gemeinsamen Datenbasis laufen sollen. Dieses System (GM-Corporate Graphics System) wird in diesem Jahr fertig sein.