Bayern Versicherung schafft Diskettenversand ab

Außendienst aktualisiert Datenbestände via ISDN

26.07.1996

Bis vor kurzem erhielten die 700 Außendienstmitarbeiter der Bayern Versicherung die Updates für ihre Anwendungsprogramme sowie die aktuellen Bestands- und Kundendaten ihres Agentur- Informationssystems mit der Briefpost. Wie problematisch das sein kann, zeigte sich schon bei der alle sechs Monate notwendigen Aktualisierung der Basisapplikationen. "Der Versand von 30000 bis 40000 Disketten im Jahr war das kleinste Problem", erläutert Joachim Wolff, PC-Verantwortlicher und Handelsbevollmächtigter der Bayern Versicherung. Kritisch sei der dadurch bedingte Zeitverlust gewesen: Änderten sich die gesetzlichen Bestimmungen und lieferten die Entwickler die Software-Anpassungen erst in letzter Minute, so hätten die Außendienstler im Extremfall zwei Wochen ohne eine aktuelle Ausführung ihrer Programme dagestanden.

Gravierend wirkte sich diese vor zehn Jahren eingeführte Art der Datenübermittlung aber erst in bezug auf das Agentur- Informationssystem aus. Es soll die externen Versicherungsmitarbeiter beispielsweise über Änderungen in ihrem Kundenstamm auf dem laufenden halten.

Bislang fand das Update dieser Daten per Diskette im Dreimonats- Rhythmus statt. Ohne die konventionellen Wege der Informationsübermittlung, sprich: den Griff zum Telefonhörer oder die schriftliche Nachricht, kamen die Versicherungsvertreter deshalb nicht aus. Schließlich war ihnen daran gelegen, so schnell wie möglich von einem in der Zentrale eingegangenen Storno zu erfahren.

In der Absicht, hier den State of the art zu erreichen, initiierte der Vorstand des Münchner Versicherungsunternehmens vor zwei Jahren das Projekt "Datenverteilung und Informationsdienst", kurz: "David". Es zielte darauf ab, alle Außendienstler sowie die an das Vertriebsnetz angeschlossenen Sparkassen und die Verkaufsstellen der Bayerischen Versicherungskammer an die zentral vorgehaltenen Programme und Daten anzubinden. Das designierte Mittel zum Zweck war der integrierte Datenübermittlungsdienst der Deutschen Telekom AG.

Sobald die Lösung flächendeckend implementiert ist, soll jede Agentur beziehungsweise jeder Vertreter seine Daten täglich aktualisieren können. Per Sammelbestellung hat die Bayern Versicherung für alle ihre Außenstellen einen ISDN-Anschluß geordert. Dank des Mengenrabatts für die Endgeräte und der Ende Juni ausgelaufenen Telekom-Förderung entstanden vielen Außendienstlern kaum zusätzliche Kosten.

Ohne Berechnung liefert die Versicherung ihren externen Mitarbeitern zudem einen ISDN-Adapter sowie eine Diskette mit einem einfach zu installierenden DOS-Programm. Es enthält - neben der notwendigen Kommunikationssoftware - auch die Definition eines individuellen Zeitfensters. Die 2-MB-Karte des ISDN-Systems stellt zwar 30 Kanäle bereit aber wenn die mehr als tausend Benutzer alle zur selben Zeit auf die Telefonanlage der Bayern Versicherung zugreifen wollten, würde es trotzdem eng. Deshalb werden die PCs bei der Installation der Software darauf programmiert, die Verbindung zu einer für sie reservierten Zeit herzustellen.

Bevor der Versicherungsverkäufer sein Büro verläßt, öffnet er das Kommunikationsprogramm und wählt die Dateien aus, die er auf den aktuellen Stand bringen will. Zu der im Programm eingestellten Zeit - irgendwann zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens - wählt der Computer den ISDN-Server der Bayern Versicherung an. Durch ein Call-back-Verfahren hofft das Assekuranzunternehmen, das mit jeder Datenfernübertragung verbundene Sicherheitsrisiko auf ein Mindestmaß reduzieren zu können. Erst nachdem der PC "aufgelegt" und der Server "zurückgerufen" hat, werden die angeforderten Daten auf die Festplatte des Außendienstlers überspielt.

Bei der Realisierung dieses Systems ließen sich Wolff und seine Mitarbeiter von der Deutschen Telekom und dem Dienstleister Servonic GmbH helfen. Das in Olching bei München ansässige Unternehmen arbeitet seit zehn Jahren auf dem Sektor Datenfernübertragung und versuchte sich mit dem Vorhaben der Bayern Versicherung erstmals an einem Großkundenprojekt im ISDN- Bereich. Servonic lieferte Kommunikationshardware sowie Mailbox- Software und kam gemeinsam mit dem Siemens-Bereich für private Netze (PN) ins Boot, der die Projektkoordination übernahm.

Trotz dieser externen Unterstützung hatten die DV-Mitarbeiter der Bayern Versicherung noch alle Hände voll zu tun, um die zahlreichen Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Beispielsweise sei es nur mit einem Trick möglich gewesen, erzählt Wolff, die 30 Kanäle der ISDN-Karte auszuschöpfen, ohne sich unzumutbare Übertragungszeiten einzuhandeln.

Zudem hatte das Projekt streckenweise, so der DV-Verantwortliche, mit der mangelnden Flexibilität und dem unzureichenden Know-how der Telekom zu kämpfen. Insbesondere die Außendienstler abseits der Stadtzentren hätten darunter zu leiden gehabt, daß bislang nur wenige Mitarbeiter des deutschen Telefonriesen das für ISDN- Anschlüsse notwendige Wissen mitbringen. Insgesamt seien die ISDN- Lösungen noch nicht ausgereift und höchst proprietär.

Doch diese Widrigkeiten ließen sich offenbar überwinden. Kürzlich konnte die Versicherung den fünfhundertsten David-Anwender feiern. Bald sollen auch die restlichen fünf- bis sechshundert Benutzer ihre Daten schneller, vollständiger, sicherer und mit nachprüfbarem Ergebnis aktualisieren können.

Equipment

Derzeit setzt sich das System "David" aus folgenden Elementen zusammen:

- Individuell angeschaffte PCs in den Büros der Außendienstler,

- je ein ISDN-Adapter "HST" von der Janussoft GmbH, Hamburg,

- Server-Software "Mail Connection" von der Servonic GmbH, Olching,

- Sammelruf- und Vermittlungssystem "Hicom-300" von der Siemens- Nixdorf AG, München,

-eine Primärmultiplex-Querverbindungsbaugruppe,

- ISDN-Karte der S2M-Klasse von der Teles AG, Berlin,

- Server-System "Proliant 1500" von Compaq mit 64 MB RAM 4+4, gespiegelter SCSI-Festplat-te, Smart-SCSI-Array-Controller (Raid 10) und EISA-Netflex sowie

- zwei "Deskpro"-Workstations von Compaq. .