Mit Peanut startet die neue IBM-Attacke auf PC-Markt:

Ausleseprozeß bei Technologieaktien

07.10.1983

Viel Mühe und Kraft haben die Terraingewinne gekostet, die die führenden Aktienbörsen der Welt im September erringen konnten. Keinem dieser Märkte ist es gelungen, überzeugend nach oben auszubrechen und damit die seit August vergangenen Jahres laufende zyklische Hausse fortzusetzen. Die Furcht vor wieder steigenden Zinsen, die nachteilige Auswirkungen auf die Konjunktur haben könnten, und rein technische Schwierigkeiten halten die Kurse der meisten Aktien weiter in Schach.

Wo Kursgewinne erzielt werden konnten, handelte es sich überwiegend um Papiere qualitativ hochwertiger Unternehmen mit voraussehbarem Wachstum. Diese Tendenz wird nach herrschender Meinung anhalten. Im Bereich der Technologieaktien trennt sich die Spreu immer mehr vom Weizen. Die Aktien vieler kleiner und mittlerer Unternehmen gelten letzt, da man ihre Markt- und Wachstumschancen wesentlich nüchterner beurteilt, als noch vor einigen Monaten, als überbewertet.

Wall Street gibt nach wie vor den Ton an. Der Dow Jones (Industrie) erreichte zwar neue Rekordhöhen doch sind ihm die anderen führenden amerikanischen Indices nicht gefolgt. Dies gilt vielerorts als bedenkliches Zeichen. Man erinnert daran daß ein Alleingang qualitativ hochwertiger Aktien, wie sie der Dow Jones überwiegend erhält, in der Vergangenheit oft das Ende einer Hausse und eine Tendenzwende nach unten hin angezeigt hat. Doch so weit scheint es noch nicht zu sein, wie vor allem börsentechnisch ausgerichtete Analytiker meinen.

Man erwartet zwar im Laufe des Oktobers noch einen Rückschlag auf breiter Front, der den Dow Jones wieder unter die Marke von 1200 Punkten drücken könnte, doch sei wenigstens in Amerika noch vor dem Jahresende mit dem "zweiten Bein" der langfristigen Hausse zu rechnen, heißt es. Während des erwarteten Aufschwungs dürften Aktien von Rohstoffproduzenten und der Grundindustrien (Chemie, Stahl etc.) eine beherrschende Rolle spielen. Aber auch den quantitativ herausragenden Technologiewerten gibt man große Chancen.

Während manche Börsianer glauben, daß sich die Hausse in Wall Street ohne Unterbrechung bis in die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts erstrecken wird, sagen andere bereits für 1984 das Ende der Aufwärtsbewegung voraus. Letztere stützen sich auf rein zyklische Börsenerscheinungen, die eng mit den amerikanischen Präsidentschaftswahlen zusammenhängen. Diese Phänomene sind seit 1948 mühelos nachzuweisen.

Sie sprechen dafür, daß die Hausse irgendwann zwischen Februar und August endet. Dahinter steckt die Überlegung, daß der nächste amerikanische Präsident, ob er nun Ronald Reagan oder anders heißt, gleich nach seiner Amtseinführung im Januar 1985 mit eisernem Besen die ungelösten Probleme vor allem im Bereich des Staatshaushaltes angehen wird. Dies werde nicht ohne tiefgreifende wirtschaftliche Einschnitte möglich sein, heißt es. Der Aktienmarkt dürfte die sich abzeichnende Entwicklung frühzeitig in Form sinkender Kurse vorwegnehmen.

Bei den Technologieaktien schreitet der Ausleseprozeß, der bereits im Juni begonnen hat, voran. Das Debakel um Osborne und der Kurseinbruch der Aktie von Apple sind aus der Sicht der Börse weitere, unter zyklischen Gesichtspunkten ganz normale Meilensteine auf dem Weg zur Bereinigung früherer Kursexzesse. Natürlich machen bei dieser Gelegenheit auch zynisch klingende Kommentare die Runde, die sich vor allem mit der Rolle von IBM und dessen Vorstoß auf den Markt der Personal Computer beschäftigten. IBM, so heißt es, werde es jetzt der ganzen Branche zeigen und seinen Anspruch auf die Führungsrolle anmelden.

IBM habe die anderen bewußt Märkte erschließen lassen und abgewartet, bis der unausweichliche Kampf um Preise und Marktanteile unter den kleineren Anbietern einsetzte. "Peanut" sei das Signal für die bevorstehende offene Attacke des Computergiganten, mit der er bis Ende 1985 rund die Hälfte des amerikanischen Marktes für Personal Computer an sich reißen könnte. lm Zuge dieser Attacke werde noch der eine oder andere auf der Strecke bleiben, meinen Börsenanalytiker, von denen es inzwischen kaum noch einer mehr wagt, die IBM-Aktie nicht zum Kauf zu empfehlen.