Standortbestimmung der Schweizer Software- und DV-Beratungsbranche:

Auslandsgeschäft muß intensiviert werden

02.05.1986

BASEL - Die Unternehmen der Schweizer Software- und DV-Beratungsbranche präsentieren sich derzeit in "blendender Verfassung. Gemessen an ihrem gesamtwirtschaftlichen Erfolg des vergangenen Geschäftsjahres sprechen nicht wenige von 1985 als ihrem besten Jahr seit Bestehen".

Die Schweizer Software- und DV-Beratungsszene erlangt für die eidgenössische Wirtschaft zunehmend Bedeutung. So klingt es bestechend, wenn die inzwischen an die 2000 in der Schweiz tätigen Unternehmen dieser Branche von durchweg guter, zum Teil sogar sehr guter Auftragsläge sprechen. Auch können sie eine unvermindert hohe und noch deutlich über dem anderen Branchen liegende Wachstumsrate aufweisen.

Somit besteht ein nach wie vor großer Bedarf an Software und DV-Beratung bei der Schweizer Wirtschaft.

Die Situation, die sich auch so schnell nicht ändern dürfte, obwohl gewisse Prognostiker nicht müde werden, ein baldiges Nachlassen der Nachfrage nach solchen Dienstleistungen in Aussicht zu stellen. Bemerkenswert dabei ist, daß die Nachfrageimpulse fast ausschließlich aus dem Inland stammen.

Auslandsmärkte noch zu wenig bearbeitet

Die starke Orientierung auf den Inlandsmarkt ist aber zum Teil auch auf eine gewisse Zurückhaltung im Auslandsgeschäft zurückzuführen. Der "Know-how-Export" ist kaum nennenswert, da das Auslandsgeschäft bislang mehr oder weniger dem Zufall überlassen blieb. Demzufolge ist das Leistungsangebot der Schweizer Software- und DV-Beratugsunternehmen im Ausland zu wenig bekannt. Nur wenige Eidgenossen dieser Branche betrieben das Auslandsgeschäft bislang professionell.

Auf der anderen Seite jedoch gelangen seit Jahren - unvermindert anhaltend - Software- und DV-Beratungsunternehmen aus dem Ausland, namentlich aus der Bundesrepublik Deutschland, in die Schweiz. Zwar sind es im Verhältnis zu früheren Jahren nicht mehr ganz so viele "Eindringlinge", aber immer noch genug, um für eine Belebung des Marktes zu sorgen. Dies wird von den eidgenössischen Softwerkern und DV-Beratern allerdings gar nicht gern gesehen.

Branchengrößen setzen sich ab

Es scheint jedoch logisch, wenn hier von anderer Seite versucht wird, sich einen Teil am offensichtlich großen Schweizer Software-Kuchen zu sichern. Damit ist letztendlich auch den Anwendern gedient, denn Konkurrenz belebt das Geschäft und trägt weiter dazu bei, daß das Preis/ Leistungs-Verhältnis nicht ganz aus den Fugen gerät. Darüber hinaus trägt diese Entwicklung dazu bei, daß bestehende Engpässe in der Programmierung, ohne die eine Verwirklichung der vielen neuen Applikationen kaum denkbar wäre, zügig überwunden werden.

Trotz der ausländischen Konkurrenz haben die eidgenössischen Software- und DV-Beratungsunternehmen den inländischen Markt fest im Griff. Dies unterstreicht auch eine Auswertung der 50 größten eidgenössischen Unternehmen im DV-Dienstleistungsgeschäft in der

neuesten Ausgabe des 1/86 ISIS Firmen Report Schweiz. Dabei finden sich unter den ersten zehn Unternehmen gerade drei Vertretungen ausländischer Software- und DV-Beratungsfirmen. Allerdings erzielten diese im Jahr 1985 zusammen nahezu 30 Prozent des Umsatzes der zehn Spitzenreiter.

Auch im Mittelfeld der Tabelle, bis etwa Rang 30, lassen sich noch einmal drei bis vier ausländische Unternehmen ausmachen. Ihr Anteil am Gesamtumsatz liegt jedoch deutlich unter der Zehn-Prozent-Marke. Weitere vier ausländische Unternehmen finden sich am Schluß; diese aber fallen für die Bemessung des Gesamtanteils am Erfolg des letzten Jahres kaum mehr ins Gewicht.

Die Tabelle zeigt auch, daß die Spitzenreiter bis auf eine Ausnahme im Ausland tätig sind, dabei zumeist in der Bundesrepublik Deutschland. Die Unternehmen des Mittelfeldes dagegen engagieren sich kaum außerhalb der Schweiz. Ferner läßt sich aus der Studie entnehmen, daß die "Großen" der Software- und DV-Beratungsbranche im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern schneller zu wachsen scheinen. Dies gilt sowohl in personeller Hinsicht als auch für den Umsatz. Fünf dieser Unternehmen beschäftigen heute bereits mehr als 1 00 Mitarbeiter.

Kooperationen sind rationeller

Die Erkenntnis, daß kein Software-Entwicklungs-Haus seine Technologie über alle Zeit hinaus nur jeweils aus sich selbst schöpfen kann, ist bestimmt nicht neu. Demzufolge hat die Tendenz, sich zwecks rationeller Vorgehen bei der Software-Entwicklung, -Produktion und dem Vertrieb zusammenzuschließen, erheblich zugenommen. Auch für das laufende Jahr muß mit weiteren Fusionen, Übernahmen oder Beteiligungen gerechnet werden. Vielleicht kommt es dabei sogar einmal zu einer sogenannten "Elefantenhochzeit", wenn sich zwei wirklich "Große" der Branche zusammentun.

Vorerst jedoch finden die Zusammenschlüsse zumeist zwischen kleineren und mittleren Unternehmen statt, die den Hauptanteil der Software- und DV-Beratungsbranche ausmachen. Ziel ist dabei, die Geschäftstätigkeit innerhalb der angestammten Bereiche zu erweitern und auch die Position im nationalen, vielleicht sogar internationalen Wettbewerb zu verbessern.

Vermehrte Konzentration der Ressourcen

In die gleiche Richtung zielen auch Bestrebungen, durch Vergabe von produktabhängigen Softwarelizenzen und Kooperationsverträgen eine vermehrte Konzentration der Ressourcen zu erreichen. Allerdings halten sich die Unternehmen dieser Branche bei solchen Aktivitäten eher zurück, obwohl so etwas angesichts der chronischen personellen Unterbesetzung einige Erleichterung brächte. Dabei täten gerade auf die Softwareentwicklung spezialisierte Firmen gut daran, die Vergabe von Lizenzen zielstrebig zu verfolgen. Die

Unternehmen, die eher zum Softwareverkauf tendieren, sollten sich dagegen stärker für die Übernahme geeigneter Produkte interessieren. Es wird für ein Unternehmen immer vorteilhafter und weniger risikoreich sein, zur Abrundung ihres Angebots eine passende Software über Lizenz zu erwerben, als diese neu zu entwickeln.

In Anbetracht eines immer stärkeren Zusammenwachsens von Kommunikations- und Informationstechnologie werden sich die in der Schweiz tätigen Software- und DV-Beratungsunternehmen überlegen müssen, wie sie diesen Markt der Zukunft für sich gewinnen wollen. Neue Anforderungen warten - und diese werden sie aller Voraussicht nach weder mit ihren bisherigen Entwicklungstechniken noch mit ihren handwerklichen Unternehmensstrukturen bewältigen können.

Auch wird bei den Entwicklungen der Zukunft der Kapitalbedarf für die

Softwareproduzenten steigen. Finanziell starke Partner sind gefragt, doch diese haben bislang wenig Neigung gezeigt, in die Software- und DV-Beratungsbranche zu investieren.