Intelligente Datenübertragung kann DFÜ-Kosten senken:

"Ausgequetschte Leitungen"

08.12.1978

Obwohl die guten alten Telefonleitungen nicht dazu erfunden wurden, Computerinformationen zu übermitteln, gibt es heute eine Reihe von intelligenten Kommunikationseinrichtungen, die Städte, Länder und Kontinente gegenseitig mit Informationen aus Computern und Terminals über Stand- oder Wählleitungen versorgen können.

Vor die Datenfernübertragung hat nicht die Technik die höchste Barriere gesetzt.

Dafür gibt es - bleiben wir im eigenen Land - monopolartige Bestimmungen der Bundespost. Diese staatliche Institution hat sich durch ein über 50 Jahre altes Gesetz den Wettbewerbsausschluß jedweder Nachrichtenübermittlung gesichert. Damit müssen die Kunden der Bundespost, speziell die DFÜ-Teilnehmer, leben.

Trotzdem gibt es heute Geräte für die Datenfernübertragung, welche legal bestimmte Leitungsspezifikationen unterlaufen oder besser ausnutzen. Die schnelle Ausbreitung der Datenfernverarbeitung hat im Bereich der Kommunikations-Hardware zu einer Reihe von Neuentwicklungen geführt. Einige dieser Verfahren und Geräte sind - was den Übertragungsaufwand betrifft - zu echten DFÜ-Discountern geworden. Und es gibt inzwischen einige Anwenderbeispiele, die von hohen eingesparten Kosten zeugen. Allen diesen Produkten und Verfahren liegen drei Ziele zugrunde:

- schnelle und auch sichere Übertragung von Daten,

- Zwischenspeicherung von Computerinformationen,

- optimale Zuordnung und Verwaltung von Daten und Kanälen.

Die Modem-Generationen

Wachsende Anforderungen an schnelle und sichere Datenübertragung haben zur Entwicklung von leistungsfähigen Modulatoren/Demodulatoren (Modems) geführt. Die englische Firma Racal Milgo hat sich schon vor über zehn Jahren auf diesem Gebiet spezialisiert. Die ersten Geräte entstanden aus einer Notlage heraus: Als man für einen Staatsauftrag über Vermittlungsnetze keine Hochgeschwindigkeits-Modems von anderen Firmen kaufen konnte, entwickelte man selbst solche Geräte. Damit war die Basis für eine erfolgreiche Spezialisierung auf dem Kommunikationssektor gelegt. Denn bis heute befaßt sich die der großen englischen Racal-Firmengruppe zugehörige Milgo ausschließlich mit der Herstellung und dem Vertrieb von intelligenten Datenübertragungsverfahren.

Die Entwicklung zu immer höheren Übertragungsraten bei der Informationsübermittlung hat Racal Milgo dazu veranlaßt, sich bei Modems speziell im High Speed-Bereich zu engagieren. So werden neben "normal" schnellen Modems auch solche mittlerer Geschwindigkeiten (1200, 2400 und 4800 Bit/sec) bis hin zu superschnellen Modems mit einer Übertragungsrate von 7200 und 9600 Bit/sec und darüber hergestellt. Derzeit weltschnellster Modem leistet, 1 Mio. Bit/sec Transferrate. Hier und auch bei den kurz darunterliegenden Geschwindigkeiten spielt die Deutsche Bundespost nicht als Partner mit. Superschnelle Übertragungen sind deshalb bisher leider nur inhouse-Installationen vorbehalten.

In früheren Zeiten wurden die Modems installiert und dann meistens als "graue Kästen" hinter den Zentraleinheiten der großen Rechner vergessen. Bei Leitungsstörungen wurden dann Probeschaltungen aufgebaut. Die Fehlerortung war zeitaufwendig und mit erheblicher System-Downtime verbunden. Die zweite Modem-Generation besaß bereits eine Vorrichtung mit adaptiver Entzerrung. Sie sorgte dafür, daß sich der Modem an schwankende Leitungsqualitäten anpaßte und damit die Übertragung aufrechterhielt. Eine weitere Verbesserung waren die Kombinations-Modems von Racal Milgo. Sie besitzen eine Umschaltung, so daß Datenverkehr wahlweise zum Beispiel mit 2400 Bit oder 4800 Bit/sec betrieben werden kann. Dieser Typ 4500/48 in 2-Kanal-Version hat einen eingebauten Multiplexer. Er teilt den 4800 Bit/s Datenstrom in zwei Datenübertragungskanäle von je 2400 Bit/sec auf. Vorteil für den Anwender: Er besitzt zwei völlig voneinander unabhängige Strecken und muß nur für eine Leitung die Miete bezahlen.

Ein weiterer Vorteil der neuen automatischen Modems: Der DFÜ-Benutzer kann auf die etwas teuere gehobene Leitungsqualität der Bundespost verzichten. Er kann statt dessen die preisgünstigeren Fernsprechwege ohne besondere Leitungsqualität (M 102) anmieten. Sein intelligentes Modem übernimmt das Qualitäts-Tuning.

Noch mehr herausholen aus festgeschalteten Postleitungen ohne besondere Leitungsqualität läßt sich mit dem Modem 4800/72 für 7200 Bit/sec Übertragungsrate. Hierbei sind die Mehrfachausnutzungsmöglichkeiten der Telefonleitungen noch weiter vorangetrieben worden: zum Beispiel können 1 x 4800 und 1 x 2400 Bit/s übertragen werden. Auch hierbei bildet jeder Kanal eine unabhängige Datenstrecke, die auch über andere Modems verlängert werden kann.

Mit dem Modem 5500/96 führte Racal Milgo als erster Hersteller das DFÜ-Tempo 9600 Bit pro Sekunde bei automatischer Entzerrung in Deutschland ein. Dieser Modem-Typ kommt seitdem überall dort zum Einsatz, wo es auf die Übertragung von großen Datenmengen ankommt. Zu den Anwendern gehören vor allem Banken, Versicherungsunternehmen und Firmen der Großindustrie.

Noch mehr Intelligenz erhielt der universell einsetzbare Modem 96 Multi-Mode für 9600 Bit/sec. Er enthält eine Kombination aus LSI- ,ROM-, C-MOS- und TTL-Schaltkreisen, die eine Kombination verschiedener Betriebsarten, Testmöglichkeiten und Kontrollfunktionen erlaubt. Seine typischen Merkmale sind Mehrkanalbetrieb und umschaltbare Übertragungsgeschwindigkeit auf den einzelnen Kanälen. So ist wahlweise 1-Kanal- auf Mehrkanal-Übertragung als auch Mehrkanalübertragung mit Polling (pro Kanal 2400 Bit/sec) möglich.

Noch einen Generationssprung weiter hat sich nach der LSI-Technik nun auch der Mikroprozessor in der Datenkommunikation durchgesetzt. Der MPS 48 von Racal Milgo überbrückt damit die bisher vorhandene Lücke zwischen den Datenübermittlungsgeräten und den Datenendeinrichtungen, die schon seit längerer Zeit mit den neuen elektronischen Bauelementen ausgerüstet sind. Der MPS 48 überträgt Computerdaten mit 4800 Bit pro Sekunde. Er hebt sich von seinen Vorgängern insofern ab, als er die Informationen nicht nur schnell, sondern vor allem sicherer übermittelt. Dieses Kriterium liegt im besonderen Interesse von Kreditinstituten, Luftfahrtgesellschaften und internationalen Hotelreservierungszentralen.

Der eingebaute Mikroprozessor verbessert nicht nur die Datengenauigkeit und Geschwindigkeit, er sichert auch eine optimale Entzerrung und Anpassung an das Telefonnetz. Darüber hinaus sorgt der Mikroprozessor für ein schnelles Egalisieren und Auffrischen der über das Telefonnetz übertragenen Signale. Frühere Modelle benötigten dafür durchschnittlich 52 ms. Der MPS 48 tut es in 26 ms bei voller Übertragungsleistung von 4800 Bit je Sekunde.

Ähnlich wie andere Kleinrechner und Terminals hat sich auch in diesem neuen Modem die modulare Bauweise durchgesetzt. Bei notwendigen Erweiterungen eines DFÜ-Netzes müssen keine neuen Modems installiert werden. Dafür können zusätzliche Elektronikkarten in denselben Modem eingeschoben werden, ohne daß dabei der MPS 48 aus seinem Gestell herausmontiert werden braucht.

Die neue Modem-Generation zeigt in Ansätzen eine Entwicklung, die parallel zum Distributed Processing verläuft. Die Zeiten der ,dummen", lediglich auf das Modulieren und Demodulieren beschränkten Modems scheinen vorbei zu sein. Neue Geräte kreieren die intelligente Datenübertragung, indem bereits im Vorfeld des Rechners gewisse Übertragungsfunktionen erledigt werden. Mehr und mehr soll der zentrale Computer seiner ausschließlichen Rolle als "Rechenknecht" gerecht werden.

Beginnende Dezentralisierung

Zweifellos wäre es noch verfrüht, von Distributed Communications zu sprechen. Man darf jedoch behaupten, daß der Trend zu solchen Datenübertragungseinrichtungen zunehmen wird, die neben ihrer ursprünglichen Signalbehandlungsfunktion auch "höherwertige" Aufgaben miterledigen können. Dazu zählen unter anderem Fehlerortung, Netzwerkverwaltung, automatisches Umschalten auf Ersatz-Modems sowie Testen ohne Unterbrechung der Datenübertragung.

Diese Möglichkeiten des Communications-Managements werden speziell größeren Netzen neue Wege der Datenfernübertragung ebnen. Darüber hinaus wird die intelligente Datenfernverarbeitung innerhalb der vorgegebenen FTZ-Richtlinien die Postleistungen derart "ausquetschen" und damit die oft geäußerten Klagen über zu hohe Gebühren dämpfen können. Zu den vielen möglichen Einsparungsmöglichkeiten durch intelligente Datenübertragung kommentiert Jürgen Hein, Marketing- und Vertriebsleiter der Racal Milgo GmbH, Neu-Isenburg: "Es gibt in Deutschland nur ganz wenige DFÜ-Installationen, die wir nicht mit unseren Verfahren und Produkten preislich oder betrieblich verbessern könnten"

Klaus Rosenthal ist freier EDV-Fachjournalist.