Ausgebremste Bonner Telecom-Politik

12.06.1987

Die Diskussion um die künftige Gestaltung des Fernmeldewesens hierzulande geht in die entscheidende Runde und es sieht ganz danach aus, als sei ein Kompromiß oder gar ein Konsens über die Essentials der Telekommunikationspolitik weiter entfernt denn je. Fest steht lediglich, wer an den Pranger zu stellen ist: Die Deutsche Bundespost.

Es ist unbestritten, daß der "Gelbe Riese" nicht immer eine kundenorientierte Politik betrieben hat. Daraus jedoch abzuleiten, es genüge schon, den "härtesten Monopolisten der Welt", wie die Post von Liberalisierungsanhängern gerne tituliert wird, in möglichst viele einzelne Bestandteile zu zerlegen, ist wohl zu wenig. Umgekehrt dienen aber auch die Argumente derjenigen, die das bestehende System für die beste aller Telecom-Welten und allein deswegen schon für immer und ewig unantastbar halten, nicht unbedingt der Problemlösung.

Die Problemlösung liegt nämlich nicht bei der Deutschen Bundespost - sie ist eine ordnungspolitische Aufgabe oberster Priorität, und das im nationalen und europäischen wie internationalen Rahmen. Zwar wird das Thema Fernmeldepolitik in wohlgesetzten Worten und vorzugsweise in Sonntagsreden als wesentliche Infrastrukturaufgabe für die Zukunft der Industrienation Bundesrepublik charakterisiert. Daneben aber werden in den Niederungen der Politik zwischen Bundeswirtschaftsministerium und Bundespostministerium sowie deren jeweils nachgeordneten Interessenvereinigungen Grabenkämpfe ausgefochten, die eher an parteipolitisches Positionsgerangel erinnern. Bestes Beispiel ist hier die im April 1985 eingesetzte "hochrangige" Regierungskommission Fernmeldewesen: Inzwischen ist es für jedermann offenkundig, daß sie vornehmlich zu dem Zweck eingesetzt worden ist, die vorhandenen Gegensätze noch deutlicher zutage treten zu lassen.

Dieser partei- und interessenpolitische Stellungskrieg hat allerdings nicht nur bundesrepublikanische Aspekte, da sich Fernmeldepolitik nicht im luftleeren Raum abspielt. Angesichts der Bemühungen der Amerikaner, ihr hausgemachtes Handelsdefizit dadurch zu lösen, daß die westlichen Partner nach der Methode "Knüppel aus dem Sack" zur Öffnung ihrer Fernmeldemärkte gezwungen werden sollen, lädt eine zerstrittene Bonner Regierungskoalition zu Daumenschrauben aus Washington geradezu ein. Das böse Wort, das derzeit in Bonn die Runde macht, die USA betrieben in Sachen Telecom "finsterste Kolonialpolitik", umschreibt daher mindestens zu einem Teil auch die Auswirkungen der Uneinigkeit im Bundeskabinett.

Diese abwartende Haltung bestätigt damit alle diejenigen, die für eine Fernmeldepolitik im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft plädieren. Seit Jahren ist die EG-Kommission ja bereits bemüht, die auseinanderdriftenden Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten in wesentlichen Bereichen zu koordinieren. Das noch für diesen Monat angekündigte Brüsseler "Grünbuch" soll da erste Vorschläge unterbreiten. Mit baldigen Regierungsentscheidungen in Bonn und anderswo in Europa oder wenigstens mit schnellen einvernehmlichen Schritten der Mitgliedsländer rechnet die EG-Kommission selber allerdings nicht. Im Bremserhaus sitzt nämlich, wenn auch nicht ganz allein, wiederum die Bundesrepublik.