Nicht immer liegt der Fehler beim System:

Ausfallsicherheit liegt auch in User-Händen

29.11.1985

MÜNCHEN (hh) - Von den Herstellern teils über alle Maßen gepriesen, teils totgeschwiegen, gilt die Fehlertoleranz eines DV-Systems bei den Anwendern als Ziel der Wünsche. Dabei hat die Definition dieses Begriffs gerade in letzter Zeit eine Wandlung durchgemacht: Galt Fehlertoleranz noch vor geraumer Zeit als reine Hardware-Thematik, so mehren sich jetzt die Stimmen, die von einer Systemverfügbarkeit oder sogar der Fehler-"Kompensation" sprechen. Eine Blitzumfrage der COMPUTERWOCHE zu diesem Thema verdeutlicht interessante Trends.

So scheinen sich die Hardwarehersteller insgesamt darüber einig zu sein, daß Fehlertoleranz nicht nur eine Frage der Hardwareausstattung, sondern darüber hinaus auch der Betriebssoftware, der Anwendungen, der Kommunikationswege und der Benutzermentalität ist.

Gerhard Borgenheimer, Produktspezialist für V-Systeme der NCR GmbH, Augsburg, spezifiziert diese Thematik aus der Unternehmenssicht: "Fehlertoleranz hat folgende Anforderungen zu erfüllen: Jede kritische Komponente des Systems soll doppelt vorhanden sein, damit sie im Fehlerfall ersetzt werden kann (Redundanz). Darüber hinaus muß das System fähig sein, automatisch eine fehlerhafte Komponente zu entdecken (Fehlerentdeckung). Ferner ist nötig, daß sie sich sowohl elektrisch wie auch logisch vom Rest des Systems abtrennen läßt (Isolation). Das System hat sich in einem Fehlerfall selbst zu rekonfigurieren, um ohne Unterbrechung die Arbeit fortsetzen zu können. Sobald das fehlerhafte Teil repariert ist, muß es in das System wieder eingefügt werden können. Und zum Schluß: Keine Art von Fehler darf die Datenbank oder die Daten zerstören."

Der neue Definitionsinhalt schlägt sich auch in Kritik gegenüber älteren Sichtweisen nieder. So moniert H. Ulrich Altschoeller, Marketingleiter Computersysteme der Burroughs Deutschland GmbH: "Durch die Doppelauslegung von Systemkomponenten hat man in der Vergangenheit lediglich den Hardwareaspekt der Fehlertoleranz berücksichtigt."

Mit der Wandlung des DV-Bereiches vom Verkäufer- und Käufermarkt allerdings verbreitet sich zunehmend eine andere Einstellung. Dazu Altschoeller: "Aus der Kundensicht muß heute in der Regel Hardware-Fehlertoleranz mit reduziertem Durchsatz (Overhead) und Mehrkosten (Doppelauslegung) bezahlt werden. Die Kernfrage lautet deshalb: Ist der Mehraufwand für alle Bereiche erforderlich?".

Hier sind sich aber auch die Lieferanten solcher Systeme darüber einig, daß dem Kunden eine wichtige Rolle bei der Auswahl des passenden Systems zukommt. So meint Klaus Kemmler, Produkt Marketing Manager der Digital Equipment GmbH, München, daß der Anwender bei der Auswahl eines fehlertoleranten Systems darüber nachdenken solle, ob und in welchem Umfang die zur Redundanz erforderliche Hardware im Normalfall zur Verfügung stehen. Wird aber nun dem Anwender eine Verantwortung explizit zugeordnet, so sind auch die Hersteller bereit, mit Tips und Ratschlägen hilfreich zur Seite zu stehen. U. Dunnebeil von der Deutschen Olivetti GmbH rät hierzu: "Grundsätzlich sind bei einem fehlertoleranten System die gleichen Auswahlkriterien wie bei anderen Systemen anzuwenden." Gegenüber den Hardwareeigenschaften seien die Software-Charakteristika von noch größerer Wichtigkeit. "Auf keinen Fall", so Dunnebeil, "sollte bei fehlertoleranten Systemen die Anwendung einen Einfluß auf die Gewährleistung der Fehlertoleranz haben. Dies führt zu vermeidbarem Aufwand und mehr Komplexität".

Die Systemsoftware müsse Schnittstellen haben, die den Einsatz von Standards begünstigen.

Da fehlertolerante Systeme vielfach als DDP-Systeme eingesetzt seien, seien die Anforderungen an das Operating allgemein niedrig.

Fazit der Blitzumfrage - und Trost für die Anwender, die sich mit der Problematik noch herumschlagen: Fehlertoleranz, so teilten Manfred Mahle und Karlheinz Schabo aus der Marketing-Abteilung von Hewlett-Packard, Böblingen, mit, sei nicht nur durch eine Ansammlung von Hardware gewährleistet. "Fehlertoleranz heißt nicht Redundanz um jeden Preis."

Es sollten zunächst die Möglichkeiten genutzt werden, die eine leistungsfähige Hardware und professionelle Software biete - "in der Kombination von beiden" müsse die für den Kunden bestmögliche modulare Lösung erarbeitet werden.