Sun und Microsoft im Clinch

Auseinandersetzung um Java verschärft sich

08.08.1997

Den Unmut des zuständigen Microsoft-Managers Charles Fitzgerald zogen sich Javasoft und die ISO-Verantwortlichen zu, weil sie entgegen einem angeblich früher abgegebenen Versprechen nun das Abstimmungsergebnis nicht vollständig publizieren wollen. Es war dabei um den Antrag von Sun gegangen, in der Rolle eines Publicly Available Specification Submitter die Weiterentwicklung von Java auch weiterhin bestimmen zu können. Die meisten zuständigen ISO-Länderkomitees lehnten diesen Vorschlag jedoch in der vorliegenden Form ab und verlangten Nachbesserungen. Weder das genaue Abstimmungsergebnis noch der Inhalt der geäußerten Einwände wurden bis dato publiziert.

Microsoft kritisiert ISO-Vorgehen

Microsoft befürchtet nun mangelnde Transparenz. Sun muß nämlich innerhalb von 60 Tagen einen modifizierten Antrag stellen, dessen Inhalt wahrscheinlich genausowenig bekanntgegeben wird wie die darauffolgende, erneute Begutachtung durch die nationalen JTC-1-Komitees. Mittlerweile hat ein Vertreter des American National Standards Institute (ANSI), das die USA bei der ISO vertritt, Microsofts Vorwürfe der inkorrekten Verfahrensweise zurückgewiesen. Demnach sei die vollständige Veröffentlichung der betreffenden Vorgänge nicht erforderlich. Microsoft hat innerhalb des JTC-1 kein Stimmrecht, weil sich die Gates-Company zu spät um die Mitgliedschaft bei der ISO bemüht hatte.

Neben der Anfechtung des Standardisierungsprozesses versucht Microsoft, Javas Plattformunabhängigkeit in Frage zu stellen. Der Windows-Hersteller betrachtet Java als Programmiersprache, aber nicht als Plattform. Es sei unsinnig, so Vice-President Paul Maritz, Dienste über eine zusätzliche Softwareschicht anzubieten, die das darunterliegende Betriebssystem ohnehin bereitstellt. Er bezog sich damit auf die Java Foundation Classes (JFC), die ein plattformübergreifendes API für grafische Oberflächen bieten. Mit Berufung auf die Anwender, denen ein solcherart aufgeblähtes OS nicht zugemutet werden könne, verweigert Microsoft deren Auslieferung mit dem "Internet Explorer 4.0". Der Windows-Hersteller ermuntert Programmierer statt dessen, über "J/Direct" Funktionen des Win-32-API zu nutzen.

Die Auslieferung der JFC könnte sich zum Rechtsstreit auswachsen, weil Microsoft als Lizenznehmer verpflichtet ist, alle zum Java-Kern gehörigen APIs zu unterstützen. Dazu zählen unter anderem auch die JFC.