Platz 1 - Manuel Fischer, Cetrel

Ausdauer unter Beweis

25.11.2010
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Projekt: Sunshine

Foto: Manuel Fischer, Centrel

Und das tat sie. Mit "Sunshine" begannen Fischer und sein Team damit, die IT-Strukturen umzukrempeln: Alle Kernanwendungen und alle Zahlungsterminals sollten ausgetauscht, neue Funktionen bereitgestellt, die Entwicklungszyklen drastisch verkürzt und was nicht zum Kerngeschäft zählte, ausgelagert werden. Anfang 2009 begann die Konzeptionierung, danach ging es rasch an die Umsetzung der einzelnen Projektschritte. Im Januar dieses Jahres war das Cloud-Rechenzentrum fertig, die Migration der Zahlungsterminals lief an, die Implementierung der neuen Geschäftsanwendung folgte.

Mitte dieses Jahres begann die Migration des Kreditkartenportfolios auf die neue Software und parallel die Integration neuer Kunden. Ab Januar 2011 schließlich wird der Massenrollout anstehen, und im selben Jahr soll das Projekt abgeschlossen sein.

Nach dem Ende von Sunshine wird Cetrel seine Eigenentwicklung durch eine Standardlösung ersetzt haben, wird ausgestattet sein mit einer völlig neuen Server-, Storage- und Netzinfrastruktur und wird eine Service-orientierte Architektur nutzen, die den Namen auch verdient. Um dies in einer sehr kurzen Zeit und ohne Systemunterbrechung umzusetzen, mussten viele Hindernisse erforscht und behoben werden. Architektur und Verfahren wurden im Vorfeld in den Forschungslaboren der Hersteller validiert. Damit wurde das Projektrisiko von Anfang an aktiv gemanagt. Sämtliche Services wie zum Beispiel 'Kreditlinie einräumen' oder 'Sperrung einer Karte' kann Cetrel nicht nur selbst nutzen, sondern stellt sie via Web den Banken eins zu eins zur Verfügung.

Cetrel - das Rückgrat der Kreditkarten-Zahlungen

Luxemburg ist ein kleines Land mit etwa einer halben Million Einwohnern. In einem Punkt allerdings ist das Großherzogtum europäischer Spitzenreiter: In Luxemburg finden sich die größten Tankstellen des Kontinents. Das hängt mit der zentralen Lage innerhalb Europas und den günstigeren Spritpreisen zusammen.

Die meisten dieser Tankstellen sind Kunden von Cetrel. Denn Cetrel bedient nicht nur klassische Banken, sondern zunehmend auch große Unternehmen, etwa Handelshäuser, die ihren Kunden ebenfalls Kreditkarten anbieten möchten. Ein Spezialangebot von Cetrel sind beispielsweise virtuelle Kreditkarten, die nur für eine einzige Transaktion ausgegeben werden. Dabei sind der Fantasie keinen Grenzen gesetzt, um welche Summen es hier gehen kann.

Rund 180 Mitarbeiter arbeiten für Cetrel. Ein Großteil in der IT, viele im Customer-Service-Center. Sie verwalten die Karten, entwickeln neue Produkte und kümmern sich um alle Belange, die mit den bargeldlosen Zahlungen zusammenhängen.

Zahlt ein Autofahrer bei einer Luxemburger Tankstelle mit seiner Kreditkarte, rauschen seine Daten in die Cetrel-Systeme und werden dort überprüft. Das darf nur wenige Sekunden dauern, was es im Normalfall auch tut. Wenn nicht, gibt es Doppelt- und Dreifachsicherungen, die das Schlimmste verhindern. Das ist auch nötig, denn sollte der Ernstfall einmal eintreten, was bisher noch nie geschah, so würde man einen langen Rückstau von den Tankstellen auf die Autobahn sehen können. Dann kann nur noch die Verkehrspolizei helfen. Kein Wunder also, wenn Cetrel-CIO Manuel Fischer behauptet: "Wenn unsere Systeme komplett ausfallen würden, käme die Polizei und regelte den Verkehr."

Die Cetrel-IT hat es dabei nicht nur geschafft, ihr innovatives technisches Konzept umzusetzen und den Zeitplan einzuhalten. Es ist ihr im Zuge des Change- Managements außerdem gelungen, mit einem ebenso simplen wie pfiffigen Trick die Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen und die Beziehung zwischen IT und Business sogar noch zu verbessern.

"Bei jeder Neuerung gibt es einen natürlichen Widerstand unter den Kollegen", weiß Fischer, als er mit dem Projekt beginnt. Um die Leute ins Boot zu holen, entscheidet er daher, dass die eigenen Kollegen von Beginn an für das neue System zuständig sein werden. An den Betrieb der alten Anwendungen, die ja parallel weiterlaufen müssen, setzt er externe Mitarbeiter, die befristet engagiert werden.

Mit dieser Taktik, die Mitarbeiter direkt am Aufbau des Zielsystems zu beteiligen, gelingt es tatsächlich, die Ressentiments aus den eigenen Reihen einzudämmen. Ein weiterer Vorteil: Mitarbeiter trainieren das Trainieren. "Unsere Leute mussten die hinzugekommenen externen Kollegen auf den alten Systemen schulen", erzählt Fischer. Das verbesserte die Fähigkeit, Dinge zu erklären und führte automatisch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit gewohnten Prozessen und Workflows. Ein Wissen, das sich wiederum direkt in der Beschäftigung mit dem neuen System niederschlagen wird.

Und das betraf keineswegs nur die Kollegen in der IT. Mit Einführung der neuen Anwendung verändern sich auch die Abläufe. "An unsere alte Software waren wir alle sehr gewöhnt", sagt Fischer. In dem Geschäft von Cetrel geht es um hohe Prozesseffizienz. Die Ergonomie der Applikationen hat hier einen besonders hohen Stellenwert. Da war jeder Schritt extrem gut durchdacht, jeder Workflow im System optimal angepasst. Mit der Standardsoftware, für die sich Cetrel jetzt entschieden hat, wird dies von den Fachabteilungen schrittweise weiter verfeinert.

Cetrel hat sich nicht bloß für die Einführung einer Standardlösung entschieden, das Unternehmen hat auch beschlossen, ein Kompetenzzentrum für das System aufzubauen. "Wir wollen die Lösung komplett beherrschen", so Fischer. Technisch wie fachlich. Und dabei sind vor allem die Anwender gefragt. Sie müssen jetzt Vorschläge machen, was sich wie verbessern lässt. Einige von ihnen werden auch zu den Tests herangezogen. "Dadurch ist die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereich viel enger geworden", kann Fischer berichten.

Da die Standardschulungen den Ansprüchen nicht genügten, wurde hier nachgelegt. "Wir müssen unsere eigenen Trainer ausbilden und eigene Schulungsmaßnahmen entwickeln", erklärt Fischer. Bestimmte Funktionen waren bekannt, andere wiederum benötigten weit mehr Tiefe als üblicherweise vorgesehen.

"Unser Team setzt sich aus hervorragenden Fachleuten zusammen", bilanziert Fischer das erfolgreiche Projekt. Und wenn es doch mal nicht ganz reibungslos zuging, konnte er sich auf Fähigkeiten verlassen, die ihn der Ultra-Marathon gelehrt hat. Ressourcen richtig einschätzen und einteilen, nicht die Geduld verlieren und keine Angst vor Rückschlägen haben. Denn letztlich geht es um dasselbe: Mit dem gesamten Team an einem Ziel in einer vorgegebenen Zeit anzukommen, das am Anfang sehr weit entfernt ist.