Ausbildung: Budgetminus erhöht Inhouse-Aktivität, senkt Know-how

23.09.1983

Laufende Aktualisierung der beruflichen Fachkenntnisse ist nach Aussagen von Klaus Markgraf, Dozent an der Technischen Akademie Wuppertal, nicht nur Schlüsselvoraussetzung für die Zukunftsicherung der Unternehmen, sondern die der dort beschäftigten Mitarbeiter. Dennoch schlägt sich das Kostendenken im Ausbildungsbereich derzeit stärker denn je auf die Budgetplanungen der DV- und Fachabteilungen nieder. Dieweilen externen Seminaranbietern teilweise das Wasser bis zum Hals steht, wird das lange Zeit vernachläßigte innerbetriebliche Ausbildungswesen derzeit mehr gefördert denn je. Mit dieser Strategie lassen sich zwar kurzfristig erhebliche Beträge einsparen, doch besteht die Gefahr, daß der Wissensstand ohne externe Know-how-Zufuhr schon mittelfristig stagniert. "Die Aufgaben der Datenverarbeiter erfordern ganz konkrete Ausbildungsmaßnahmen", sagt der Münchner Unternehmensberater Rolf A. Fischer. Wer die Mittel für diese Maßnahmen kürze, messe auch seine kurz- und mittelfristigen Ziele überprüfen.

Rolf A. Fischer Geschäftsführender Partner bei der Fischer & Partner Unternehmensberatung, München

Im Bereich des betrieblichen Ausbildungswesens regiert der Rotstift. Wie ich von Klienten weiß, trifft er sowohl innerbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen als auch externe Seminare, was unser Bereich Seminare am eigenen Leibe spürt. Kurzfristig gedacht, wäre diese Tatsache so zu interpretieren daß die DV in der Phalanx aller zum Sparen gezwungenen Unternehmensbereiche eingereiht wurde. Der schadenfrohe Betrachter sagt: Gut so! Aber: Wer wird, in Zukunft mit fortgeschrittenen Methoden Software entwickeln, wer ein komplizierter gewordenes System betreuen, wenn der Ausbildungsstand um Jahre zurückhinkt? Jeder DV-Chef weiß zwar, daß Aus- und Fortbildung in der Datenverarbeitung das A und O sind, und muß dennoch die Kürzung der notwendigen Mittel hinnehmen weil der Hinweis auf die Notwendigkeit von Ausbildung nicht ausreicht.

EDV-Chefs in Unternehmen mit strategischen Planungsmethoden sind seltener von jährlichen Streichaktionen betroffen, einfach weil der langfristige Planungshorizont kurzfristige Budgetveränderungen verbietet. Ein Jahresbudget mit global festgelegten

Ausbildungsmitteln ist nicht nur wegen des kurzfristigen Planungszeitraums kein Abschreckungsmittel für sparende Finanzleiter, sondern im wesentlichen deshalb, weil die Mittel nicht personen- und damit nicht aufgabengebunden budgetiert sind. Aufgabengebundene Mittel können nur zusammen mit der Aufgabenplanung der Datenverarbeitung zur Diskussion gestellt werden.

Das Stichwort an dieser Stelle heißt integrierte Personalentwicklung. Gemeint ist eine mittelfristige (bis fünf Jahre) Aufgabenplanung für die Hard- und Software, selbstverständlich unter Berücksichtigung von Innovationen. Davon wird der quantitative und qualitative Personalbedarf abgeleitet. Der Vergleich des heutigen Wissenstandes mit dem zukünftig notwendigen für jeden einzelnen Mitarbeiter zeigt als Ergebnis den Ausbildungsbedarf, wiederum für den einzelnen Mitarbeiter.

Eine solche Konzeption macht es selbst der Unternehmensleitung schwer, Budgetkürzungen im Bereich Ausbildung zu vertreten. Ferner weist die Kosten-Nutzen-Analyse nach, was jedermann bekannt ist: daß nämlich eine Kürzung am Ausbildungsbudget nur scheinbar Gewinn bringt. Ein aufgabenorientiertes Ausbildungswesen vermeidet nicht nur die oft beklagten zufallsbedingten Maßnahmen, sondern es trägt ganz entscheidend zur zeitgerechten Aufgabenerfüllung bei. Weitere Nutzenaspekte sind die Förderung der Motivation der Mitarbeiter und damit weniger Fluktuation.

Hinzu kommt, daß sich das Unternehmen beim Rekrutieren in einer besseren Position befindet, denn ein solch geordnetes Ausbildungswesen entspricht unserer Erfahrung nach den Vorstellungen aller hochqualifizierten Bewerber. In Zahlen umgesetzt: Die Kosten für die Implementierung liegen etwa bei zwei Dritteln des Jahresgehaltes eines Projektleiters, die verminderte Zahl von Neueinstellungen und, gegebenenfalls, das leichtere Recruitment übertreffen die Kosten mindestens um das Doppelte. Bereits diese sehr simplifizierte Rechnung zeigt den Vorteil einer Personalentwicklung auf.

Bei den Ausbildungskosten zu knausern, bedeutet Sparen am falschen Platz, weil damit die Aufgabenerfüllung der Datenverarbeitung gefährdet wird. Dieser Gemeinplatz reicht nicht aus, um Budgetkürzungen zu vermeiden. Die erfolgreiche Argumentation unter Hinweis auf die Plandaten lautet: Die der EDV gestellten Aufgaben erfordern diese und jene konkreten Ausbildungsmaßnahmen. Wer die Mittel für die Maßnahmen kürzt, muß auch seine Ziele überprüfen.

Klaus Markgraf Technische Akademie, Wuppertal

Überall besteht Einigkeit bezüglich der unverminderten, ja steigenden Bedeutung der berufsorientierten Fort- und Weiterbildung. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen politisch wie gesellschaftlich relevante Gruppen unterstreichen die Notwendigkeit des "live-Iong-learning". Die laufende Aktualsierung der beruflichen Fachkenntnisse ist unbestritten eine Schlüsselvoraussetzung für die Zukunftssicherung der Unternehmen gleichermaßen wie für die der beschäftigten Mitarbeiter. Innovationsfähigkeit sowie Verbesserung der Wettbewerbsposition und der Produktivität des Unternehmens, aber auch Arbeitsplatzsicherung und Erfüllung der steigenden Anforderungen an die Arbeitnehmer werden hiervon maßgeblich beeinflußt.

Im Gegensatz zu diesen Feststellungen verzeichnen Nachfrage und Aktivitäten der Weiterbildung seit der zweiten Hälfte 1981 einen schweren Einbruch. Der sich abzeichnende Rückgang ist ungleich stärker als jener der Jahre 1973 bis 1975. Diese generelle Feststellung muß jedoch differenziert werden. Berufsorientierte Weiterbildung ist nicht ein einheitlicher Begriff, sondern beinhaltet drei sehr unterschiedliche Organisationsformen, in denen die Situation und die Trenderwartungen sehr unterschiedlich gelagert sind.

Die innerbetriebliche Weiterbildung mit eigenen Trainern und Ausbildungsprogrammen verzeichnete nur einen verhältnismäßig geringen Rückgang, da das Personal vorhanden war. Diese Weiterbildung ist jedoch auf Großunternehmen und auf die Vermittlung breiter Grundlagenkenntnisse wie Datenverarbeitung Verkauf und Verhaltenstraining begrenzt, da nur dort genügend große Zielgruppen zu erreichen sind.

Innerbetriebliche Weiterbildung mit externen Referenzen erfreut sich nach vorübergehendem Rückgang mittlerweile wieder steigenden Interesses. Themenschwerpunkte sind hier spezielle Fachkenntnisse, für die hinreichend große Zielgruppen im eigenen Unternehmen vorhanden sind und die auf spezifische Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten werden müssen.

Überbetriebliche Fortbildung durch unabhängige Institute ist am stärksten unter Druck geraten. Weiterbildungsentscheidungen, die der Vermittlung von speziellen Fachkenntnissen und dem intensiven Erfahrungsaustausch diene, erfolgen hier derzeit nach eingehenden Bedarfsüberlegungen und der Prüfung der Qualität des Angebotes.

Die drei genannten Formen der Weiterbildung stellen keine Alternativen dar, sondern, je nach der speziellen Aufgabenstellung, notwendige Ergänzungen sozusagen Variationen des gleichen Themas. Der Rückgang insbesondere im Rahmen der überbetrieblichen Weiterbildung ist daher nicht dadurch erklärt, daß sie durch andere Organisationsformen besser, intensiver, billiger ersetzt werden kann. Der Widerspruch zwischen der Notwendigkeit sich weiterzubilden und dem Rückgang der Nachfrage ergibt sich aus dem tatsächlichen oder vermeintlichen Zwang zur Begrenzung der laufenden Ausgaben. Eine der wenigen Unternehmensaktivitäten, in der durch eine Entscheidung unmittelbar Geld in der Kasse des Unternehmens verbleibt, ist die Inanspruchnahme oder Nicht-Inanspruchnahme externer Weiterbildung, seien dies externe Dozenten oder überbetriebliche Seminare. Die Beteiligten sind sich jedoch über die negativen Folgen für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen und die Motivation der Mitarbeiter im klaren.

Die aktuelle Entwicklung läßt vermuten, daß gleichzeitig mit der Zunahme der positiven Überlebenseinschätzung und der Intensivierung strategischer Überlegungen in den Unternehmen derzeit eine Stabilisierung der Weiterbildungsaktivitäten auf niedrigerem Niveau stattfindet. Die leistungsfähigere Trägerin der Weiterbildung, die ihren Partnern auch in der Vergangenheit den Nachweis der Qualität nicht schuldig geblieben sind, rechnen mit einem fühlbaren Zuwachs der Weiterbildungstätigkeit im kommenden Jahr.

Klaus Völkner Leiter d. Betriebswirtschaft, Dr. Bruno Lange GmbH, Berlin

Die Beschaffung von DV-Personal war in Berlin immer schwierig, da es am hiesigen Arbeitsmarkt kaum qualifizierte Bewerber gab. Dies mag einem gewissen Sonderstatus zuzuschreiben sein, den das "Inseldasein" dieser Stadt mit sich bringt. Auf das Ausbildungsbudget hat sich diese Situation jedoch eher positiv ausgewirkt. Meiner Erfahrung nach sind hier im Gegensatz zum übrigen Bundesgebiet keine tiefergreifenden Kürzungen festzustellen.

Unser eigentliches Problem im Ausbildungsbereich liegt an der Unternehmensstruktur des mittelständischen Unternehmens: Wir geben innerbetrieblich das Wissen weiter, über das die DV-Leitung verfügt. Um Spezialwissen in Datenverarbeitungsfragen zu erwerben, gehen wir jedoch zu IBM.

Solche externe Fortbildungsmaßnahmen sind für uns eine unbedingte Notwendigkeit, denn die Hochschulabgänger, die wir einstellen, haben meist nicht das gelernt, was sie dann in der Praxis wirklich brauchen. Sie müssen also vom Betrieb beim Hersteller geschult werden, um das System, auf dem sie arbeiten sollen, kennenzulernen. Dieses Wissen intern zu vermitteln, wäre für uns zu aufwendig und würde zu viel Arbeitskraft binden. Darüber hinaus spielen Kostengründe eine Rolle, aber auch die Tatsache, daß unsere Zielgruppe nicht groß genug wäre.

Andererseits kann meiner Meinung nach auch ein Großunternehmen, das über die nötigen Mittel verfügt, nicht auf externe Maßnahmen verzichten. Zumindest müssen innerbetriebliche Ausbilder geschult werden, um kompetent zu bleiben. Das ist nur auf externem Wege möglich. Dabei halte ich eine Herstellerschulung im Normalfall für besser als Ausbildungsmaßnahmen bei einem freien Berater.

Der DV-Anbieter will auf diesem Wege schließlich auch Hard- und Software verkaufen, er muß also immer das Neueste bringen und sich mit seinen Schulungsmaßnahmen und seinem Wissen immer wieder an den neuesten Stand anpassen. So hat der Benutzer das optimale Angebot, das er sich intern auf keinen Fall leisten könnte. Innerbetriebliche Ausbildung mag zwar objektiver sein als Herstellerschulung, in der täglichen Arbeitspraxis ist es jedoch nicht so entscheidend, den Marktüberblick zu haben, wie das Gerät zu kennen, an dem man arbeitet, und es optimal auszulasten.

In Personalfragen haben Großunternehmen, die interne Ausbildungsmaßnahmen bieten können, auf alle Fälle einen Vorteil gegenüber Betrieben unserer Größenordnung.

Ich glaube jedoch nicht, daß sich Schulungs-und Karrieremöglichkeiten auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken. Wer zu einem mittelständischen Unternehmen geht, weiß, daß Fortbildungsmaßnahmen erst an etwa fünfter oder sechster Stelle rangieren und stellt sich darauf ein. Sonst bleibt nur die Entscheidung für ein Großunternehmen.

Ich bin der Überzeugung, daß Aus- und Weiterbildungsfragen auch weiterhin zentrale Bedeutung beizumessen sein wird. 1985 wird es bereits wieder weniger Nachwuchs für qualifizierte DV-Berufe geben, da die Zahlen bei den Hochschulabsolventen wohl ihren Höhepunkt überschritten haben dürften. Die Ausbildung muß also forciert werden, damit es nicht zu einem Einbruch kommt.