Allgemeines DV-Wissen günstiger anderswo zu erwerben:

Ausbildung beim Hersteller: Ei des Kolumbus?

05.02.1982

Computer sind, alles in allem, komplizierte Geräte. Auch wenn der Trend zu immer mehr Benutzerfreundlichkeit zunimmt, wird es ganz ohne Schulung wohl doch nicht immer möglich sein, mit ihnen zurechtzukommen. Wer könnte also besser berufen sein, als der Hersteller, wenn es um die Handhabung der eigenen Computer und Peripheriegeräte geht; sollte man meinen. Aus der Sicht des Kunden bleibt allerdings ein Wermutstropfen im Trainingskelch zurück.

Der Anwender wird dem Hersteller seine Kenntnis der eigenen Produkte zwar nicht bestreiten und wohl auch noch einräumen, daß ihm fast eine Monopolstellung zukommt, wenn erstmals neue Produkte auf dem Markt angeboten werden. Aber werden diese Vorteile nicht mit einem Mangel an Objektivität erkauft? Muß der Kunde nicht befürchten, auf die Produkte des Herstellers festgenagelt zu werden? Und ist Schulung nicht schließlich eine einträgliche Einnahmequelle für den Anbieter?

Hier einige Fakten zur Herstellerausbildung: Das Angebot umfaßt eine Vielzahl von Kursen und Lehrgängen, die allerdings ohne Beratung und die Ausarbeitung eines Ausbildungsplanes keinen Garant für den Lernerfolg darstellen. Selbst wenn die vorhandenen Möglichkeiten des verfügbaren Lehrmaterials, computerunterstützter Unterrichtsmethoden, gut ausgearbeiteter Unterlagen oder Kassetten zum Selbststudium oder audiovisuelle Hilfsmittel in Betracht gezogen werden, ohne die heute kein gutes Trainingszentrum auskommen wird, bleibt einer solchen Schulung doch immer der Mangel an beruflicher Orientierung. Sie kann eine mehrjährige Ausbildung bestenfalls ergänzen und vertiefen, nicht aber ersetzen.

Der Lehrkörper wird in der Regel gut ausgebildet und fachlich qualifiziert sein. Die Hersteller achten darauf , daß ihre Instruktoren mit den neuesten Produkten und Technologien vertraut sind und das Wissen des Gesamtunternehmens steht in aller Regel auf Abruf bereit. Schwierigkeiten werden sich wohl am ehesten ergeben, wenn es gilt, das pädagogische Niveau der fachlichen Qualifikation der Trainer anzupassen.

Die Ausbildungsstätten sind die Visitenkarte des Herstellers und werden entsprechend ausgerüstet sein. Mit erheblichen Investitionen in Ausrüstung und Gestaltung sind die Hersteller darauf bedacht, ihren Kunden ein Lernumfeld zu schaffen, das von ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen, über neuestes Gerät in Schulungsraum, und Rechenzentrum alles bietet, was modernen Anforderungen genügt.

Im Preis für Training beim Hersteller schlägt sich denn auch anteilig nieder, was in Räume und EDV-Ausrüstung, Fortbildung und Bereithaltung des Lehrkörpers und technisch aufwendige Lehrmittel eingeflossen ist. Ausbildung beim Hersteller ist teuer.

Warum treibt der Hersteller diesen Aufwand?

So trivial es auf den ersten Blick auch klingen mag, der Hersteller ist an Ausbildung interessiert, weil die Kunden mit seinen Rechnern arbeiten müssen. Je komplexer die Technologie wird, desto mehr muß auch die Benutzbarkeit sichergestellt werden. Und im Hinblick auf zukünftige Produkte kann dem Hersteller nur daran gelegen sein, den Kunden beim Anpassungsprozeß an das Werkzeug Computer zu unterstützen. Das Preis-/Leistungsverhältnis kann sich zugunsten des Kunden ändern, wenn er sich die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten seiner Maschine möglichst anwendungsbezogen beim Hersteller zu eigen macht.

Die Sachzwänge bei der Ausbildung wirken sich aber auch beim Hersteller aus. Er steht vor der Situation, daß die Hardware immer billiger, Dienstleistungen dagegen immer teurer werden, und er muß damit rechnen, daß die Marktakzeptanz seinem Trainingsangebot Grenzen setzt, weil der Kunde nicht bereit oder imstande ist, jeden Preis dafür zu zahlen. Folglich werden die Kurse immer kompakter, das Wissen immer gedrängter und das Angebot immer fachspezifischer ausfallen. Eine breite, berufsorientierte Ausbildung ist unter solchen Bedingungen nicht mehr möglich. Sie ist schlicht nicht mehr zu bezahlen. Wen wundert es da noch, daß der Hersteller sich marktkonform verhält und sein Angebot am Nachfrageüberhang ausrichtet.

Welche Vorteile bietet die Ausbildung beim Hersteller?

Wer die technologische Entwicklung auf dem neuesten Stand kennenlernen will, ist zweifellos beim Hersteller besser aufgehoben als bei unabhängigen Instituten oder Hochschulen. Der Kunde profitiert neben dem Hardwareangebot davon, daß der Hersteller seine eigenen Mitarbeiter ständig fortbildet, und die Erfahrungen, die das Lehrpersonal während seiner Tätigkeit und im Umgang mit stets neuen Anwendungen sammelt, kommen ihm ebenfalls zugute.

Die Lehrtechnologie wird ständig verbessert und durch neue Lehrmittel und Methoden ergänzt. Schon in den 60er Jahren haben die Schulungszentren des Industriezweiges mit den kognitiven Lehrmethoden gebrochen und sich dem computerunterstützten Unterricht mit seinen benutzerfreundlichen Hilfen und Rückkopplungsmechanismen zugewandt. Heute werden Kurse individuell gestaltet, auf den einzelnen oder die Gruppe zugeschnitten, beim Hersteller oder vor Ort beim Kunden angeboten und so weit wie möglich an der Praxis des Anwenders ausgerichtet. Lehrmaterial und Expertise des Lehrkörpers kommen hinzu.

Vom Preis-/Leistungsverhältnis her günstig ist die Ausbildung beim Hersteller, wenn man bedenkt, daß der Anwender sich hochqualifiziertes Know-how in Kompakt-Kursen nur beim Hersteller, allgemeines DV-Wissen dagegen günstiger auch anderswo erwerben kann. Außerdem bietet ihm der Hersteller gegebenenfalls auch hervorragendes Material für das Selbststudium.

Was spricht gegen eine Ausbildung beim Hersteller?

Die Objektivität der Ausbildung wird sicherlich durch herstellerspezifische Merkmale, beispielsweise der besonderen Ausformung einer Programmiersprache beeinträchtigt. Auch in Kauf zu nehmen ist, daß der Hersteller seine eigenen Produkte einsetzt.

Berufsbezogene Schwerpunkte kann eine Ausbildung beim Hersteller nicht setzen und ebensowenig einen Ersatz für ein mehrjähriges Studium, etwa der Informatik, an einer Hoch- oder Fachhochschule bieten.

Der Zwang, Kurse immer kompakter zu gestalten, stellt hohe Anforderungen an die Lernfähigkeit und kann die Lernwilligkeit beeinträchtigen.

Die Kosten, einschließlich der meist erforderlichen Unterbringung im Hotel mit entsprechenden Reise und Verpflegungskosten am Schulungsort sind für Privatpersonen kaum erschwinglich.

Wohin geht der Trend?

Ein Blick in die Statistik zeigt: Computersysteme und Terminals kommen mehr und mehr zum Einsatz. Zwangsläufig steigt auch die Zahl derer, die sie benutzen. Zugleich mit neuen Einsatzgebieten etwa in Büro und Verwaltung oder im Ingenieurbereich ändern sich aber auch die Anforderungen derjenigen, die mit diesen Werkzeugen arbeiten. Ihnen wird es weniger darauf ankommen, die Feinheiten eines Betriebssystems zu beherrschen, als mit dem Bildschirm umgehen zu können und ihr Problem zu lösen. Entsprechend wird sich die Ausbildung darauf einrichten müssen, Bedienungshinweise für die benutzerfreundlichen, neuen Geräte zu vermitteln.

Neue Lehrmittelträger unterstützen diesen Prozeß. Schon heute gibt es die öffentlichen Paketvermittlungsnetze, die es erlauben werden, Kurse über Telefon anzufordern und über Datex-P am eigenen Bildschirm zu empfangen. Videotext gestattet ähnliches über den Fernsehschirm. Und in Zukunft verspricht man sich einiges von der mikrounterstützten Videoplatte, einem Medium, das kostengünstig hergestellt und ähnlich einfach wie eine Schallplatte benutzt werden kann. Die drei genannten Lehrmittel erfüllen alle den Zweck, teures Reisen, Wohnen und Essen während der Ausbildung zu vermeiden. Sie können aber nur erfolgreich eingesetzt werden, wenn die Kurse in hohem Maße von der sogenannten "computer aided instruction" begleitet werden, die dem Benutzer über die ohnehin im System vorhandenen Hilfen, wie Menüs, "Help"-Funktionen und Bedienungsanleitungen am Bildschirm gestatten, auch wirklich mit Spaß an der Sache an sein Lernpensum heranzugehen.

Für die Ausbildungsstätten bedeutet diese Entwicklung konsequentes Umstellen auf das Schreiben von Lernprogrammen, die der Kunde abrufen kann.

*Elard Giffhorn ist Leiter des DEC-Schulungszentrums in München