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Digitale Zukunft

Aus für Briefe und Postboten

24.07.2009
In unserer Alltagskultur bahnt sich eine stille Revolution an: Die klassische Briefbeförderung mit Postboten, Umschlägen, Briefkästen und Papier könnte schon bald belächelte Vergangenheit sein.
Die Zentrale der Deutsche Post DHL
Die Zentrale der Deutsche Post DHL
Foto: Deutsche Post DHL

An ihre Stelle wird - nach hunderten Jahren persönlicher Zustellung - der "Internet-Brief" treten. Dieses Zukunftsszenario wird bei der Deutschen Post ernsthaft geprobt. Der Brief kommt dann nicht mehr in den Kasten an der Haustür, sondern digital in ein eigenes Online-Fach. "Wenn das klappt, erneuern wir uns quasi selbst", sagte Post-Briefvorstand Jürgen Gerdes am Donnerstag in Bonn.

Rund 1000 Mitarbeiter und auch Hacker haben den Brief intern schon getestet. Das Signal steht fast auf Grün: In etwa einem Jahr will die Post ihren Online-Brief mit registrierten Nutzern auf den Markt bringen. Dann soll etwa eine Arztrechnung von einem Patienten mit verschlüsseltem Schutz bequem Online beglichen werden können.

Post-Briefvorstand Jürgen Gerdes
Post-Briefvorstand Jürgen Gerdes
Foto: Deutsche Post DHL

"Wichtig und zentral ist, dass dieser Brief auch sicher ist, mit eindeutiger Identifizierung von Absender und Empfänger", sagte Gerdes, der das Zukunftsprojekt leitet und erste Einblicke gab. "Wir werden den Brief in die elektronische Welt übertragen." Die Post sei bisher beim klassischen Brief der Marktführer und wolle dies nach ihrer Pionierarbeit auch bei der Online-Version werden.

Mit Geschäftskunden sei über das neue Angebot ebenfalls schon gesprochen worden, sagte Gerdes. Die Resonanz sei positiv. "Es gibt einen Markt und Bedarf und auch eine Preisbereitschaft." Erste Tests mit Kunden werde es voraussichtlich bereits Ende des Jahres geben. Die allgemeine Einführung soll dann ab Ende 2010 erfolgen. Zu Preisen wollte Gerdes sich nicht äußern. "Es wird ein Produkt sein, das Geld kostet und mit dem wir auch Geld verdienen können." Der Gegenwert für den Preis werde - im Unterschied zu anderen Online-Mailangeboten - die Sicherheit sein, betonte Gerdes. "Wir wollen unsere Zuverlässigkeit auch ins Internet transferieren."

Einen wesentlichen Startvorteil zu möglichen Konkurrenten hat die Post: Da sie über ein flächendeckendes Zustellnetz verfügt, kann auch ein "hybrides" Angebot genutzt werden. Dabei kann ein registrierter Nutzer seinen Brief übers Internet oder Handy verschicken, der dann von der Post ausgedruckt und sicher an den nicht-registrierten Nutzer auf herkömmlichem Weg zugestellt wird.

Zusteller - eine aussterbende Spezies?
Zusteller - eine aussterbende Spezies?
Foto: Deutsche Post DHL

Die Innovation entsteht auch unter dem Druck, dass der herkömmliche Briefversand - der traditionelle Hauptgewinnbringer des Bonner Logistik-Konzerns - immer weiter schrumpft. Hauptgrund: Die Zunahme elektronischer Kommunikation durch E-Mails oder durch Handys (SMS). Dies drückt auch den Gewinn der Sparte, zumal die Lohnkosten hoch sind, zwei Drittel der Kosten sind Personalkosten. "Unabhängig von der Wirtschaftskrise hat der Brief ein strukturelles Problem", erläuterte Gerdes.

Deshalb fährt der Post-Vorstand zweigleisig: Neben der Zukunftslösung Online-Brief soll beim klassischen Briefversand jetzt an allen Ecken gespart werden, auch beim Personal. Einschnitte sind bereits erfolgt. Das Nachtflugnetz wurde eingestellt, statt Flugzeugen befördern Fahrzeuge die Post jetzt kostengünstiger in der Nacht über Straßen quer durch das Land. Der Betrieb in nicht mehr ausgelasteten Verteilzentren wurde vorübergehend eingeschränkt. Außerdem werden weniger Briefträger montags losgeschickt. Das alles ist nur der Anfang. Auf dem Prüfstand steht ein ganzes Paket mit Optionen - auch Auslagerungen (Outsourcing) sind kein Tabu.

Post-Chef Frank Appel forderte von den Beschäftigten bei Lohn und Arbeitszeit deutliche Zugeständnisse. Sonst drohe in einigen Jahren statt des sicheren Arbeitsplatzes ein böses Erwachen: "Wenn wir Arbeitsplätze langfristig sichern wollen, dann darf es keine heiligen Kühe geben." Appel will am liebsten auch eine schon für Dezember vereinbarte Lohnerhöhung von drei Prozent für die rund 130.000 Tarifbeschäftigten wieder kippen. Mit der Gewerkschaft ver.di soll jetzt über Optionen zur Kostendämpfung verhandelt werden. (dpa/tc)