Smart City Expo World Congress

Aus Einzellösungen werden Smart-City-Plattformen

24.11.2017
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Auf dem Smart City Expo World Congress 2017 (SCEW) in Barcelona wurden die neuesten Entwicklungen auf dem Weg zu intelligenten Städten präsentiert. Wie die Platzhirsche Cisco und Huawei demonstrierten, geht der Trend dabei zu übergreifenden vernetzten Gesamtlösungen, die über ein zentrales Kontrollzentrum gesteuert werden.

Genau genommen ist der Begriff Smart City eine Euphemie. "Städte wurden schon seit Jahrhunderten so intelligent wie möglich geplant", bringt es Chen Dongping, Leiter des Big Data Research Institute of Smart City in Shenzhen, am Rande des Smart City Expo World Congress (SCEWC) in Barcelona auf den Punkt. Was sich verändert habe, sei letztendlich das verfügbare Wissen. Neue Technologien wie Internet, Mobile, Big Data und AI hätten somit eine solide Grundlage für die Entwicklung von Smart Cities gebildet, so Dongping.

Smart City: Der Trend geht von vielen Einzellösungen zu einem vernetzten Kontrollzentrum.
Smart City: Der Trend geht von vielen Einzellösungen zu einem vernetzten Kontrollzentrum.
Foto: chombosan - shutterstock.com

Per Datenanalyse zu Smart-City-Lösungen

Diese neuen smarten Technologien werden aber auch dringend benötigt, wenn man bedenkt, dass mittlerweile bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten lebt und dieser Anteil bis 2050 auf fast 70 Prozent - also über sechs Milliarden Menschen - ansteigen soll. Man kann davon ausgehen, dass das prognostizierte Wachstum Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des Lebens haben wird, verändert es doch die Art und Weise, wie wir künftig arbeiten, mobil sind, kommunizieren und mit der Welt um uns herum interagieren.

Inwieweit man durch die Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen Erkenntnisse für die Stadtplanung und -verwaltung gewinnen kann, demonstrierte Dongping an den Beispielen Peking, Shanghai und Shenzen, drei chinesischen Metropolen, die mit rund 21, 24, respektive 12 Millionen Einwohnern schon jetzt aus allen Nähten platzen. So lässt sich anhand von Daten des chinesischen Internet-Riesen Baidu klar verdeutlichen, dass Shanghai dabei die schlechtesten Karten aufweist. Wie eine auf die Verteilung von Smartphone-Nutzern basierende Heatmap aufzeigt, besitzt die Stadt nämlich nur ein einziges Zentrum und die Bevölkerungsdichte lässt entlang der Metro-Linien erst allmählich nach. Hinzu kommt, dass sich im näheren Umkreis dieses Zentrums, People Square Station, nur wenige Wohngebiete, dafür aber sehr viele Restaurants, Büros, Einkaufs- und Vergnügungszentren befinden.

Shenzhen eignet sich laut Baidu-Daten im Vergleich dazu besser dafür, durch Überbevölkerung entstandene Verkehrsprobleme zu lösen, da es nicht eines, sondern gleich mehrere Zentren aufweist. Hubei als das bekannteste davon liegt zudem in einer weniger erschlossenen Siedlung, in deren direkter Nähe sich Wohnanlagen, Arbeitsstätten und alle Dingen des täglichen Bedarfs befinden. Das Zentrum liege daher mit im Hauptfokus von Shenzhens aktueller Initiative zur Stadterneuerung, verriet Dongping.

In Peking wiederum setzt man auf Emotionsanalyse, um Bereiche mit akutem Handlungsbedarf zu identifizieren. Dazu werden die Videos von öffentlichen Überwachungskameras mithilfe von künstlicher Intelligenz ausgewertet und die Ergebnisse in einer sogenannten City Mood Map mit zusätzlichen ortsbezogenen Daten wie Weibo-Posts oder Reiseaufzeichnungen kombiniert. Auf diese Weise können die Stadtplaner schnell erkennen, welche Orte beliebt oder unbeliebt sind, und entsprechend reagieren. Auch die Wirksamkeit von ersten Gegenmaßnahmen lasse sich mit dem Social Awareness System kontrollieren, so der Big-Data-Spezialist.

Bienen als Datensammler in der Smart City

Dass es an potenziellen Datenquellen für die Analyse und Steuerung der Smart City nicht mangelt, stellten auf dem SCEWC zahlreiche Hersteller unter Beweis. Einen besonders interessanten Weg zeigte das belgische Startup Beeodiversity mit der Möglichkeit, der Verschmutzung durch Schwermetalle und Pestiziden mit Hilfe von durch Bienen gesammelten Pollen und Nektar auf den Grund zu gehen. Die Kosten sind dabei laut Anbieter signifikant niedriger als bei anderen Analysemethoden. Als weiterer Vorteil werde durch einen direkt mit einem Gebiet assoziierten Bienenstock - dieser deckt einen Bereich von zirka 700 Hektar ab - das Bewusstsein bei betroffenen Interessengruppen (Anwohnern, Kommunen, Unternehmen) geweckt.

Seine Kreativität in Sachen Daten für die Smart City stellte unter anderem auch Mastercard anhand von verschiedenen Szenarien unter Beweis. So warb der Kreditkartenanbieter dafür, dass sich anhand der Bezahldaten Erkenntnisse über Geschlecht, Alter, Herkunft oder Vorlieben von Stadtbesuchern gewinnen ließen und die Stadt auf dieser Basis das Touristikangebot anpassen könne. Auch eine aktive und wirksame Steuerung der Verkehrsströme ist aus Sicht von Mastercard möglich, indem Fahrgästen automatisch ein Preisnachlass gewährt wird, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel vor oder nach den üblichen Stoßzeiten nutzen.

Ein auf der Messe weit verbreitetes Ausstellungsstück war die smarte vernetzte Straßenlaterne - kein Wunder, soll doch der jährliche Absatz dieser Devices nach Schätzungen von Navigant von 6,1 Millionen in 2017 auf 14 Millionen Stück bis 2026 ansteigen. Der Grund für die wachsende Nachfrage werde klar, wenn man die Lampe im größeren Kontext betrachte, erklärt Oleg Logvinov vom IoT-Lösungsanbieter IoTecha: So spart die Stadtverwaltung durch den Einsatz von LED nicht nur Betriebskosten, dank der integrierten Überwachungskameras gehe gleichzeitig die Kriminalität zurück, was den Wert der Immobilien und damit auch die zu entrichtende Grundsteuer steigere. Außerdem machten die Verbesserung der Umgebung und die Bereitstellung von WLAN die Gegend auch für den Einzelhandel attraktiver und schafften neue Jobs, gleichzeitig erhalte die Stadt über die smarten Straßenlaternen zusätzliche Werbeeinnahmen und und und...

Die Smart City als lebender Organismus

Wie Logvinov jedoch klarstellte, geht es beim Thema Smart City inzwischen weniger um Detaillösungen und zunehmend um das große Ganze, auch Smart City 3.0 genannt. So zeigte Huawei auf dem Smart City Expo World Congress erstmals sein Intelligent Operation Center (IOC), eine Lösung, die als das "Gehirn" der Smart City operieren und digitale Welten mit physischen verbinden soll. Die dem IOC zugrundeliegende Infrastruktur umfasst dabei verteilte Cloud-Rechenzentren und die überall verbreiteten Netzwerke der Stadt, die als eine Art peripheres Nervensystem Informationen rund um die Smart City sammeln, integrieren und miteinander austauschen und somit einen Blick in Echtzeit auf die Stadt erlauben.

Eine integrierte Kommunikationsplattform (Integrated Communication Platform, ICP) ermöglicht zudem eine intelligente Zusammenarbeit über städtische Funktionen und den Notfalleinsatz aller Services ermöglicht. Durch den Einsatz von Big Data, maschinellem Lernen und AI-Technologien bietet das IOC wertvolle Erkenntnisse für die Stadtplanung und das Management unverzichtbarer Dienstleistungen wie Transport und Sicherheit.

Huawei ist natürlich nicht der einzige Player, der die Notwendigkeit eines zentralen Kontrollsystems für die Smart City erkannt hat. So hatte Erzrivale Cisco bereits auf der Vorjahresveranstaltung die Smart+Connected Digital Platform vorgestellt und mit Städten wie Bangalore, Bukarest, Dubrovnik, Jaipur, Kansas City, Kopenhagen oder Paris erste Anwenderstädte dafür vorgestellt. In diesem Jahr wurde die Plattform in Cisco Kinetic for Cities umbenannt und um Funktionen für das Abfall-Management und die öffentliche Sicherheit erweitert.

Außerdem enthält die auf der Jasper IoT Plattform basierende Lösung nun zahlreiche neue Funktionen wie die vollständige Automatisierung von Richtlinien, eine verbesserte Oberfläche mit integrierter Video-Ansicht oder eine Meldung von Notfällen in Echtzeit. Auch zusätzliche IoT-Datenquellen können nun angezapft werden. Derzeit existieren laut Cisco bereits Adapter für Sensoren von 64 Herstellern, Integrationen für weitere 45 Hersteller sind in Vorbereitung. Für die schnellere Reaktion auf Notfallsituationen wurde Cisco Spark Collaboration integriert.