DV und Umwelt/Recycling bei der SNI in Paderborn

Aus der Not eine Tugend gemacht: Eigene Kriterien entwickelt

15.08.1997

Immer schnellere IT-Innovationszyklen führen zu immer kürzeren Nutzungszeiten. Deponien und Müllverbrennungsanlagen sollen nicht länger Endstation für ausgediente Geräte sein. Das im Oktober 1996 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz macht die Verantwortung von Herstellern und Nutzern der IT-Produkte deutlich. Noch fehlt eine Verpflichtung der Hersteller, "ihre" Produkte zur Verwertung zurückzunehmen. Dies soll in der Elektronik-Schrott-Verordnung geregelt werden (siehe Seite 31: "IT-Branche soll der Vorreiter sein").

Experten beziffern die Menge des künftig in Deutschland zu entsorgenden Elektro- und Elektronikschrotts auf etwa 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Den Löwenanteil davon bildet indes die braune und weiße Ware der Unterhaltungselektronik oder der Küchengeräteindustrie. Computer und IT-Equipment im weitesten Sinne machen mit zehn bis 15 Prozent quantitativ wie qualitativ nur einen geringen Anteil am gesamten Elektro- und Elektronikschrottvolumen aus.

Die herstellenden Unternehmen verfolgen unterschiedliche Recyclingkonzepte. Als Beispiel sei hier das Verfahren von Siemens-Nixdorf vorgestellt. Seit 1991 bietet das Unternehmen an, alle Altgeräte aus dem eigenen Computersortiment zur Verwertung zurückzunehmen und zwar vom Personal Computer über Systeme der mittleren Datentechnik bis zu Großan- lagen oder Geldausgabeautomaten und anderen Spezialsystemen. Im Geschäftsjahr 1995/96 wurden rund 5000 Tonnen Altgeräte im zentralen Paderborner Wiedervermarktungs- und Recycling-Center angeliefert und verwertet.

Geht man von der ermittelten durchschnittlichen Nutzungsdauer von 4,5 Jahren aus, so bedeuten die 5000 Tonnen Altgeräterücklauf pro Jahr, daß nur 28 Prozent der zu diesem Zeitpunkt in Deutschland installierten SNI-Geräte zur Verwertung zurückkamen. Über den Verbleib von fast drei Viertel der ausgedienten Geräte liegen keine Informationen vor. Sie könnten bei anderen Recyclingunternehmen beziehungsweise bei Secondhand-Händlern gelandet sein, ungenutzt irgendwo herumstehen oder den Weg in die Mülltonnen gefunden haben.

Ehrgeiziges Ziel des Recyclingkonzepts ist, den Verwendungs- und Verwertungsgrad bis zum Jahr 2000 auf 90 Prozent zu steigern. Sehr früh versuchte man diesem Anspruch mit recyclinggerecht konstruierten Geräten gerecht zu werden. Konsequentes Recycling fängt nämlich bereits bei der Entwicklung von neuen Geräten an.

So lassen sich Aufwand und Kosten schon frühzeitig reduzieren. Besonders deutlich wird dies, wenn bei der Kalkulation eines Produkts im Sinne der Produktverantwortung nicht nur Entwicklungs-, Produktions-, Vertriebs- und Verwaltungskosten, sondern auch Rücknahme- und Recyclingkosten berücksichtigt werden.

Um das Know-how, das man beim Zerlegen und Verwerten der Altgeräte gewinnt, bei Neuentwicklungen zu nutzen, hat SNI eine "Hausnorm" für umweltgerechte Produktgestaltung erstellt, die in den Entwicklungsbereichen Anwendung findet. Diese Richtlinien gelten auch als Basis für den Einkauf, da externe Lieferanten neben den üblichen Qualitäts- und Preisansprüchen auch ökologische Anforderungen zu erfüllen haben.

Die Umsetzung des Konzepts

In drei Stufen werden in Paderborn alle zurückgenommenen Geräte auf ihre Verwertungsmöglichkeiten überprüft:

-In der ersten Phase geht es um die Wiederverwendung von Geräten. Nach Prüfung der Funktionalität entscheiden die Paderborner, ob sich ein zurückgegebenes Gerät nach einer Auf- oder Umrüstung wieder vermarkten läßt. Sieht die Niederlassung keine Möglichkeit zum direkten Wiedereinsatz, wird das Gebrauchtgerät an das produktverantwortliche Werk geschickt. Dort werden Verschleißteile ausgetauscht; das Produkt wird auf den neuesten Stand gebracht, getestet und vermarktet. Potentielle Kunden sind zum Beispiel Anwender, die vergleichbare Maschinen einsetzen und ihre DV-Anlage teilweise erst viele Jahre nach der Vertriebseinstellung um bekannte Systemelemente erweitern möchten, ohne daß Investitionen in neue Software oder zusätzliche Mitarbeiterausbildung anfallen. Aber auch für Kunden, die nicht die neueste Technologie mit den heute möglichen Verarbeitungsgeschwindigkeiten benötigen, sondern auf herkömmliche Technik zu einem günstigen Preis setzen, sind werksüberholte Produkte eine interessante Alternative. Und natürlich finden die "Gebrauchten" auch innerhalb von SNI erneut Verwendung. Zusätzlich werden sie in einem PC-Shop zum Kauf angeboten.

-Die zweite Stufe betrifft die Weiterverwendung von Komponenten. Ist für ein komplettes Altgerät keine zweite Nutzung möglich, bauen die Techniker einzelne Komponenten, zum Beispiel Netzteile oder Flachbaugruppen, aus. Für den technischen Service ergibt sich hier ein Ersatzteilpool zur Instandhaltung alter Systeme. Auch hier ist das Ziel, alle Komponenten auf den aktuellen Stand zu bringen und entsprechend den Anforderungen der Neuproduktion zu testen. Aufgearbeitete Baugruppen und Systemkomponenten, insbesondere Standardkomponenten und Bauteile, werden weltweit aufgekauft und zur Herstellung von Geräten aller Art wiederverwendet. In der eigenen Produktion neuer Hardware setzt SNI allerdings grundsätzlich keine gebrauchten Komponenten oder Bauelemente ein.

-In einer dritten und letzten Recyclingstufe steht die Erfassung von Sekundärrohstoffen im Mittelpunkt. Erst nachdem alle oben aufgeführten Möglichkeiten einer Wieder- und Weiterverwendung ausgeschöpft sind, zerlegt man die restlichen Altgeräte manuell. Ziel dabei ist die stoffliche Verwertung der Wertstoffe. Je sortenreiner Stoff-Fraktionen gebildet werden, desto eher lassen sie sich werkstofflich verwerten, desto höher sind jedoch auch die Kosten der Zerlegung. Zur Feststellung der optimalen Zerlegetiefe hat das SNI-Recycling-Center einen Analyseplatz eingerichtet. Jedes erstmals zur Zerlegung eintreffende Gerät wird daraufhin untersucht, mit welchem Aufwand sich welche Fraktionen gewinnen lassen. Über die Zerlegetiefe entscheiden ökologische und ökonomische Kriterien. Grundsätzlich gilt jedoch, alle separierbaren Schadstoffe aus den Geräten zu entfernen. Aus der Zerlegung resultieren zirka 60 verschiedene Fraktionen. Die Abbildung auf auf Seite 41 zeigt die prozentuale Verteilung der zurückgekommenen Altgeräte im Geschäftsjahr 1995/96.

Neben dem Wiederverwendungsanteil teilt man die Hauptgruppen auf: in werkstofflich recycelbare Stoffe und nicht stofflich verwertbare, in zu deponierende oder thermisch zu behandelnde Stoffe. Für die werkstofflich verwertbaren Stoffe sind am Markt spezifische Recycling- oder Behandlungsverfahren verfügbar (siehe Seite 41: "Aus der Praxis des Recyclings").

Angeklickt

Die Demontage-, Vermarktungs- und Entsorgungspraxis von Siemens-Nixdorf führte zu einer Unterteilung der zehn Hauptkomponenten- und -stoffgruppen in insgesamt mehr als 60 verschiedene Einzelfraktionen. Alle Verwertungsbetriebe dieser Wert- und Reststoffe unterliegen einem regelmäßigen Auditing. Etwa 86 Prozent der Materialien eines vor viereinhalb Jahren hergestellten Computers verbleiben gegenwärtig als funktionales Produkt oder - nach Demontage und Sortierung - als Sekundärrohstoff im Wirtschaftskreislauf. Wachsende Erfahrungen in der Demontagetiefe und neue Technologien werden in Zukunft zu einem weiteren Anstieg der Recyclingquote führen. SNI hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2000 mindestens 90 Prozent des Gewichts eines Computers wiederzuverwenden oder werkstofflich zu verwerten. Auf die Entsorgung oder thermische Behandlung nicht verwertbaren Computerschrotts entfielen dann nur noch zehn Prozent.

*Peter Burgdorf ist Leiter Wiedervermarktung und Recycling bei der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG in Paderborn.