Interview mit Jan Willem Dees, CEO von Dimension Data

Aus den NTT-Puzzleteilen wird jetzt ein Bild

05.03.2018
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Dimension Data hat sich als Tochter der NTT-Gruppe vorgenommen, Kunden beim Aufbau eines "Digital Enterprise" zu unterstützen. Deutschland-Chef Jan Willem Dees erklärt, wie sich der Konzern aufstellt und worauf es künftig ankommen wird.

NTT nimmt verstärkt Kurs auf den deutschen und europäischen ITK-Markt. In der NTT-Gruppe unterscheiden Sie zwischen "Go-to-market"-Unternehmen und sogenannte Factories. Was steckt dahinter?

Jan Willem Dees, der neue CEO von Dimension Data Deutschland, sieht viel Verbesserungspotenzial für Anwenderunternehmen bei Data-Center- und Netzwerkinfrastruktur sowie im Security-Bereich.
Jan Willem Dees, der neue CEO von Dimension Data Deutschland, sieht viel Verbesserungspotenzial für Anwenderunternehmen bei Data-Center- und Netzwerkinfrastruktur sowie im Security-Bereich.
Foto: Mcklin Fotografie/Dimension Data

Dees: Direkten Kundenkontakt haben bei NTT die Go-to-market-Unternehmen. Dimension Data gehört dazu, ebenso NTT Data und NTT Com, aber natürlich auch itelligence, arkadin und e-shelter. Speziell für das Thema Security ist NTT Security die erste Firma in der Gruppe, die das Factory-Modell umsetzt. Die Factories bieten Services im Hintergrund, auf die alle Go-to-market-Companies - in diesem Fall Dimension Data, NTT Data und NTT Com - zurückgreifen können, um beim Kunden erfolgreich zu sein.

Gibt es noch weitere Factories?

Dees: Das ist alles noch im Aufbau. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass BlueSky eine weitere Factory sein wird.

Was verbirgt sich dahinter?

Dees: Dort bündeln wir unsere Cloud-Services weltweit. Wir werden ein zentrales Cloud-Angebot zur Verfügung stellen, das die Kunden aller NTT-Gesellschaften nutzen und in dem sie auch zentral Software entwickeln können. Wir sind mit dieser Aufstellung aber in einem frühen Stadium, das ist noch relativ neu für die Gruppe.

Co-Creation im Digital Lab

NTT Data hat in München kürzlich ein Digital Lab eröffnet. Baut jetzt jede Go-to-market-Company unter dem NTT-Dach ihr eigenes Lab auf?

Enso – The Space for Creators heißt das Digital Lab von NTT Data in München. Der japanische Begriff steht für "Kreis" und ist zudem ein Symbol aus der japanischen Kalligraphie. Hier sollen zusammen mit Kunden und Partnern innovative Lösungen entwickelt werden.
Enso – The Space for Creators heißt das Digital Lab von NTT Data in München. Der japanische Begriff steht für "Kreis" und ist zudem ein Symbol aus der japanischen Kalligraphie. Hier sollen zusammen mit Kunden und Partnern innovative Lösungen entwickelt werden.
Foto: NTT Data

Dees: In diesem Lab wollen wir neue Lösungen und Services gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern entwickeln - im Mittelpunkt steht eindeutig die enge Zusammenarbeit. Egal, ob es sich um eine Global Threat Intelligence Platform handelt, die Cyber-Security erhöht, oder agile Edge-Plattformen jenseits der Cloud - der Kreativität wird keine Grenze gesetzt. Natürlich können dort auch andere Unternehmen im NTT-Verbund innovative Projekte vorantreiben, wir nutzen dieses Lab gemeinschaftlich in der Gruppe. Das einzige Digital Lab ist es aber natürlich nicht. Ganz wichtig ist für uns das globale Innovation Center NTT i3 in San José. Das ist im Grunde ein verlängerter Arm unseres Forschungs- und Entwicklungsbereichs, der sehr eng mit den Unternehmen im Silicon Valley neue Ideen und Zukunftstechnologien vorantreibt. Das ist eine Art Applied R&D.

Sie haben Ihre Go-to-market-Unternehmen genannt, aber was ist aus Übernahmen wie itelligence, e-shelter und arkadin geworden?

Dees: NTT Com kümmert sich um Communications, Connectivity und Data Center, da passt e-shelter als Betreiber von Rechenzentren gut dazu, ebenso Arkadin als Spezialist für Cloud-Kommunikation. Beide wurden integriert. Für Applications und Business Process Outsourcing (BPO) ist NTT Data zuständig. Dort wurde itelligence als SAP-Spezialist eingeordnet. Dimension Data ist die dritte Säule unter den NTT-Firmen mit direktem Kundenkontakt, verantwortlich für Systemintegration mit Blick auf Digital Infrastructures und Digital Workplace. Wir bauen sozusagen das Digital Enterprise für unsere Kunden.

Auf dem Reißbrett sieht das gut aus, aber alle Gesellschaften im Verbund haben doch eine eigene Historie. Dimension Data hat ja nicht nur Systemintegration betrieben in der Vergangenheit.

Dees: Aber überwiegend! Unsere Mission bei Dimension Data ist das Digital Enterprise, das wir mit und für unsere Kunden aufbauen wollen. Unser Kern liegt im IP-Networking-Bereich, im Laufe der Jahre haben wir uns dann aber immer breiter aufgestellt.

Es geht um End-to-End-Lösungen

Also ist die Überschneidung mit der NTT Com historisch größer als mit NTT Data.

Dees: Ja, wichtiger ist allerdings der Gesamtblick auf die NTT-Gruppe: Wenn man sich den gesamten Stack für End-to-End-Lösungen ansieht, ist die NTT-Gruppe von der Infrastruktur über die Integration bis hin zu Applikationen und Services gut aufgestellt.

Das klingt ja prima, aber am Ende hat der Kunde doch mit verschiedenen Häusern zu tun.

Dees: Es kommt immer darauf an, was der Kunde vorhat. Wenn es ihm schwerpunktmäßig um Connectivity geht, wird er sich an NTT Com als Generalunternehmer wenden. Damit hat er auch Zugriff auf alle anderen Ressourcen im NTT-Verbund. Geht es um Systemintegration, wird Dimension Data gefragt sein. Und wenn Anwendungsentwicklung oder BPO gefragt sind, kommt eben NTT Data zum Zuge. Wir haben für alles Beispiele.

Wie organisieren Sie die übergreifende Zusammenarbeit?

Dees: Es gibt dafür ein Governance-Modell. De facto ist es aber so, dass wir zwar in der NTT-Gruppe eng zusammenarbeiten, doch das ist noch nicht der Kern unseres Geschäfts. Wir haben immer noch viele langjährige Kunden, bei denen wir über den Networking-, den Security- oder den Collaboration-Bereich zum Zuge kommen.

Was passiert mit ihrem Branding? Dimension Data trägt als einziges Unternehmen im Verbund nicht den Namen NTT im Titel.

Dees: Das weiß ich nicht. Ich sehe es aber so, dass NTT eine starke Marke weltweit ist. Sie gehört zu den Top-50. Also könnte ich mir vorstellen, dass wir irgendwann alle unter dem NTT-Brand firmieren. Aber wann, wo und wie - das kann ich nicht sagen.

NTT macht aber seinen Umsatz größtenteils in Japan. Ist die Marke international wirklich so stark?

Dees: Tatsächlich sind wir ein globales Unternehmen, das in 52 Ländern aktiv ist. Außerdem hat die NTT-Gruppe in den vergangenen fünf Jahren Hunderte von Unternehmen in Europa aufgekauft - unterm Radar sozusagen.

Reden wir über Dimension Data. Welche Art von Projekten betreuen Sie heute am häufigsten?

Dees: In unserem Fokus steht zunächst die digitale Infrastruktur; darunter verstehen wir Data Center, Netzwerk-Infrastruktur und Security. Diese Welt verändert sich gerade im Eiltempo von einer traditionellen in eine vollständig programmierbare Umgebung. Es geht darum, sehr schnell anpassen zu können, was der End User oder eine Applikation wirklich an Ressourcen brauchen. In einer programmierbaren Welt kann man da hochflexibel sein.

Mikrosegmentierung ist ein Riesenthema

Wie funktioniert das?

Dees: Unter anderem ist Mikrosegmentierung ein Riesenthema. Dabei werden die Netzwerksegmente so verkleinert, dass jedem User die volle Bandbreite und maximale Sicherheit zur Verfügung stehen. Das zweite ist das Software Defined Datacenter. Dort sehen wir, dass Unternehmen Unterstützung beim Betrieb hybrider Applikationslandschaften brauchen. Die haben weiter ihre klassischen Anwendungen, auch in der Private Cloud, aber zunehmend auch Ressourcen bei den Hyper-Scalern Amazon und Microsoft in der Public Cloud.

Oft nutzen die Unternehmen hybride Services und wissen gar nicht, dass ihre Security nicht ausreicht oder die Infrastruktur noch Raum für Verbesserungen bietet. Wenn ich eine DevOps-Umgebung habe, dann kann ich einen virtuellen Server in, sagen wir, 20 Minuten in Betrieb nehmen. Da kann ich nicht zwei Wochen auf die nötige Bandbreite warten. Das Netzwerk wird also virtualisiert und berücksichtigt dabei den Application-Bedarf. Wir optimieren also auch den WAN-Bereich.

Cloud Computing und Wireless Communication sind die beiden großen Treiber im Infrastrukturbereich. Dazu kommt Analytics: Was passiert in meiner Infrastruktur? Wie kann ich sie optimieren? Bevor man einen Blackout hat, hat man normalerweise einen "Brownout", und wenn man den erkennt, muss es gar nicht erst zum Blackout kommen.

Dimension Data sieht sich also als Infrastruktur-Optimierer?

Dees: Nicht nur, wir haben noch ein zweites großes Thema, den Digital Workplace. Da geht es um Telefonie, das Enduser Computing und Collaboration. Die Produkte, die hier eine Rolle spielen, sind zum Beispiel Lösungen von Alcatel, Microsofts Skype for Business oder Cisco Spark. Es geht um die Frage, wie man besser und effektiver miteinander kommunizieren kann, auch mit dem Kunden. Die Contact Center sind derzeit massiv im Wandel, und wir begleiten das. Die Power von Social Media ist unglaublich: Unternehmen müssen heute gut darauf vorbereitet sein, dass sie über alle Kanäle kontaktiert werden. Hinzu kommen Künstliche Intelligenz und Chatbots.

Zentrale Cloud-Factory BlueSky vor dem Start

Können Sie als Integrator eigentlich unabhängig sein? Oder müssen Sie nicht beispielsweise dazu beitragen, dass Ihr Cloud-Geschäft unter der BlueSky-Marke ins Rollen kommt?

Dees: In der Public Cloud sind Amazon und Microsoft weit enteilt, die können und wollen wir als NTT und als Dimension Data nicht herausfordern. Wenn es aber um Private Cloud oder Managed Private Cloud geht, dann macht das Sinn! Nicht alle Unternehmen wollen sämtliche Workloads in die Public Cloud übergeben. Wir helfen ihnen dabei, ihre Workloads vernünftig zu managen und dabei auch die führenden Public-Cloud-Plattformen zu berücksichtigen.

SAP ist aus meiner Sicht so ein Private Cloud Workload. Wo es Sinn macht, sourct man in der Public Cloud, wo es keinen Sinn macht, in der Private Cloud. Dabei kann Dimension Data unterstützen.

Systemintegratoren können nicht endlos viele Produkte unterstützen, sie müssen sich entscheiden. Andererseits ist der Markt schnelllebig, Sie müssen den Trends folgen. Ist das ein Konflikt?

Dees: Wenn Sie die Trends ignorieren, sind Sie schnell weg vom Fenster - so einfach ist das. Wir haben schon vor vier Jahren gesehen, dass Amazon einen Riesenvorsprung hat vor den anderen. Wenn ich das nicht akzeptiere, kann ich meine Kunden nicht mehr gut bedienen. Die Marktsituation ist wie sie ist, und wir sind nicht so blauäugig, dort ein konkurrierendes Angebot aufzubauen. Ich biete meinen Kunden eine sichere, leistungsfähige, hybride Infrastruktur und manage sie auch, wenn er das wünscht.

Wie wichtig ist Beratung für Ihr Geschäft?

Dees: Unser Angebot ist dreigeteilt: Erstens der ganze Block Beratung sowie Projekt- und Programm-Management in den Bereichen Infrastruktur und Workplace. Da investieren wir immer mehr. Die Consultants sind sehr wichtig - auf der technischen Seite, aber auch das Branchenwissen wird immer bedeutender, um uns zu differenzieren.

Der zweite Block sind Technical und Support Services einschließlich Maintenance und Implementierung. Und drittens, mit wachsender Bedeutung, Managed Services. Wir managen im Kundenauftrag das WAN, das Data Center, die Collaboration-Lösung etc. und werden dabei über Service Level Agreements gesteuert. Wir übernehmen auch die Transformation. Gerade im Collaboration-Bereich geht es da ja um viel, wenn Sie zum Beispiel Cisco Spark, Jabber etc. einführen - das führt zu einem ganz anderen Arbeiten.

Besetzen Sie die Schnittstelle zum Kunden, wenn er zum Beispiel Cisco Spark einführt, oder hat er es weiter mit allen Providern zu tun?

Dees: Das handhaben wir flexibel. Wir liefern Hardware oder Software, dazu kann der Kunde Dienstleistungen bekommen, wenn er will, auch Maintenance oder, wenn er noch weitergehen will, einen Managed Service. Manchmal geht das so weit, dass der Kunde pro Port bezahlt und die Assets vollständig von uns kommen.

Wenn Sie beraten und Managed Services anbieten wollen, brauchen Sie viel Personal. Ist das für Dimension Data kein Problem?

Dees: Das ist für ganz Deutschland ein Problem. Es gibt zu wenige IT-Profis. Mit Künstlicher Intelligenz, dem Internet of Things oder den wachsenden Anforderungen im Bereich Cybersecurity wächst der Bedarf weiter rasant. Und es fehlen die Leute! Um das digitale Unternehmen zu schaffen, brauchen wir viel mehr Talente, die in Software trainiert sind.

Für uns ist das aber auch nicht nur schlecht: Die großen Konzerne ziehen die Talente von den Universitäten an. Deshalb werden die Unternehmen schon aufgrund des Personalmangels auf Managed Services zurückgreifen - egal ob Nearshore oder Offshore - um einen Ausgleich zu schaffen.