Aufsteiger aus der EDV sind nicht hoffähig

07.08.1981

Uwe W. Geitner RZ-Leiter in der Gebr. Boehringer GmbH, Göppingen

EDV-Manager sind untauglich für die oberste Führungsebene. Sonst ganz g´scheite Leut´ aber im Prinzip Fachidioten, Bitzähler ... So könnte man die Aussage des Unternehmensberaters Tolz in der CW interpretieren. Wörtlich sagt er: "Ich verneine diese Frage ganz entschieden." Die Frage lautete, ob der Leiter EDV und Org. weniger als andere über Unternehmensplanung, Marketing, Vertriebs- und Absatzpolitik, Finanzierung, Controlling, Produktion, Personalwesen Operations Research und Rechtsfragen "wirklich kompetent mitreden" könne... In "zehn- bis 15jähriger Spezialistentätigkeit ... ist eine solch enorme Spezialisierung erfolgt...", daß er nur noch zum Bitzählen taugt. Diese Aussagen sind absurd, eine Umkehrung der Realität. Um die EDV-Leute aus dem Management herauszuhalten, gibt es bessere Argumente. Ausgerechnet das, sie seien zu sehr spezialisiert, ist an den Haaren herbeigezogen.

Ich möchte ausdrücklich betonen: Ich - selbst EDVler - rechne mich nicht zu denen, die fähig wären, eine Position des Topmanagements zu bekleiden. Viele von meinen Kollegen sind dazu fähig! Und ich kenne sogar einige - wenige -, die es geschafft haben. Die Mehrzahl aber steht vor einer Barriere, die sie nicht zu durchdringen vermag. Warum?

Sehen wir uns mal den "Durchschnittstopmanager" an, woher er kommt und was er ist. Er hat an irgendeiner Universität studiert oder auch nicht. Vielleicht hat er promoviert. Dann ging er mit einer Empfehlung seines Professors in die Praxis, zum Beispiel in den Vertrieb. Er verkaufte nicht schlecht, aber auch nicht übermäßig gut und war so für den Chef keine Konkurrenz. Mit dem verstand er sich sehr gut. So wurde er bald Vertriebsleiter und als dann der Chef altershalber ausschied, Vertriebsdirektor.

Abteilungen wie der Vertrieb genießen in den Vorstandsetagen der westlichen Markt- und Konsumgesellschaft traditionell ein hohes Ansehen. Danach kommen die Finanzchefs, dann eine Weile nichts und dann die anderen. Hinter dem Horizont die EDV! Unser Durchschnittstopmanger bewährte sich als Vorstandsmitglied, denn als Vertriebsmann wußte er die Leute zu nehmen. Und da er von den anderen Bereichen nicht zuviel verstand und sich dort auch nicht zu sehr einmischte, wurde er dort gerne gelitten!

Und der Durchschnitts-EDVler? Er hat auch studiert oder nicht. Die Akademiker haben auch hier ihren Einzug gehalten. Leider nicht die Informatiker. Das ist ein anderes Thema. Die meisten haben Betriebswirtschaft oder ähnliches studiert. Nach diesem Studium lockt die Datenverarbeitung durch das gute Gehalt auf Herstellerseite von Hard- und Software. Hier lernt er viele Firmen und Branchen kennen. Er betreut als Projektleiter die verschiedensten Aufgaben. Wenn die Klitsche nicht zu klein ist, hat er sich branchenspezialisiert. Dann, irgendwann, wenn ihm das Leben beim Hersteller zu unruhig wird, wechselt er zum Anwender.

Dort leitet er die Org. und EDV. Er betreut dort alle Abteilungen. Er bearbeitet Projekte für den Vertrieb, die Finanzbuchhaltung, Konstruktion, Fertigung ... Er kennt alle Bereiche, deren Probleme und Nöte. Er kennt die Firma besser als jeder andere auf seiner hierarchischen Ebene. Und er kann Vergleiche ziehen zu anderen Firmen, denn er hat viele gesehen in seiner Zeit beim Hersteller.

Die Vielzahl der Anwendungen, der Argumente und Interessen nötigt ihn, übergeordnete Denkschemen zu entwickeln, neutrale Beurteilungsmuster und Realisierungshilfen anzuwenden, strategisch zu denken und zu entscheiden. Den individuell begründeten, mit Machtinteressen vermixten Unterstützungsanträgen und Gegenanträgen muß er ein dauerhaftes weitreichendes Gesamtkonzept entgegenhalten. Die Projekte, die er betreut, sind geistige Konzepte, "Maschinen aus Gedanken", mit einem Investitionsvolumen von jeweils mehreren Millionen Mark, die die Existenz der Firma nicht nur auf Jahre, sondern auf Jahrzehnte mitbestimmen

Nun frage ich Sie: Wer ist da der Spezialist? Hören Sie mal ein bißchen zu, über was sich Topmanager und über was sich EDV-Manager unterhalten! Was für wichtige Themen von den - Topmanagern behandelt werden - wenn es nicht gerade um Raum- und Umzugsprobleme geht, bei denen jeder zu gerne mitredet, weil er mitreden kann. 80 Prozent der Thematik von Topmanagern ist das Tagesgeschäft, Routine: Ob Kunde X ein Prozent mehr Rabatt bekommen soll, ob Mitarbeiter Y zur Schulung darf oder nicht.

Wer da dem Topmanagement Hilfe und Unterstützung gegen die aufmüpfigen EDVler bietet, der wird auch von dem Topmanagement honoriert. Ist das der Grund, warum gerade in der letzten Zeit und gerade Unternehmensberater gegen die Hoffähigkeit von EDVlern im Topmanagement Stellung beziehen?

Nur die, welche ihr Mäntelchen nicht wenden werden, wenn die Wende heranweht, waren weidlich wahrheitswollend.

Auf der Palme

"Eine Spitzenposition mit entscheidender Bedeutung" darf der EDV-Aufsteiger erringen, nicht aber ein Plätzchen in der Vorstandsetage. Diese sei ihm per se verwehrt, weil er sich zwangsläufig im Laufe seiner Karriere "so enorm spezialisiert hat, daß alle anderen Problemstellungen des Unternehmens für ihn nur Randthemen sein können". Dieter Tolz vertrat obige Auffassung kürzlich in einem Artikel der COMPUTERWOCHE Nr. 27/II (CW-Extra). Klipp und klar heißt es da weiter in schönstem Abqualifikationsdeutsch: "Ich sehe die praktische Qualifikation und Prädestination für diese Position (eines Geschäftsführers) nach der langjährigen Spezialistentätigkeit als nicht mehr gegeben an." Daß da einer auf die Palme geht und dem EDV-Personalberater Tolz tüchtig "raus gibt", zeigt, wie sehr dieses Thema den EDV-Leuten auf den Nägeln brennt. Darum hier der konterkarierende Leserbrief von Uwe W. Geitner, der RZ-Leiter in der Gebr. Boehringer GmbH in Göppingen ist, an der Stelle des Gastkommentars. bi