Aufhören, wenn's am schönsten ist

Aufhören, wenn's am schönsten ist Grove macht Intels Chefsessel für Barrett frei

03.04.1998

Amtlich wird die Demission als Chief Executive Officer (CEO) von Andrçs Grof, als der Andy Grove am 2.September 1936 in Budapest geboren wurde, erst zum 20.Mai 1998.Dann wird Barrett das Ruder des Quasimonopolisten für Prozessoren übernehmen und seinen Ämtern als President und Chief Operating Officer (COO) das des Vorstandsvorsitzenden hinzufügen.Grove, dem das "Time Magazine" vor einigen Wochen den imageträchtigen Titel "Man of the Year" zuerkannte, war seit 1987 Chief Executive Officer CEO und wird als Chairman weiterhin an Intels Unternehmensstrategien feilen.

Der Wechsel an der Spitze war seit längerem in die Wege geleitet worden. Barrett, der gegenüber Grove in Sachen Mitarbeiterführung als der einfühlsamere gilt, wuchs in die Rolle des Vorstandsvorsitzenden spätestens seit seiner Bestallung im vergangenen Jahr als President hinein.Meriten verdiente sich der 58jährige Manager zum Beispiel als Unterhändler bei der Beilegung der gerichtlichen Scharmützel mit Intel-Konkurrent Advanced Micro Devices (AMD).Er handelte zudem die weitreichenden Kreuzlizenzierungs- und Technologievereinbarungen aus, die Intel mit der Digital Equipment Corp.(DEC) 1997 abschloß, an deren Ende unter anderem auch der geplante Verkauf von DECs Prozessorfertigung in Hudson, Massachusetts, steht.

Aber obwohl die Kalifornier seit Jahren von einem Umsatz- und Gewinnrekord zum nächsten eilen, übernimmt Barrett, der 1974 von der Stanford University zu Intel wechselte, kein leichtes Amt.Der Prozessorhersteller sieht sich nämlich mit Herausforderungen konfrontiert, die den weiteren Aufstieg des 25-Milliarden-Dollar-Unternehmens gefährden könnten.Den PC-Markt hat die Grove-Company zu etwa 85 Prozent ausgeweidet.Die Geschäftsaktivitäten hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren schon erheblich ausgeweitet.Abgesehen von CPUs liefert Intel auch einen großen Anteil der Systemplatinen und Chipsets, die den Prozessoren bei der Arbeit assistieren.Intel bietet ferner Netzwerkkomponenten wie etwa Fast-Ethernet-NICs, engagiert sich mit zuletzt weniger Erfolg im Videokonferenzgeschäft, offeriert System- und Inventar-Management-Software etc.

Mit all diesen Aktivitäten erzielte Intel 1997 einen Rekordgewinn von 6,9 Milliarden im Vergleich zu 5,2 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 1996 - ein Zuwachs von satten 33 Prozent.Im Vergleich zu 1996 steigerte man zudem den Umsatz um 20 Prozent auf 25,1 Milliarden Dollar.

Trotzdem sehen Branchenexperten wie etwa Michael Slater gewisse Gefahren. Slater, Gründer des US-Marktforschung-sinstituts Microdesign Resources und Herausgeber des Newsletters "Microprocessor Report", sieht vor allem zwei Probleme: die IBM und die US-Kartellbehörde.

Klammheimlich etablierte sich nämlich das größte Computerunternehmen der Welt zum Produzenten fast aller wesentlichen Intel-Konkurrenzchips.Neben Cyrix/National Semiconductor lassen auch die Advanced Micro Devices Inc.(AMD) sowie die Integrated Device Technology Inc.(IDT) bei Big Blue fertigen.IBMs Produktionsstätten gelten in der Branche unwidersprochen als erstklassig.Alle drei Unternehmen versuchen, den Markt für preiswerte Produkte, also die sogenannten Sub-1000-Dollar-PCs, abzudecken und machen hier Intel einigen Ärger.Der Chipgigant hat dieses Segment nämlich erst sehr spät als lohnenswerten Claim entdeckt.Statt der bisherigen 15 Prozent, rechnet Slater hoch, könnte die versammelte Intel-Konkurrenz künftig 20 Prozent des Prozessormarktes auf sich vereinen.

Der Experte warnt zudem davor, daß die US-Kartellbehörde Intel einiges Kopfzerbrechen bereiten könnte.Untersuchungen haben die Wettbewerbshüter gegen Intel schon begonnen.Allerdings, sagt auch Slater, gebe es zwar viel Gemunkel, substantielle Anschuldigungen hingegen wenig.

Zu Slaters Standardrepertoire gehört die Frage, was passiert, wenn PC-Hersteller Rechner ohne Intel-Prozessoren bauen wollen: "Daraufhin treffen sich Intel-Manager mit dem betreffenden Unternehmen und deuten an, daß die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen gefährdet sein könnten."Natürlich erblickt ein solcher Intel-Outside-PC dann nicht das Licht der DV-Welt.Slater beeilt sich aber auch immer zu sagen, er kenne keinen konkreten Fall, in dem Verhandlungen exakt so abgelaufen seien.Außerdem bauen Compaq, IBM oder etwa DEC sehr wohl auch ausgewählte PC-Reihen, in denen ein AMD- oder Cyrix-Prozessor zum Einsatz kommt.

Trotz der Quasi-Monopolstellung von Intel hat Noch-CEO Grove immer mit fast manischem Antrieb darauf geachtet, Intel frühzeitig auf neue Geschäftsfelder auszurichten und so aus der Abhängigkeit von Prozessoren zu befreien.Sein Unternehmen tritt als einer der weltweit größten Kapitalgeber für neu aus dem Boden sprießende High-Tech-Schmieden auf.Rund 100 Minderheitsbeteiligungen unterhält das Unternehmen nach eigenen Angaben.

Solche Art von Finanzförderung zahlt sich aus: Intel bekommt Zugriff auf Zukunftstechnologien, teilt sich aber das Investitionsrisiko mit anderen - ganz abgesehen von den Gewinnen, die beim Börsengang erfolgreicher Startups zu realisieren sind.

Allein im März 1998 wurden mindestens sechs Finanzbeteiligungen publik.Intel investiert insbesondere in Unternehmen, die sich im Internet- und E-Commerce-Umfeld tummeln.Ein Beispiel ist der kalifornische Neuling Iprint Inc., nach eigenem Bekunden Marktführer für alle möglichen Druckjobs (Visitenkarten, Einladungen etc.).Mit diesem Unternehmen will Intel auch Aktivitäten für E-Commerce- und Digital-Imaging-Projekte entwickeln.

Intel investiert zudem in die Connected Corp.Das Unternehmen entwirft Mechanismen für automatisierte Online-Datensicherungs- und Echtzeit-Datenwiedergewinnungs-Lösungen.Deren Technologie übernimmt der Chiphersteller in seine eigene Softwaresuite "Answer Express".

Gemeinsam mit dem Unternehmen Pacific Century Group aus Hongkong gründete Intel die Firma Pacific Convergence Corp.(PCC).Sie soll Breitbandkommunikations-Technologien entwickeln, die auf den Erziehungssektor und auf die Unterhaltssparte zielen.Intel gründete ferner mit der SAP die Pandesic LLC, die als Novize im Internet-Handel (E-Commerce) aktiv wurde.

Ebenfalls Anfang März 1998 gab die Weblogic Inc. bekannt, daß Intel sich an dem Entwickler für Java-Software-Technologien beteiligt hat.Weblogic soll seinen "Java Application Server" an Intels nächste Prozessorgeneration "IA-64" anpassen.Anwender könnten dann Internet-Applikationen entwickeln, die unternehmensweite DV-Probleme wie die Verquickung von Java-Technologien mit bereits existierenden Datenbank-Anwendungen lösen.

Schließlich beteiligte sich Intel auch an Paknet X, einem Entwickler für Call-Center-Lösungen über das Internet.

Diese unvollständige Liste von Aktivitäten über Intels traditionellen Aktionsradius hinaus zeigt, daß Grove seinem Prinzip treu geblieben ist, nur der werde in einer ständig sich ändernden Geschäftswelt überleben, der permanent sämtliche Strömungen und Neuentwicklungen auf dem Radarschirm überwacht.Sie zeigt aber auch, daß sich Intel mit einer Vielzahl von neuen Technologien und damit auch Konkurrenten konfrontiert sieht.Barrett wird dieser veränderten und für Intel ungewohnten Situation mit einem neuen Geschäftsmodell entgegentreten müssen.