Aufbruch ins konvergente Zeitalter

04.05.2006
Von Hadi Stiel
Der Einstieg ins IP-Netz, durch das Sprache und Daten fließen, ist mit hohen Startinvestitionen verbunden. Leasingangebote sowie Services auf Mietbasis sollen den VoIP-Aufbruch budgetschonend beschleunigen.

Der Markt für Voice over IP (VoIP) glänzt mit Zuwachsprognosen wie zu besten Hype-Zeiten. Ein wichtiger Indikator für diesen Boom ist der Halbleitermarkt für die VoIP-Industrie. Er soll nach Prognosen der Marktforscher von IDC um jährlich 48 Prozent wachsen und im Jahr 2008 ein Volumen von 1,7 Milliarden Dollar erreichen. Die Wachstumsimpulse gehen diesmal aber nicht direkt von den Anwenderunternehmen aus: Sie kommen von den Herstellern und Service-Providern, die mit Leasingmodellen oder Services zur Miete in Vorlage treten.

Checklisten Leasing - Miete

Leasing im VoIP-Umfeld

• Welche Laufzeiten werden eingeräumt?

• Finanzierung über einen herstellereigenen oder externen Leasinggeber?

• Leasing direkt oder über einen Vertriebspartner?

• Welche Hard- und Software wird im Leasing geboten?

• Leistungsumfang für Hard- und Software: Was ist darin nicht enthalten?

• Höhe der Leasinggebühren?

• Zusatzkosten bei Ausstieg vor Leasingende?

• Standardorientierung der gebotenen Hard- und Software?

• Solidität des Herstellers?

• Qualität der Service- und Wartungsleistungen?

• Alternativen nach Laufzeitende: zurückgeben, kaufen (zu welchem Restwert), in aktualisierter Form weiternutzen (zu welchen Konditionen)?

Mietservices im VoIP-Umfeld

• Welche Vertragslaufzeiten werden eingeräumt?

• Art und Funktionsumfang der gebotenen Services?

• Welche Zusatzkosten?

• Bezugsgrößen für Service auf Miete?

• Höhe der Servicegebühren?

• Qualität der gebotenen Services und Service-Levels?

• Überprüfbarkeit der Qualität von Services und Service-Levels?

• Höhe der Strafzahlungen bei Nichterfüllung?

• Ausdehnung und Qualität der Kommunikationsinfrastruktur des Providers?

• Qualität der Absicherung der Hosting-Leistungen (Datensicherheit und Verfügbarkeit)?

• Image und Solidität des Providers?

• Rückführungsleistungen und -kosten nach Vertragsende?

• Rückführungskonditionen bei einem vorzeitigen Vertragsausstieg?

Quelle: Herbert Engelbrecht, Ernst & Young

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"Wenn Unternehmen ihre Investitionen in Hard- und Software zu lange hinausschieben, riskieren sie ihre Wettbewerbsfähigkeit. IT-Leasing eröffnet ihnen die Perspektive, rechtzeitig in die konvergente IP-Kommunikation einzusteigen", sagt Herbert Engelbrecht, Partner und Leiter des Kompetenz-Centers Corporate Sourcing bei der Unternehmensberatung Ernst & Young. Aber auch IT zur Miete sei im Vergleich zum Kauf für Unternehmen oft die kostengünstigere Alternative, so der Berater. "Gerade beim Einstieg in VoIP sind die Firmen förmlich dazu gezwungen, technisch nicht den Anschluss zu verpassen", unterstreicht Ernst Engelmann, Business Development Manager für den Bereich IP-Communications bei Cisco Systems. Schließlich würden Unternehmen aller Größenordnungen auch gegenüber ihren Geschäftspartnern und Internet-Konsumenten immer mehr unter Handlungsdruck geraten.

Der Blick nach Übersee nimmt vorweg, wie stark der VoIP-Trend auch hierzulande greifen wird. Drei Millionen VoIP-Anschlüsse waren laut IDC in den USA Ende des vergangenen Jahres registriert. Im Jahr 2009 sollen es neunmal so viele sein, nämlich rund 27 Millionen Anschlüsse.

Pakete für jeden Bedarf

Einschlägige Anbieter wie Cisco Systems haben für die anrollende VoIP-Welle bereits Leasingpakete geschnürt. Zum Angebot gehören etwa Netzwerksysteme, Gateways, Telefonanlagen, IP-Telefone, Management-Software bis hin zu den Sprach-/Daten- sowie teils auch Video-integrierten Anwendungen. Das Softwareportfolio zur Miete reicht von IP-Telefonie, Spracherkennung, Telefon-Conferencing, Video-Conferencing über Unified Messaging und IP-basierende Call-Center bis hin zu Unified Communications für die Bündelung von Sprach-, Daten- und Videokommunikationsströmen.

Die monatlichen Ratenzahlungen schließen die Installation, den Support, die Wartung und nach Ablauf der Mietdauer von drei bis fünf Jahren die Entsorgung ein. Cisco-Manager Engelmann stellt günstige Konditionen in Aussicht: "Wir finanzieren über einen eigenen Leasinggeber, Cisco Capital, und übernehmen für unsere Kunden das Restwertrisiko ohne Aufpreis." Speziell als Offerte für kleine und mittelständische Unternehmen will Cisco Capital ab Ende Juni Unified-Communication-Systeme zu Null-Leasing-Zinsen offerieren.

Konvergenz aus einer Hand

Bei Avaya gibt es ebenfalls die komplette VoIP-Produktpalette im Rahmen von Leasingverträgen. Dazu zählen neben der Hardware auch Unified-Messaging-Lösungen für "Microsoft Exchange", "Lotus Notes" und andere Workgroup-Systeme. Software für die Computer-Telefonie-Integration (CTI) einschließlich Web-Clients, Schnittstellen für unterschiedliche Datenbanken und ein Communication-Center, das sich zu einem umfassenden System für Customer-Relationship-Management (CRM) erweitern lässt, sind hier ebenfalls zu monatlichen Raten zu haben. Dazu kommen Collaboration-Anwendungen für Web-, Telefon- und Videoconferencing.

Die Produkte sind reif

Avaya Financial Services fungiert als direkter Leasinggeber: "Das erspart den Unternehmen unnötige Mietaufschläge", sagt Andreas von Meyer zu Knonow, Vice President Global Product Solutions bei Avaya-Tenovis. "Wir erledigen per Rundum-Sorglos-Paket für unsere Kunden die Konvergenz", damit sich die Anwender auf ihr Kerngeschäft konzentrieren könnten. Der Manager verweist auf die mittlerweile hohe Produktreife dieser Technik und die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft. Für dieses Ereignis wird Avaya gemeinsam mit T-Systems eine großflächige VoIP-Infrastruktur mit über 4500 Endgeräten - PCs, herkömmlichen Telefonen, Faxgeräten und allein 3000 IP-Phones - aufbauen und betreiben.

Das vielversprechende Geschäft hat auch andere Netzgrößen wie Alcatel/Lucent und Nortel auf den Plan gerufen. Sie offerieren ebenso ihre komplette VoIP-Technik im Leasingmodell. Die Offerte kommt an: "Die Unternehmen ziehen es vor, finanzielle Reserven für unvorhergesehene Investitionen und Maßnahmen zu schonen", kommentiert Berater Engelbrecht.

Das sei allerdings auch möglich, wenn Unternehmen das Produkt aus Hard- und Software, die VoIP-Services, mieten würden. In diesem Fall hält der Provider die dafür notwendigen Hard- und Softwaretechniken im Hosting vor. Neben den monatlichen Raten fällt lediglich eine geringe Installationsgebühr an. "Der Kunde zahlt nur, was er verbraucht", wirbt Hartmut Becker, Director Marketing Enterprise Solution Division bei Alcatel in Stuttgart, für den bedarfsorientierten Abruf von VoIP-Services. Die Leistungsmiete hat für die Unternehmen einen weiteren Vorteil gegenüber dem IT-Leasing: "Sie müssen nicht die Hard- und Software für den konvergenten Netzeinsatz projektieren und anschließend personalaufwändig betreiben", so Becker.

Miete als Alternative

Alcatel stattet derzeit zahlreiche Provider in Europa mit VoIP-Ausrüstungen aus, damit diese mit integrierten Sprach-, Daten- und bald Videoservices auf Mietbasis gegenüber ihren Geschäftskunden in die Offensive gehen können. So will Nextira One mit seiner Offerte Managed-Communication-Services (MCS) in wenigen Wochen starten. Bis Ende des Jahres peilt der Provider über diesen Dienst rund 50 000 Nutzer an. Helmut Reisinger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Nextira One in Deutschland, setzt voll auf dieses Geschäftsmodell: "Wir werden uns darüber neue Märkte erschließen und unseren Kunden Budgetentlastung verschaffen", gibt er sich überzeugt.

Der Carrier KPN hat in den Niederlanden auf Basis der Alcatel-Systeme seine VoIP-Services bereits aktiv geschaltet. "Unsere Geschäftskunden haben darüber automatisch Zugang zu neuen Technologien", sagt Henjo Groenewegen, Senior Vice President Business Market bei KPN. Für kleine und mittlere Unternehmen bis etwa 250 Mitarbeiter hält der Provider IP-basierende Telefonanlagen einschließlich sämtlicher Betriebs- und Verwaltungsleistungen vor - für monatlich 9,95 Euro pro Teilnehmer. Die Rate für die abgerufenen Telefon- und Datendienste steigt und fällt mit der Zahl der Nutzer und der verbrauchten Bandbreite. Auf Videoconferencing zur Miete, so KPN, sei man schon vorbereitet.

Auch die Carrier beziehungsweise Provider Colt Telecom, QSC, British Telecom und Equant greifen auf die Ausrüstung von Avaya zurück, um ihrem VoIP-Service-Auftritt den notwendigen Schliff zu verleihen. Beim Provider TCC sind solche Dienste zur Miete auf Basis der Hard- und Software des Herstellers schon zu haben. Adressiert wird vor allem der Mittelstand, damit dieser ohne hohe Startinvestitionen ins konvergente Netzzeitalter aufbrechen kann. TCC-Consultant Olaf Brauckhoff verweist auf Unified-Messaging sowie sämtliche Telefoniedienste, die nach Bedarf vor allem von mittelständischen Kunden abgerufen werden. Die Laufzeit für solche Leistungen auf Mietbasis könne zwischen zwei und fünf Jahren betragen. Im Hintergrund geht Avaya gemeinsam mit IBM in die Videokonferenz-Offensive. "Vor allem in Europa mit seinen guten Breitbandvoraussetzungen wird dieser Dienst einschließlich Online-Collaboration schnell Fuß fassen", hofft Avaya-Manager von Meyer zu Knonow.

Auch T-Systems hat sich voll auf Leistungsmiete eingestellt. Der ITK-Geschäftskundendienstleister der Deutschen Telekom hat seine Kommunikationsarchitektur auf VoIP-Services abgestimmt. Server-Leistungen für Anwendungs- und Datendienste im konvergenten Netz stehen in einem virtualisierten Pool nach Bedarf bereit. Verzögerungsempfindliche Ströme wie Telefonie und Echtzeitvideo werden über reservierte Bandbreiten ohne spürbaren Verzug durch das Multi-Protocol-Label-Switching-Netz (MPLS) geschleust.

Intelligente Netzabschlüsse

Sämtliche Ströme, einschließlich derer aus der mobilen Kommunikation, speisen universelle IP-Anschlüsse ins MPLS-Netz ein und werden darüber auch weitergeleitet. Gateways vermitteln zwischen dem MPLS- sowie den unterschiedlichen Mobilfunknetzen. Kundenseitig reicht ein Standard-Access-Router beziehungsweise eine IP-fähige Telefonanlage aus, um VoIP-Services nach Bedarf zu beziehen. "Über einen intelligenten Netzabschluss werden es die Unternehmen selbst in der Hand haben, ihre Migrationsgeschwindigkeit ins konvergente IP-Netz zu bestimmen", sagt Helmut Binder, Geschäftsführer Marketing- und Produkt-Management bei T-Systems.

Videokonferenzen im Blick

Dieser intelligente Netzabschluss unterstütze alle leitungsgebundenen und mobilen Sprachdienste. Unternehmen können seit Anfang Mai über die durchgängige Kommunikationsinfrastruktur Sprach- und Datendienste via IP bis hin zu Unified-Messaging- und Call-Center-Services abrufen. Videoconferencing zur Miete soll nach T-Systems innerhalb dieses Jahres folgen. (ajf)