„Auf Vorrat stellen wir nicht mehr ein“

18.03.2003
Von Bettina Wirth
Der IT-Arbeitsmarkt zwischen Hoffen und Bangen - unter diesem Motto eröffnete das CW-Karrierezentrum die erste Diskussion auf der diesjährigen CeBIT. Chancen ja, aber nur für wenige, prognostizierten die Personalchefs auf dem Podium.

„Wir beobachten den Arbeitsmarkt derzeit sehr vorsichtig und stellen nur gezielt ein“, bremst Personalchefin Corinna Diederichs vom mittelständischen Softwarehaus 3Soft gleich zum Diskussionsauftakt überschwängliche Erwartungen. Die Unternehmen können sich die besten Bewerber heraussuchen. Für 3Soft sind das vor allem Hochschulabsolventen - 90 Prozent aller Beschäftigten bei dem Erlanger Softwarehersteller haben studiert. Vor allem planen die Unternehmen ihren Personalbedarf nicht mehr ohne Aufträge. Accenture-Partner Frank Mang: „Früher haben wir Leute vorausschauend akquiriert. Wenn das Projekt dann erst in zwei Monaten kam, war das okay. Heute stellen wir niemanden mehr auf Vorrat ein.“

Trotzdem sucht das IT-Beratungshaus Accenture in diesem Jahr rund 200 Consultants. Auch Softwaregigant Microsoft wächst noch, wenn auch langsam: 50 bis 60 neue Positionen will das Redmonder Unternehmen in Deutschland heuer schaffen. Der Personalchef von Microsoft Deutschland Albert Hakkers kämpft jeden Monat allerdings mit „vielen tausend“ Anfragen. Hakkers betont aber: „Wir lesen jede Bewerbung“, das Recruiting-Team sei entsprechend gewachsen. Konkurrent Sun Microsystems stellt für 2003 in Deutschland immerhin ein Personalwachstum von zehn Prozent in Aussicht.

Diskussionsteilnehmer (von links nach rechts): Michael Wagenknecht (Sun), Frank Mang (Accenture), Albert Hakkers (Microsoft), Corinna Diederichs (3Soft), Silvia Eschbach (Feige Business Advisors), Klaus Trautmann (IG Metall) und Hans Königes (Computerwoche). Fotos: Dieter Meyer
Diskussionsteilnehmer (von links nach rechts): Michael Wagenknecht (Sun), Frank Mang (Accenture), Albert Hakkers (Microsoft), Corinna Diederichs (3Soft), Silvia Eschbach (Feige Business Advisors), Klaus Trautmann (IG Metall) und Hans Königes (Computerwoche). Fotos: Dieter Meyer

In einem Punkt sind sich die Diskussionsteilnehmer einig: Wer einen Job im IT-Sektor sucht, muss genau auf die ausgeschriebene Stelle passen. Die Bereitschaft, junge Bewerber lange aus- und weiterzubilden, ist gesunken. Michael Wagenknecht von Sun Microsystems stellt fest: „Vor drei Jahren waren noch mehr Firmen gewillt, in die Ausbildung der neu gewonnenen Mitarbeiter zu investieren. Jetzt sind die Skills alle auf dem Arbeitsmarkt vorhanden.“

 Auch Spezialisten haben es schwer

Auch für gut ausgebildete Spezialisten besteht aber kein Anlass zur Euphorie: Klaus Trautmann, IG-Metall-Vertreter bei IBM, glaubt, dass auch sehr gut und spezifisch ausgebildete Mitarbeiter von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Das ließe sich exemplarisch an der Schließung des IBM-Werks für Speichersysteme in Mainz erkennen. 2000 Stellen fielen laut Trautmann ersatzlos weg, für weitere 500 Mitarbeiter suche IBM innerhalb des Konzerns nach Alternativen, aber: „Wegen des Outsourcing-Deals mit der Deutschen Bank werden zusätzliche Leute von der Bank übernommen.“ Da gebe es für die Mainzer kaum noch Möglichkeiten für interne Versetzungen.

Trotz des voraussichtlichen Bedarfs von 200 neuen Leuten stößt auch Accenture-Berater Mang in das gleiche Horn: „Die Anforderungen an Mitarbeiter haben sich verändert. Vor drei Jahren haben wir Leute eingestellt, um IT-Projekte beim Kunden zu implementieren.“ Heute dagegen bestehe Bedarf an Programmierern und Entwicklern höchstens noch in Indien und auf den Philippinen, wo das Unternehmen große Wachstumsraten verzeichne. „In Deutschland dagegen suchen wir Leute, die beispielsweise die Kostenprobleme einer Firma bewältigen können“, sagt Mang.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) fängt ebenfalls keine positiven Signale vom Arbeitsmarkt auf: Laut Branchenverband verschwanden im vergangenen Jahr 35000 Stellen in der Informations- und Telekommunikationsbranche. Für 2003 rechnen die Experten mit dem Verlust von 10000 weiteren Jobs. Diese Zahl werde sich noch erhöhen, wenn es zu einem Krieg im Irak komme, so Bitkom-Präsident Volker Jung. Die Podiumsgäste des Karrierezentrums warnen, dass vor allem jene Beschäftigten von Arbeitslosigkeit bedroht seien, die es in den letzten Jahren versäumt haben, sich weiterzubilden. IG-Metall-Vertreter Trautmann erinnert die Unternehmen an ihre Pflicht, Fortbildungsmöglichkeiten anzubieten. Sun-Personalchef Wagenknecht hakt ein: „Performance-Management spielt eine große Rolle.“ Die Devise könne nur lauten, Teammitglieder entweder fitter zu machen oder auszutauschen.

 Bisher konnten sich Unternehmen wie Accenture auf eine natürliche Fluktuation von zwölf bis 18 Prozent pro Jahr verlassen. Mitarbeiter, die das Beraterleben leid waren, bekamen lukrative Angebote von anderen Firmen. Inzwischen muss Accenture-Partner Mang einräumen, dass Beschäftigte, die eigentlich nicht mehr wollen, aus Mangel an Alternativen im Unternehmen verharren. Microsoft-Personalchef Albert Hakkers und seine 3Soft-Kollegin Diederichs sind hingegen stolz auf niedrige Fluktuationsraten von drei beziehungsweise null Prozent.