vom ingenieur zum softwerker

Auf Umwegen zum Ziel

01.07.1999
Zusätzliches Wissen kann nie schaden, dachte sich Uwe Prömm. Als es nach seinem Examen keine Jobs für Ingenieure gab, entschied er sich für ein Aufbaustudium.

von Ingrid Weidner*

ZUSÄTZLICHES WISSEN kann nie schaden, dachte sich Uwe Prömm, und als es nach Studienabschluß keine Jobs für Ingenieure gab, entschied er sich für ein Aufbaustudium. "Eigentlich hatte ich Glück im Unglück", erklärtPrömm rückblickend. Der heute 32jährige studierte an der Technischen Universität in München Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Automatisierungstechnik. Trotz des guten Examens und Praktika bei Siemens und BMW klappte es nicht mit einer Festanstellung. "Damals, 1992, gab es eine fürchterliche Krise für Maschinenbauer und Elektrotechniker und kaum freie Stellen." Deshalb dachte er früh über berufliche Alternativen nach.

"Während ich mich bewarb, habe ich mich gleichzeitig zum Aufbaustudium Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften angemeldet", erzählt der Münchner Jungingenieur. In den Semesterferien jobbte er zunächst als Werkstudent bei BMW und später beim IT-Dienstleister Tesis in München: "Für Werkstudenten gab es genügend Stellen, nur Planstellen waren nicht zu bekommen." Auf diese Weise konnte er seinen Lebensunterhalt finanzieren und vor allem wichtige Berufserfahrung sammeln.

Das Aufbaustudium vermittelte gutes Allgemeinwissen: Ausgehend vom bürgerlichen über das Handelsrecht, Personalführung und Management bis hin zum Arbeitsrecht. "Die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge zu lernen war es wert, das Studium abzuschließen", betont er. Allerdings war es alles andere als eine Warteschleife, denn regelmäßige Klausuren, Seminare und eine weitere Diplomarbeit verlangten eifriges Lernen. Einige Studienkollegen warfen deshalb auch das Handtuch.

Beim Studienabschluß im September 1995 war die Krise in der Maschinenbaubranche überwunden und die Stellensituation wieder besser. Die erworbenen Fachkenntnisse aus den Nebenjobs und die geknüpften Firmenkontakte erleichterten die Jobsuche. Trotzdem war die freiberufliche Arbeit für Prömm zunächst verlockender. Es stellte sich jedoch schnell heraus, daß für weitere Auftraggeber kaum Zeit blieb, weshalb er sich für eine Festanstellung bei Tesis entschloß.

Das junge Münchner Technologieunternehmen befaßt sich in drei unterschiedlichen Unternehmensbereichen mit IT, CAE-Consulting und technischer Simulation dynamischer Systeme. Eine der Abteilungen entwickelt Software, mit der echtzeitfähige Simulationen von Fahrzeug- und Motordynamik möglich sind. Das Produkt "Vedyna",(vehicle dynamics analysis) wird beispielsweise bei Audi, BMW, Ford, Toyota und Denso eingesetzt, um Fahrzeuge oder einzelne Bauteile ausführlich am Bildschirm zu testen. Mit der Software ist es möglich, beispielsweise die Kurvenlage eines Wagens am Bildschirm zu simulieren und anschließend zu analysieren.

Prömm arbeitete schon als Werkstudent bei der Software-Entwicklung mit. "Als ich 1994 anfing, war ich zusammen mit einem Kollegen und dem Chef mit der Programmierung beschäftigt, heute sind es 14 Mitarbeiter in diesem Bereich." Inzwischen haben die Münchner für viele Simulationen Standardprogramme erarbeitet. "Während des Studiums zum Elektrotechniker lernte ich viel über Simulation, Regelungstechnik und mathematische Ansätze zur Analyse dynamischer Systeme, und diese Qualifikationen sind für die Projektarbeit ganz entscheidend", so der Allroundtechniker.

Allerdings sind die Anforderungen des Arbeitsalltags wesentlich komplexer als die Übungsaufgaben an der Universität, die dann im ersten Berufsstreß wie Sandkastenspiele erscheinen. Die Frage vieler Berufsanfänger "Wieso habe ich das überhaupt studiert?" plagte auch Prömm. Nach vier Jahren Berufsalltag sieht es der junge Techniker inzwischen gelassener und ist zufrieden mit seiner universitären Ausbildung.

Durchschnittsalter 30

Langweilig wird es ihm nicht, denn er konnte von Anfang an seinen Job mitgestalten. Das junge Unternehmen beschäftigt momentan 45 Mitarbeiter, die durchschnittlich 30 Jahre jung sind. Viele der Beschäftigten arbeiten bei den Kunden vor Ort. Wie es der Zufall will, arbeitet Prömm zur Zeit wieder für BMW im Bereich der Fahrzeugsimulation.

Momentan kann er seine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse nur am Rande einsetzen, "aber es gibt immer wieder Projekte, bei denen ich Kostenrechnungen erstelle und mit den Lieferanten verhandle". Nach der Basisarbeit in den letzten Jahren stehen die Chancen gut, daß der Jungingenieur bald als Projektleiter mit einem eigenen Team arbeiten kann. "Dann werden meine wirtschaftlichen Kenntnisse stärker zum Tragen kommen, weil es dort mehr Schnittstellen gibt und mehr organisato- rische Fragen anstehen. Darauf freue ich mich schon."

Sein Arbeitgeber sucht - wie könnte es anders sein - händeringend neue Mitarbeiter. "Momentan ist es schwer, gute Leute zu bekommen", weiß der Projektleiter in spe. "Nach der Krise sind die Studentenzahlen rapide zurückgegangen. Auf eine Anzeige bekommen wir heute vielleicht drei Zuschriften, früher war es ein ganzer Stapel." Inzwischen dürften auch Raucher wieder eine Chance haben, denn zu Zeiten der Bewerberflut sortierte der frühere Geschäftsführer - ein strenger Nichtraucher - zuerst einmal nach Geruch aus. Alle Umschläge, die beim Öffnen einen Hauch kalten Zigarettenrauchs verströmten, kamen sofort auf den Stapel "zurück an den Absender".

Die momentane Personalknappheit verlangt eine größere Flexibilität bei der Auswahl. Bei Tesis haben neben Maschinenbauern und Elektrotechnikern vor allem Physiker, Informatiker und Mathematiker gute Einstiegschancen. Erfahrungen bei der Computersimulation und neuen Technologien sind vorteilhaft. Tesis bevorzugt Universitätsabsolventen, da die theoretische Ausbildung für die spätere Arbeit besonders wichtig ist. "Die Uniabsolventen können mehr gefordert werden", erklärt Prömm. FH-Studenten packen Aufgaben zwar pragmatisch an, sind bei der Projekt- und Entwicklungsarbeit meistens überfordert, wenn es um theoretische Kenntnisse in Physik und Mathematik geht, so die Erfahrung bei Tesis.

Natürlich sind soziale Fertigkeiten der Bewerber ebenfalls gefragt, denn die Mitarbeiter arbeiten meist vor Ort beim Kunden. "Sie sollten deshalb den Kunden ernst nehmen und nicht als Kumpel ansehen", erklärt Prömm. "Sie müssen in der Lage sein, bestimmte Informationen zu erfragen und verbindliche Vereinbarungen treffen."

Prömm gibt Studenten und Absolventen den unkonventionellen Tip, "ruhig mal bei Firmen anrufen und nach Einstiegsmöglichkeiten oder Praktika fragen; wir finden meistens einen passenden Gesprächspartner für die Interessenten". Frühe Praxiskontakte helfen bei der späteren Jobsuche ganz erheblich.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.