:Auf Nummer Sicher gehen

01.06.1984

Wer im nachhinein behauptet, der Rückzug von Raytheon aus dem Computerbusineß sei zu erwarten gewesen, muß sich für einen Spruchbeutel halten lassen. Mit dem Ausstieg des 3270-Kompatiblen, Vorturner im Flugreservierungsgeschäft, konnte nicht gerechnet werden. Raytheon Data Systems gehörte ja nicht zu den Kleinen, den Wackligen im Bildschirmterminal-Markt, war nach Installationen noch Ende der siebziger Jahre Kronprinz hinter Big Blue, um erst in den letzten 24 Monaten auf Platz drei oder vier zurückzufallen.

Die Raytheon-Kundenbasis konnte sich in der Tat sehen lassen: So waren Anfang 1983 rund 175000 Bildschirmsysteme bei US-Großanwendern installiert, das entspricht einem Marktanteil von neun Prozent. Zum Vergleich: Die IBM hält mit ihren 3270-Datenstationen (rund zwei Millionen Installationen in Amerika) an die 60 Prozent Marktanteil. Auch hierzulande konnte sich der Mixed-Hardware-Anbieter mit mehr als 20 000 installierten Systemen hinter IBM (rund 300 000 Einheiten) und SEL gut behaupten.

Nun also das freiwillige Aus. Das amerikanische Raytheon-Management hat das Handtuch geworfen. Begründung: Man habe der verlustgeplagten Computer-Division nicht mehr zugetraut, auf den Gewinnpfad zurückzufinden.

Wem das zu banal ist: Die Raytheon-Bosse, zuverlässige Steuermänner im Raumfahrt- und Rüstungsgeschäft, hielten den Diversifikationsversuch in Sachen Computer für gescheitert. Dies wirft die Frage nach der generellen Situation im Terminalmarkt auf. Wenn schon Raytheon Data Systems mit einer großen Mutter im Rücken klein beigibt, wie muß es dann um die Chancen der wirklich Kleinen bestellt sein? Die Gretchenfrage schlechthin.

Mag es noch einigen Hitzköpfen unter den Anbietern gelingen, den Kopf in den (vermeintlich kühlen) Sand zu stecken, so werden die Anwender nicht lockerlassen: Sie wollen - und dafür muß man Verständnis haben - auf Nummer Sicher gehen. Nur: Auch "Nummer Sicher" ist relativ. Der Einwand, die IBM sei, was die Klarheit der Produktpolitik betrifft, eine Bank, wird vorbehaltlos wohl nicht mehr akzeptiert werden können.

Ein einfaches Beispiel: Der Mainframe-Marktführer rüstet seinen Kleincomputer "IBM PC" zur 3270-tauglichen Workstation hoch (3270-PC), bringt aber gleichzeitig verbesserte 3270-Versionen auf den Markt. Was soll's, werden die IBM-Konkurrenten sagen, bleibt eh alles in der Familie. Für den Anwender stellt sich das Problem, die wirtschaftlich vernünftigste Lösung für verteilte Datenverarbeitung (Distributed Data Processing = DDP) zu finden, indes nicht so einfach dar. Um die Möglichkeiten des "schlauen" PC auszunutzen, muß womöglich die Organisation angepaßt werden - viele Anwendungen brauchen dagegen nur den "dummen" 3270-Dialog.

Hier Alternativen zu haben gegenüber dem IBM-Angebot, ein anderes Denkspiel, auch dies gehört für den DV-Manager in großen Organisationen zum Thema "Auf Nummer Sicher gehen". Insofern bedeutet der Raytheon-Exitus einen echten Verlust. Ginge es nur um das Ausscheiden eines unbedeutenden DV-Anbieters, könnte man wieder zur Tagesordnung übergehen. Es geht um mehr. Es geht um mehr Markt. l Was auch heißen kann: 60 Prozent (IBM-Anteil) sind genug.