Arbeiten in ehemaligen Startups

Auf New Economy folgte neue Biederkeit

19.07.2012
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Interview: "Wenige sind wirklich reich geworden"

Kerstin Karuschkat gründete 1998 die 3k Personalberatung in Bonn. Zu ihren Kunden zählten damals viele Startups. Für die COMPUTERWOCHE erinnert sich die Personalberaterin an die wilden Jahre.

Kerstin Karuschkat: "Viele ehemalige Startup-Mitarbeiter sind heute froh, in einem klassischen Standardjob zu arbeiten."
Kerstin Karuschkat: "Viele ehemalige Startup-Mitarbeiter sind heute froh, in einem klassischen Standardjob zu arbeiten."
Foto: 3k Personalberatung

CW: Frau Karuschkat, Sie haben in den New-Economy-Jahren selbst eine Firma gegründet. Haben Sie von der Aufbruchstimmung profitiert?

Karuschkat: Wir sind damals schnell gewachsen, es hat großen Spaß gemacht, und ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Allerdings gab es auch hohe Risiken, denn ich habe auch auf Optionsbasis gearbeitet und Geld verloren. Inzwischen beschäftige ich zehn Mitarbeiterinnen, und wir konzentrieren uns seit 2003 in erster Linie auf Coachings und Teamentwicklung.

CW: Was ist aus all den euphorischen Mitarbeitern geworden, die damals das Arbeitsleben revolutionieren wollten?

Karuschkat: Vereinfacht gesagt gibt es drei Gruppen von solchen New-Economy-Beschäftigten. Der größte Teil, also mehr als die Hälfte, war komplett ausgebrannt und am Ende. Viele arbeiten heute in klassischen Standardjobs und sind froh, dass sie das Chaos überlebt haben und jetzt mit einem seriösen Job im Mittelstand ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie erzählen gern von den wilden Zeiten, als sie nächtelang und rund um die Uhr gearbeitet haben. Allerdings möchte niemand das Rad zurückdrehen. Die zweite Gruppe bezeichne ich als Wiederholungstäter, Typ Abenteurer. Manche haben zwei oder drei Firmenwechsel hinter sich und arbeiten heute in mittelständischen Firmen, die wesentlich stabilere Arbeitsplätze bieten. Doch der Wunsch nach Neuem ist geblieben. Und es gibt die dritte Gruppe der Star-Gründer, die reich geworden sind, nicht mehr arbeiten müssen und sich jetzt mit Mitte 40 langweilen. Das sind aber wirklich sehr wenige. Zu diesem kleinen Kreis zähle ich auch die Glücksritter, die bei ihren weiteren Gründungen viel Geld verloren haben, sich jetzt auch langweilen, jedoch ohne die finanzielle Absicherung.

CW: Gibt es trotz der skizzierten Unterschiede auch Gemeinsamkeiten zwischen diesen ehemaligen Startup-Beschäftigten?

Karuschkat: Alle haben nach diesen Extremerfahrungen wieder Jobs gefunden. Der Lerneffekt war groß, denn die meisten haben sich anschließend genauer überlegt, was sie wollen, die Jobs besser ausgesucht und vieles anders gemacht. Viele wechselten in die klassische Industrie, oft in den Mittelstand mit geregelten Arbeitszeiten und einem sicheren Gehalt. Doch wer damals zur Führungsriege gehörte, hat meist anschließend Karriere gemacht, denn nicht alle waren Superstars und sind reich geworden. Auch die starke Vernetzung der Ehemaligen untereinander ist etwas, was geblieben ist.

CW: Wie sieht es heute in den ehemaligen Startups aus?

Karuschkat: Der Hype ist weg. Damals war das Grundgefühl: Wir verändern die Welt. Das ist heute nicht mehr so ausgeprägt, denn dieses radikale Lebensgefühl hat Spuren hinterlassen. Wer heute noch am Markt ist, bietet seinen Mitarbeitern bessere Arbeitsbedingungen, arbeitet professioneller, ist besser organisiert und meist ziemlich erfolgreich.