Arbeiten in ehemaligen Startups

Auf New Economy folgte neue Biederkeit

19.07.2012
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Sie waren Stars der New Economy, und sie haben sich behauptet. Wir wollten von 1&1, SinnerSchrader und ImmobilienScout erfahren, was sie heute von ihren Mitarbeitern erwarten - und wie sie mit ihnen umgehen.

Leere Pizzaschachteln, der Schlafsack unterm Schreibtisch, durcharbeitete Nächte, kostenlos frisches Obst - der Mythos der Startup-Szene während der New Economy lebt noch immer. Und schnell geraten noch heute die Protagonisten des Dotcom-Booms ins Schwärmen, wenn sie sich gegenseitig ihre Anekdoten aus alten Zeiten erzählen.

Einen Kicker gibt es bei ImmobilienScout immer noch.
Einen Kicker gibt es bei ImmobilienScout immer noch.
Foto: SinnerSchrader

Wer diese Zeiten überlebt hat und heute noch immer sein Unternehmen betreibt, geht pragmatischer, meistens auch seriöser zu Werke. Die Übriggebliebenen aus der Internet-Gründerzeit sind inzwischen solide wirtschaftende Betriebe, die aber großteils immer noch schneller wachsen als mancher Old-Economy-Konzern. Offensichtlich liegt das in ihrer DNA.

1&1: Techniker bilden das Rückgrat des Unternehmens

Verena Amann, 1&1: "Unsere Softwareentwickler müssen von Anfang an die Marktfähigkeit der Produkte im Auge behalten."
Verena Amann, 1&1: "Unsere Softwareentwickler müssen von Anfang an die Marktfähigkeit der Produkte im Auge behalten."
Foto: 1&1 Internet AG

Die 1&1 Internet AG war die Keimzelle der heutigen United Internet AG mit Sitz in Montabaur. Der gesamte Konzern beschäftigt europaweit 5500 Mitarbeiter, von denen sich etwa 1600 technischen beziehungsweise Entwicklungsaufgaben widmen. Der ehemals kleine Anbieter von DSL-Anschlüssen offeriert heute einen großen Strauß an Produkten und Dienstleistungen und konkurriert mit Schwergewichten wie der Deutschen Telekom. In neun europäischen Ländern hat 1&1 Niederlassungen aufgebaut. Mit dem Wachstum veränderte sich auch das Anforderungsprofil. "Heute arbeiten wir vernetzter und strukturierter. Es kommt nicht nur darauf an, exzellent zu programmieren, unsere Softwareentwickler müssen von Beginn an die Marktfähigkeit von Produkten im Auge behalten", erklärt 1&1-Personalchefin Verena Amann.

Von seinen IT-Mitarbeitern erwartet 1&1, dass sie über umfangreiches Fachwissen verfügen, betriebswirtschaftliche Zusammenhänge verstehen und Soft Skills mitbringen, um im Team Ideen weiterzuentwickeln. Die Karrierewege mit Fach- und Führungslaufbahnen gleichen denen anderer Mittelständler. "Die Einsteiger wollen schnell vor-ankommen. Wir bieten deshalb ein Graduate-Programm Technik an", sagt Amann.

Schafften zu New-Economy-Zeiten Studienabbrecher und arbeitslose Geisteswissenschaftler mit einem Faible für Technik schnell den Einstieg in die IT-Branche, dominieren heute Absolventen technischer Studiengänge die Bewerberlisten. Doch die 1&1-Personalchefin betont, dass nicht der Notendurchschnitt entscheidend sei, sondern "die Leidenschaft für Technik". Die Hürde für Bewerber will das Unternehmen möglichst gering halten, und von umfangreichen Online-Fragebögen mit eingebauten Filtern hält man in Montabaur wenig.

"Auf unserer Homepage können sich Interessenten mit wenigen Zeilen bewerben. Wir filtern nicht nach Noten oder anderem, sondern lesen Lebenslauf und Anschreiben sorgfältig. Uns kommt es auf die Motivation und das konkrete Können an." Bewerbungen von Seiteneinsteigern sind inzwischen ohnehin rar. "Wir würden auch Germanisten mit technischem Know-how einstellen", sagt Amann, die in diesem Jahr 300 neue Mitarbeiter sucht.