Halbleiter-Marktführer kämpft an drei Fronten gegen Nachbauer:

Auf Intel lastet der Fluch des Erfolgs

04.09.1987

SAN FRANZISKO (CW) - Die Rechtsanwälte der Intel Corp., des Unternehmens, das mit der Baureihe iAPX.86 die bisher erfolgreichste Produktfamilie des Mikroprozessormarkts entwickelt hat, haben alle Hände voll zu tun. Die Gegner in den juristischen Auseinandersetzungen sitzen nicht nur in Japan und Südkorea, sondern auch in den USA: Am 8. September stehen Intel-Vertreter in einem Schlichtungsverfahren Repräsentanten der AMD Inc., Sunnyvale, gegenüber.

Im Streit mit einem der ärgsten Konkurrenten, der Tokioter Nippon Electric Corp. (NEC), hat der kalifornische Chip-Riese inzwischen zum letzten Mittel gegriffen: Der Intel-Vorstand forderte die US-Zollbehörde auf, aus Japan eintreffende Lieferungen der NEC-Prozessoren V.20 und V.30 zu konfiszieren, die von etlichen Hardwareherstellern als preiswerte Substitution der Intel-Chips iAPX88 und -86 eingesetzt werden.

Vor ein paar Wochen hatte der wiefe Mitbewerber aus Fernost, wie berichtet (CW Nr. 30 vom 24. Juli 1987), mit Hilfe juristischer Tricks ein Verfahren zum Stillstand gebracht, in dem festgestellt werden sollte, daß NEC den Microcode der Intel-Halbleiter unrechtmäßig kopiert habe. Nicht mit Hilfe von Beweismitteln, die den Plagiatsvorwurf widerlegen könnten, sondern mit einem Befangenheitsantrag gegen Richter William Ingram stoppte NEC den Prozeß. Der Judge war mit einer geringfügigen Summe an einem Investmentfonds beteiligt, der Intel-Aktien hält.

Da die Hinhaltetaktik seitens der Japaner ihren Zweck erfüllte, daß die Importe der Fernost-Nachahmungen ungehindert weiterlaufen konnten, sucht Intel jetzt die Unterstützung der US-Behörden. NEC hingegen zeigte sich überrascht von diesem Schritt und erklärte, die Lieferungen gingen weiter. Bisher ist auch noch kein Fall bekannt, in dem tatsächlich Produkte beschlagnahmt worden wären.

Der zweite Rechtsstreit, den Intel angezettelt hat, gilt im Silicon Valley mittlerweile als die heißeste Schlacht, die die Branche seit langem gesehen hat. Der Gegner heißt hier Advanced Micro Devices (AMD). Der Halbleiterhersteller, an dem sich einst auch Siemens beteiligte, hatte vor Jahren eine Langfristlizenz als Second-source-Hersteller für Mikroprozessoren bekommen. Damals überschritten Intels Aufträge die Produktionskapazität bei weitem; heute könnte das Unternehmen viel mehr von der Fertigung selbst übernehmen, zumal die IBM letztes Jahr eine Lizenz erhalten hat und die Chips heute selbst herstellen kann.

Die Auseinandersetzung zwischen den früheren guten Partnern, die sich in der kommenden Woche bei einem gerichtlich bestellten Schlichter wiedersehen werden, wird mit harten Bandagen geführt. Intel wirft AMD vor, einen im Gegenzug für die Lizenzen unter anderem zugesagten Harddisk-Controllerchip erst mit zwei Jahren Verspätung fertiggestellt zu haben, und dann auch noch in miserabler Qualität. Tenor der Anwürfe: AMD habe mit einer ranzigen Wurst nach der Speckseite geworfen und profitiere unverhältnismäßig von der Kooperation. Die Attackierten wehren sich mit der Behauptung, die Ablehnung des Controllers diene bloß dem Zweck, einen Tatbestand zu schaffen, mit dessen Hilfe der Lizenzvertrag zu Fall gebracht, werden kann.

Würde AMD, wie Intel beantragt hat, die Lizenz für den iAPX286 entzogen wäre die Existenz von Advanced Micro nach Einschätzung amerikanischer Wirtschaftskreise ernsthaft bedroht. Von AMD stammen nämlich 24 Prozent der Auslieferungen des Prozessors 80286, der sich im Laufe des vergangenen Jahres zum PC-Industriestandard und zum wichtigsten Umsatzträger unter den PC-Prozessoren gemausert hat.

Der Schlichter soll nun vermitteln zwischen dem Intel-Wunsch, den Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, und der Advanced-Micro-Forderung nach einer Milliarde Dollar Entschädigung für entgangene Gewinne, weil Intel den Schaltplan des neuen Super-Chips iAPX386 nicht herausrückt.

Da der meisten guten Dinge drei sind, attackiert Intel jetzt auch noch das südkoreanische Industriekonglomerat Hyundai, das derzeit mit Produkten von Halbleitern bis zu Kleinwagen in den USA von sich reden macht. Die aufstrebende Firma aus dem südostasiatischen Billiglohn- und Wirtschaftswunderland mißachte Intels US-Patente über Eprom-Chips, erfuhr die US International Trade Commission aus einer Petition des Halbleiterkonzerns aus Santa Clara. Ziel des Vorstoßes in Washington ist ein Ausschluß der Hyundai-Speicherchips vom amerikanischen Markt. Gleichzeitig sind mehrere von Intel beantragte Verfahren gegen die Koreaner bei amerikanischen Zivilgerichten anhängig.

Analysten sehen in der hohen Prozeßbereitschaft der Silicon-Valley-Apologeten ein Zeichen dafür, daß die Branche jetzt die zweite asiatische Konkurrenz mit Entschlossenheit angehen will. Die Südkoreaner waren nämlich - an das amerikanisch-japanische Halbleiterabkommen nicht gebunden - im Lauf der letzten zwölf Monate in die Bresche des Billiganbieters gesprungen.