IT im Anlagen- und Maschinenbau/Der CAx-Markt verändert sich gravierend

Auf die Revolution folgt die Evolution

20.04.2001
Internet und 3D-Konstruktion haben sich durchgesetzt. Der global vernetzte Zugriff auf Konstruktionsdaten, das gemeinsame Konstruieren über das Internet - Stichwort Collaboration -, die Entwicklung von 3D über Digital Mockup bis hin zum kompleten digitalen Produkt werden die Zukunft beeinflussen. Von Burkhard Höring*

Die hektischen Zeiten sind vorbei, in den CAx-Markt ist Ruhe eingekehrt. Statt technisch revolutionärer Ansätze steht nun die allmähliche Verbesserung der Funktionalität und ihrer Benutzbarkeit im Vordergrund. Die Revolutionen laufen anderswo ab, beispielsweise in den Trendbereichen Internet und mobiles Computing. Dortige Revolutionen fließen in den CAx-Bereich als evolutionäre Hilfsmittel ein. So ist es durch E-Mail erstmals möglich, zu relativ geringen Kosten einen zeitnahen Austausch elektronischer Dateien zu erreichen - das Verschicken von Papierzeichnungen ist nicht mehr notwendig.

Die Antwort auf die Zukunftsperspektiven des CAx-Marktes muss also mehrschichtig sein: Auf der einen Seite wird sich das Computer Aided Design (CAD) weiterentwickeln, auf der anderen Seite verändert sich das Umfeld, in dem C-Technologien eingesetzt werden.

Konstruieren ohne GrenzenSieht man auf den CAD-Sektor, ist die Entwicklungsrichtung relativ klar: Weg von der Trennung von Fläche und Volumen, hin zu Werkzeugen, bei denen der Anwender nicht mehr über mathematische Repräsentationen nachdenken oder die Beschränkungen des Werkzeuges trickreich umschiffen muss - auf diesem Weg sind einige CAD-Systeme heute schon recht weit gekommen. Design ohne Grenzen ist das Motto - der Konstrukteur soll in die Lage versetzt werden, einerseits intuitiv zu modellieren und andererseits die realen Eigenschaften des Materials schon während der Entwicklung zu berücksichtigen. Die Verknüpfung von CAD mit Finite Element Modelling (FEM), Computer Aided Manufacturing (CAM), Computer Aided Engineering (CAE) und anderen Techniken unter einheitlichen Benutzeroberflächen wird damit zunehmen, ebenso die Anzahl von Systemen, die nicht nur das eigene Datenformat sowie auch Standardformate wie Iges oder DXF verstehen.

Wie aber wird die Entwicklungsumgebung der Zukunft aussehen? In ihr spielt CAD eine zwar wichtige, aber dennoch begrenzte Rolle. Die tägliche Arbeit des Konstrukteurs umfasst weit mehr als die Modellierung: Von der Konzeption, Kundenkontakten und kalkulatorischen Tätigkeiten über die Entwicklung bis hin zum Themenkomplex Fertigung/Wartung/Entsorgung reicht das Spektrum.

Betrachtet man den Markt der C-Techniken im Kontext des gesamten Computermarktes, so lassen sich drei Metatrends benennen, unter denen sich eine Vielzahl eigentlich unabhängiger Entwicklungslinien und neuer Technologien einordnen lässt: die Bereitstellung, die Verknüpfung und die Verwaltung von Informationen. Wichtig und neu ist dabei, dass es sich nicht nur um lokale Informationen und Zugriffe handelt, sondern dass ein globaler Ansatz ins Spiel kommt. Die Informationen können von überall her eingesehen und kombiniert werden.

Aus der technischen Sicht entsteht ein virtueller Prototyp, der alle technischen Informationen vereinigt, aus der IT-Sicht entsteht eine Informationspyramide, die oben mit dem fertigen Produkt, beispielsweise einem Flugzeug, beginnt und die unten aus "Informations-Atomen" besteht: Die Materialwerte, die das Verhalten der Oberfläche beschreiben, ebenso wie die Einzeltätigkeiten und Werkzeuge, die zur Fertigung und Montage benötigt werden. Der dritte Trend ist pure Notwendigkeit: Wenn keine Informationsbarrieren mehr existieren zwischen "drin" und "draußen", zwischen Kunde und Zulieferer oder zwischen den Informationspools einzelner Abteilungen, muss ein System bereitstehen, das den Informationsfluss lenkt, filtert, absichert und dokumentiert. Jedermann soll die Informationen erhalten, die er benötigt, in der richtigen Darstellung und im richtigen Format.

Interessanterweise finden praktisch alle in letzter Zeit aktuellen Themen der Computerbranche im Spannungsfeld dieser drei Eckpunkte Platz - ob Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), Mobile Computing, Digital Mockup, Enterprise Resource Planning (ERP) oder andere. Jede dieser Techniken eröffnet neue und aufregende Möglichkeiten für die tägliche Arbeit und für Kunden- und Lieferantenbeziehungen.

Das alte CIM-Versprechen einlösenMan erinnert sich an alte Versprechen des Computer Integrated Manufacturing (CIM): Auf neuer Grundlage wird etwas denkbar , das man als "umfassende Produktentstehungskette" oder "Lifecycle-Management" bezeichnen könnte. Im Kern geht es darum, dass sämtliche Beteiligten ihre Ideen, Ansichten und Anteile an der Entwicklung, Fertigung, Verbreitung und Entsorgung eines Produktes in einen großen Topf werfen können und möglichst mühelos und effizient alle Informationen erhalten, die sie für ihre Arbeit benötigen. Was in einigen Branchen schon praktiziert wird, könnte Allgemeingut werden: die Fertigung nach individuellem Kundenwunsch.

Mut macht, dass die Entwicklung nicht mehr aus der Nische kommt: Der Geburtsfehler von CIM - neben der "Frühgeburt" - war ja, dass die Vernetzung aller Unternehmensdaten aus der Konstruktionsabteilung heraus erfolgen sollte. Der jetzige Ansatz ist breiter: Eine Vielzahl neuer Techniken beginnt sich zu ergänzen und gegenseitig zu beeinflussen. Nimmt man beispielsweise die aus sehr unterschiedlichen Bereichen kommenden Stichworte UMTS (Telekommunikation), Digital Mockup (CAD), Enterprise beziehungsweise Product Data Management EDM/PDM (Management), Application Service Providing (ASP, Internet) und Mobile Computing (Hardware, Betriebssysteme) zusammen, erschließt sich die Vision vom arbeitsplatzunabhängigen Konstrukteur.

Mit IT gegen das dröge ImageSchöne neue Welt? Sicher gibt es dann einige Ausreden weniger nach dem Motto: "Das muss ich mir zu Hause noch einmal anschauen", und der Druck nimmt zu, immer schneller zu reagieren und zu entscheiden - aus Kundensicht ist jedoch genau dies ein Vorteil. Wenn man dazu noch die vielen Untersuchungen betrachtet, in denen errechnet wird, dass der Entwickler maßgebliche Anteile seiner Arbeitszeit mit der Informationssuche verbringt oder redundante Daten eingibt, so zeigt sich eine echte Chance, den Anteil langweiliger oder ineffizienter Tätigkeiten zu reduzieren und Zeit für die eigentliche Arbeit zu gewinnen. So könnte die Entwicklung im IT-Bereich vielleicht sogar dazu beitragen, dem Maschinenbau beziehungsweise den technischen Berufen das dröge Image zu nehmen und junge Menschen anzulocken, die kreativ und unkonventionell arbeiten möchten - beim derzeitigen Arbeitskräftemangel im technischen Bereich sicherlich keine schlechte Entwicklung.

*Burkhard Höring ist Produkt-Manager für den Bereich Mechanik und Maschinenbau bei Autodesk in München.