Online-Werbung in Deutschland

Auf der Suche nach lukrativen Zielgruppen

15.09.2000
MÜNCHEN (CW) - In den USA wollen fast 73 Prozent der werbetreibenden Firmen ihr Budget für Internet-Werbung im nächsten Jahr erhöhen. Im Zeitschriftenbereich werden die von Jupiter Research befragten Inserenten dagegen 43 und im TV-Sektor nur 37 Prozent mehr Geld ausgeben. Auch in Deutschland wächst der Werbemarkt im Internet wesentlich schneller als in anderen Medien. Das Volumen schnellte in kurzer Zeit von null auf 150 Millionen Mark im vergangenen Jahr. Von CW-Mitarbeiterin Sabine Prehl

Auf eine lange Tradition kann der Online-Werbemarkt in Deutschland noch nicht zurückblicken: "Als wir vor vier Jahren hier angefangen haben, wusste noch niemand, was ein Werbe-Banner ist", erzählt Peter Würtenberger, Chef von Yahoo Deutschland. Seitdem habe das Internet-Verzeichnis seinen Umsatz mit Werbung im Netz fast verdreifacht. "Der Online-Werbemarkt ist die größte Success Story, die es in der deutschen Werbung je gab".

Die europäische Niederlassung von Forrester Research sagt dem deutschen Online-Werbemarkt für das kommende Jahr jedoch nur ein Volumen von 200, allerhöchstens 300 Millionen Mark voraus - statt der von Verlegerverbänden erhofften 500 Millionen. Die Gründe sehen die Analysten unter anderem darin, dass weniger länderübergreifende Kampagnen gestartet wurden als ursprünglich geplant. Außerdem sei der Wettbewerb - etwa bei Finanzdienstleistungen - hierzulande nicht so hart wie zum Beispiel in Großbritannien, wo aus diesem Grund weit mehr Geld in Online-Werbung fließe. Nach Ansicht von Forrester-Direktor William Reeve war die positive Beurteilung durch die Branche "wohl eher eine Wunschvorstellung als eine realistische Einschätzung des Marktpotenzials". Die Online-Werbevermarkter weisen solche Vermutungen mit Nachdruck zurück. "Wir wissen ja, was wir an Umsätzen haben und wie viel Wettbewerber es gibt. Wenn die Forrester-Zahlen stimmen würden, hätten wir einen Marktanteil in völlig unrealistischer Höhe", meint etwa Arndt Groth, Geschäftsführer von Doubleclick Deutschland. Als "absolut lächerlich" bezeichnet auch Michael Kleindl, Chef des Konkurrenten Adlink, die Ergebnisse der Marktforscher. Angesichts der wachsenden Nutzung des Internet werde den Firmen gar nichts anderes übrig bleiben, als in diesem Medium zu werben.

Mit mehr als 400 Millionen Mark Umsatz für das kommende Jahr rechnen aber auch die optimistischsten Vertreter der Branche nicht. Das entspräche gerade mal einem Prozent am Gesamtwerbekuchen. Nach den Worten von Sven Hasselmann, Leiter Online-Vermarktung der Gruner-&-Jahr-Tochter Electronic Media Service (EMS), ist das Sommerloch, während dem sich die Werbetreibenden traditionell etwas zurückziehen, in diesem Jahr stärker zu spüren als 1999, als der Online-Werbemarkt geradezu explodierte. "Ich bin aber sicher, dass es im Herbst wieder aufwärts geht", so Hasselmann.

Begehrte Werbeflächen sind vor allem die Websites von Automobil-, Reise- und Soft- und Hardwareanbietern sowie von Finanzdiensten und Medien. Nach Angaben von Manfred Klaus, Geschäftsführer des Burda-Vermarkters IAC (Interactive Advertising Center), haben sich aber auch "die klassischen Frauenthemen Fashion und Beauty in diesem Jahr stark entwickelt".

Dass die Ausgaben für Online-Werbung stärker steigen als in den anderen Medien, heißt nicht nur, dass mehr Werbemaßnahmen ins Internet verlegt werden. Die steigende Qualität der Online-Werbung treibt die Ausgaben ebenfalls in die Höhe. Während die Online-Anbieter in den vergangenen zwei Jahren damit beschäftigt waren, überhaupt Werbepartner im Netz zu gewinnen, widmet man sich inzwischen stärker der Frage, welche Zielgruppen sich mit welchen Mitteln erreichen und längerfristig binden lassen. Anstatt die Website-Besucher mit allgemeinen Bannern zu bombardieren, setzen immer mehr Werbungtreibende auf so genanntes Targeting - die direkte Ansprache der Zielgruppen, um Streuverluste zu vermeiden. Dabei sorgen die Web-Server zur Werbebanner-Verwaltung - so genannte Ad-Server - dafür, dass die Werbung in den auf die jeweiligen Nutzer abgestimmten Themenumfeldern erscheint. Besonders begehrt - und teuer - ist derzeit das redaktionelle Umfeld von Finanzdiensten und Versicherungen sowie die Bereiche IT und Telekommunikation.

Noch ist jedoch das klassische Banner die Werbeform Nummer eins. 60 bis 70 Prozent der Online-Werbeumsätze in Deutschland werden derzeit mit Banner-Werbung erzielt - beim Werbevermarkter Adlink sind es sogar 80 Prozent. Einer im Auftrag des Unternehmens erstellten Studie zufolge sind die blinkenden Vierecke in der Lage, Marken und Inhalte deutlich zu kommunizieren. Daher würden sie von vielen Surfern nicht als Werbung, sondern als Informationsquelle genutzt. Gleichzeitig ist jedoch auch zu erkennen, dass einfache Banner immer seltener angeklickt werden, da sie angesichts der wachsenden Zahl an Websites in der Informationsflut untergehen. Gefragt sind daher Banner-Formate, die eine höhere Aufmerksamkeit erzielen - etwa durch den Einsatz von Animationen, Video und Audio. Doubleclick-Chef Groth hält komplexe HTML-, Flash- oder Real-Banner für wegweisend: "Das totgesagte Banner lebt. Und es kann mittlerweile mehr als nur blinken." IAC-Geschäftsführer Klaus sieht das ähnlich: "Das Online-Banner ist noch lange nicht ausgereizt."

Als wichtig gilt vor allem der Aspekt der Interaktivität: Den Markforschern von ASI Research zufolge wird ein Banner, das interaktive Elemente enthält, um 70 Prozent häufiger angeklickt als eine statische Werbefläche.

"Intelligente" Banner mit eigener Funktionalität bieten außerdem mehr Möglichkeiten, Informationen über das Nutzerverhalten zu gewinnen. Bei der Syncast-Technik etwa, die beim Internet-Nachrichtensender von Pro Sieben (N24) zum Einsatz kommt, kann der Anwender durch in Streaming-Media-Inhalte integrierte Response-Elemente per Mausklick zu weiteren Informationen gelangen, ein Produkt bestellen oder an einem Gewinnspiel teilnehmen. Das gilt auch für die von der Firma Unicast entwickelten "Interstitials", die - ähnlich wie Fernsehspots in Spielfilmen - den Besuch einer Website durch Einblenden eines großformatigen Browser-Fensters unterbrechen. Der Vorteil: Wegen seiner Größe ist das Fenster sehr dominant - die Konkurrenz mit anderen Elementen der Website ist dadurch geringer als bei kleinen Werbeflächen. Außerdem lassen sich hier aufwändiger gestaltete Grafiken und Animationen sowie datenintensivere Audiosequenzen unterbringen als auf normalen Bannern. Hinzu kommt, dass die mit multimedialen Effekten aufgepeppten Interstitials, auch "Superstitials" genannt, relativ neu sind. Nach Hasselmanns Ansicht sind sie daher noch durchaus attraktiv für den Anwender. IAC-Chef Klaus betrachtet das Thema Bewegtbild allerdings zurzeit eher als "Hype": "Die Masse der Anwender kann Real Audio doch gar nicht in vollem Maße nutzen, weil die Zugangsgeschwindigkeiten noch zu gering sind."

Ein regelrechtes Revival erleben derzeit Popups - kleine Fenster, die eine Werbebotschaft enthalten und sich automatisch öffnen, wenn der Surfer eine bestimmte Site ansteuert. In diese Kategorie fallen auch "Nanosites" oder "Microsites" - Websites innerhalb einer Website, die mit eigenen Funktionen ausgestattet sind. Mit solchen hartnäckigen Fenstern lassen sich höhere Klickraten erzielen als mit Bannern, da sie die Betrachtungszeiten verlängern. Allerdings wird Popup-Werbung vielerorts als lästig empfunden. Einer Studie von Naked Eye zufolge ärgern sich nicht nur professionelle Anwender, sondern auch viele Homeuser über die lästigen Aufklappfenster. Das gilt vor allem für Popups, die sich nicht wegklicken, sondern lediglich verkleinern lassen, sowie für so genannte Scroll-Ads, die im Sichtfeld des Anwenders bleiben, auch wenn dieser den Cursor nach unten bewegt. Nach den Worten von Adlink-Chef Kleindl reagieren vor allem die deutschen Surfer auf solche Formate empfindlich: "In Frankreich kommen Popups sehr gut an - in Deutschland muss man sensibler damit umgehen." Yahoo-Chef Würtenberger lehnt die "Stickyads" aus diesem Grund ab: "Wir vermeiden alles, was den User nervt." Die meisten Vermarkter lassen daher nur Popups bis zu einer bestimmten Dateigröße zu, die sich zudem wegklicken oder wegscrollen lassen. "Werbung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie den Nutzer nicht zu stark beeinträchtigt", meint IAC-Geschäftsführer Klaus. Zeitschriften-Leser haben schließlich auch die Möglichkeit, Werbeanzeigen zu überblättern. Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass sich Online-Angebote allein über Werbung finanzieren - dafür, dass der Leser kostenlose Inhalte bekomme, müsse er schon etwas toleranter sein.

Den von der Multimedia-Flut genervten Surfern will die Werbebranche mit Permission-Marketing entgegenkommen. Gemeint sind Werbeformen, bei denen der User selbst entscheidet, ob er die Werbebotschaft erhalten will oder nicht - ähnlich wie die Opt-in-Verfahren bei E-Mail-Werbung. Damit will man auch vermeiden, dass die Nutzer die Werbung einfach ausblenden - etwa mit Tools wie dem "Webwasher" von Siemens. Ein Beispiel sind die elektronischen Postkarten von Edgar: Auf der Edgar-Website können die Anwender kostenlose E-Cards verschicken, die mit witzigen Werbemotiven versehen sind. Sie suchen sich die Postkartenmotive selbst aus und bestimmen damit, welche Werbung der Empfänger erhalten soll. "Erlaubte" Werbung ist aber auch eine Chance, die Erfassung der für die Werbetreibenden so wichtigen Personendaten zu regeln und Datenschutzverletzungen vorzubeugen.

Wer nimmt teil am Online-Werbemarkt?Der größte Teil der Werbegelder entfällt auf Suchmaschinen und Online-Dienste sowie auf die Internet-Angebote der Printmedien. Die großen Verlage - etwa Axel Springer, Burda (IAC) oder Gruner & Jahr (EMS) - verkaufen Werbeflächen auf ihren eigenen redaktionellen Angeboten, übernehmen die Vermarktertätigkeit aber auch für andere Anbieter - sofern deren Sites genug Traffic generieren und inhaltlich ins Portfolio passen. So vermarktet die IAC unter anderem die Online-Werbeflächen von Ebay, Antenne Bayern und Chip, EMS betreut neben den Gruner-&-Jahr-Titeln zum Beispiel den Online-Marktplatz der Post (Evita). Dank ihres inhaltlich breit gefächerten Angebots können die Verlage die Werbebotschaften ihrer Kunden zielgruppengerecht platzieren. Auch Cross-Media-Kampagnen - etwa Werbung für den Online-Auftritt in der Print-Ausgabe - profitieren von der oft langjährigen redaktionellen Erfahrung der Verlage.

Im Gegensatz dazu sind die reinen Internet-Werbevermarkter wie Adlink, Doubleclick, Engage oder Ad Pepper unabhängige Vermittler zwischen Werbeplätzen im Internet und der werbetreibenden Wirtschaft und sorgen für die exakte Schaltung der Kampagne auf den beauftragten Werbeplätzen. Einige - etwa Adlink oder Doubleclick - bieten aber auch eigens entwickelte Werbelösungen fürs Internet an. Adlink betreut unter anderem die Deutsche Börse (www.exchange.de) und den Fernsehsender Sat.1. Zu den Kunden von Doubleclick gehören Altavista, Real Networks oder die IDG-Magazine-Titel "PC-Welt", "Macwelt", "Gamestar" und "Tecchannel". Auch die unabhängigen Vermarkter akzeptieren nur Sites ab einer bestimmten Größe. Bei Doubleclick etwa sind mindestens eine Million Page-Impressions Bedingung. Nach den Worten von Geschäftsführer Arndt Groth liegt der Vorteil eines reinen Vermarkters darin, dass er - da er nicht an einen Verlag gebunden ist - einerseits flexibler, aber auch gerechter und keinen Interessenskonflikten ausgesetzt sei. "Wir behandeln alle Sites gleich."

Nicht wenige Content-Anbieter vermarkten ihre Websites selbst - zum Beispiel Yahoo. Auch das Suchportal Altavista will seine Werbeflächen ab dem nächsten Jahr in Eigenregie verkaufen. Bei der Umsetzung der Werbekampagnen arbeiten die Werbetreibenden in der Regel mit externen Dienstleistern zusammen. Die Online-Werbeagentur beraten sie über Möglichkeiten, Ziele und Kosten einer Online-Kampagne. Dann erarbeiten sie eine Werbestrategie, planen und produzieren die Kampagne. Spezielle Web-Design-Tätigkeiten werden dabei häufig von Multimedia-Agenturen übernommen. Auch mit der Mediaplanung werden meist externe Media-Agenturen beauftragt.

Internet-SponsoringVor allem dem Internet-Sponsoring werden gute Perspektiven vorausgesagt. Hier bezahlt der Sponsor den Website-Betreiber (Sponsoring-Nehmer) dafür, dass dieser seine Werbebotschaften in Form von Texten, Bildern, Ton oder Animationen in die jeweilige Plattform integriert. Dem Beratungsunternehmen Pro Active International zufolge fließen heute 17 Prozent der Online-Werbegelder in Sponsorships, redaktionelle Kooperationen und Infomercials (informative Werbung). Die Marktforscher von Prognos schätzen den Anteil des Sponsoring an den Online-Werbeausgaben sogar auf 30 Prozent. In vier Jahren sollen es mehr als 50 Prozent sein. Der Vorteil des Sponsoring liegt nach Ansicht von Experten darin, dass die Website-Betreiber längerfristige Kooperationen mit dem Sponsor eingehen und dessen Werbebotschaft über einen großen Zeitraum hinweg an die jeweilige Site binden, während ein Banner immer nur für kurze Zeit auf einer Website geschaltet wird. Laut Jörn Oehmichen, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Pulsaris und Leiter des Arbeitskreises Sponsoring im Deutschen Multimedia Verband (dmmv), lassen sich über die informationslastigen Sponsoring-Inhalte vor allem Kriterien wie Image und Kompetenz besonders gut vermitteln.