Auf dem Weg zurueck zur Hardware-Company Digital wird seine relationale Datenbank an Oracle verkaufen

02.09.1994

MUENCHEN (qua) - Fuer etwa 100 Millionen Dollar will die Oracle Corp., Redwood Shores, Kalifornien, der Digital Equipment Corp., Maynard, Massachusetts, das relationale Datenbank-Management- System "RDB" abkaufen. Eigenen Angaben zufolge ist Digital bereit, alle Produkte zu veraeussern, die nicht zum "Kernbereich" des Unternehmens gehoeren, sprich: Hardware oder Middleware sind.

Dass RDB zum Verkauf steht, ist Branchenkennern schon laenger bekannt. Auch der Name Oracle tauchte in diesem Zusammenhang oefter auf. Nun ist es bald amtlich. Die fuer den 30. August geplante Vertragsunterzeichnung wurde zwar im letzten Augenblick verschoben. Doch hegen Insider keinen Zweifel, dass die beiden Unternehmen in Kuerze eine Absichtserklaerung unterschreiben werden, die den Verkauf von Digitals relationalem Datenbank-Management- System an Oracle zum Gegenstand hat.

Als Teil dieser Uebereinkunft wird Oracle aller Voraussicht nach den mit RDB befassten Digital-Mitarbeitern - weltweit etwa 250 an der Zahl - ein Uebernahmeangebot machen. Wer dieses Angebot akzeptiert, muss wahrscheinlich nicht einmal umziehen. Oracle plant, das Entwicklungslabor in Neuengland und das Support Center in Colorado Springs beizubehalten.

Digital Equipment hat seinen - zum Teil als ausgezeichnet bewerteten - Softwareprodukten niemals die rechte Bedeutung beigemessen. So wurde das urspruenglich fuer VMS entwickelte RDB bislang nur auf die DEC-eigenen Betriebssysteme Ultrix und OSF/1 portiert.

Ob die versprochene Ausfuehrung fuer Windows NT sowie die ebenfalls diskutierten Portierungen auf fremde Unix-Systeme unter der Oracle-Regie Wirklichkeit werden, ist derzeit Gegenstand von Spekulationen. Gegenueber der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" aeusserten RDB-Anwender und Analysten die Befuerchtung, dass Oracle weniger an dem Produkt als vielmehr an der Kundenbasis interessiert sei.

Dunkle Ahnungen bei den Kunden

"Ich habe das ungute Gefuehl, RDB wird eingestellt und wir bekommen eine einfache Migrationsmoeglichkeit angeboten, die uns noetigt, eine Reihe von Oracle-Produkten anzuschaffen", formuliert Steven Hankins, Vice-President fuer Informationssysteme bei Tyson Foods in Springdale, Arkansas, dunkle Ahnungen. Hankins hat bereits Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass er RDB notfalls statt durch Oracle auch durch ein Konkurrenzprodukt, beispielsweise durch Sybase, ersetzen kann. Seine Begruendung: "Wir wollen uns zu nichts draengen lassen." Andere RDB-Anwender ergaenzen, dass die Lizenzkosten fuer Oracle ungleich hoeher seien als fuer die Digital-Datenbank.

Auch Marktbeobachter wie Richard Finkelstein von der Performance Computing Inc. mit Sitz in Chikago, oder Steve Hendrick von der IDC Corp. in Framingham, Massachusetts, trauen dem Frieden nicht. "Es ist zweifelhaft, ob Oracle irgendeinen Aufwand treiben wird, um RDB weiterzuentwickeln," unkt Finkelstein. Laut Hendrick koennte sich das Datenbank-System fuer Oracle zu einer wichtigen Cash-Cow entwickeln, wenn der neue Eigner es als Einnahmequelle fuer Maintenance und Support betrachte und nicht allzu viel in Forschung und Entwicklung investiere.

Davon will Theresia Wermelskirchen, Pressesprecherin der Muenchner Digital Equipment GmbH, jedoch nichts wissen. Obschon sie den Deal zwischen Digital und Oracle noch als "Geruecht" bezeichnete, beharrte sie darauf, dass Digital das Produkt nur abgeben werde, wenn sich der Kaeufer verpflichte, es weiterzupflegen. Andernfalls riskiere der Hardware- und Systemsoftware-Hersteller, seine Kundenbasis zu verprellen. Darueber hinaus gebe es Umgebungen, beispielsweise gemischte VAX- und Alpha-Cluster, in denen Oracle nichts Eigenes zu bieten habe.