Audi-Konzern ersetzt Mainframe-Applikation durch Client-Server- Loesung Beim Downsizing treten Generationsprobleme zutage

23.07.1993

INGOLSTADT (CW) - Der Bereich Technische Entwicklung der Audi AG profiliert sich als Downsizer. Trotz immer noch vorhandener Ressentiments der Rechenzentrums-Mainframer wurde der bisherige Grossrechner-Service durch eine heterogene Client-Server-Loesung ersetzt. Die neueste Errungenschaft ist die Fahrzeugdatenbank "Cars".

"Bei uns steht die Pfiffigkeit der Anwendungen im Vordergrund", konstatiert Projektleiter Martin Freudenhagen. Diese Abkehr von Master-slave-Loesungen sei allerdings nicht als Kriegserklaerung gegen Grossrechner zu verstehen, sondern aus purer Notwendigkeit zustande gekommen. Die mit der Umstellung verbundene Auseinandersetzung haette aber ein "Generationsproblem" im Hause deutlich gemacht.

Die neue Datenbank Cars vom Audi-internen "EDV-Versuchsservice Technische Entwicklung" (EQ-V) dient dem Vergleich von Audi- Fahrzeugen mit Fremdprodukten. Bisher wurde diese Aufgabe mit Hilfe eines DB/2-System unter MVS erledigt.

Hauptkunde der EQ-V ist der Versuchsbereich fuer die Fahrzeugentwicklung. Allein hier stehen nur elf DV-Betreuern 600 Anwender gegenueber, die mehr als Cars-spezifische Dienstleistungen erwarten. "Bei einem solchen Missverhaeltnis ist die Effektivitaet der Anwendungen fuer die Betreueung eine Frage des Ueberlebens", fuehrt EQ-V-Leiter Ulrich Tabbert aus.

Der Daten-Input fuer Cars kommt von einem DB/2-System der VW- Wolfsburg AG. Der Versuchsservice extrahiert die notwendigen Informationen und lagert sie in einer Oracle-Datenbank, die auf einem 6000er VAX-Server installiert ist. Ueber das Oracle- Datenbankprotokoll "SQL-Net" und Ethernet steht die Datenbank mit PCs, Macintosh-, OS/2- und Unix-Rechnern in Verbindung. Die einheitliche und grafische Abfrageumgebung fuer diese heterogenen Systeme wurde mit dem Datenbank-Front-end Omnis 7 von Blyth erstellt.

Zur Zeit sind bei Audi rund 2000 Rechnersysteme im Einsatz. Die Systemstelle EQ-V betreut davon allein bei ihrem Hauptkunden zirka 150 Macintosh-Rechner, 120 PCs, 20 Pruefstandsrechner (VAX) und einige DEC-Prozessrechner (PDP). Trotzdem bewertet Tabbert Cars als eine "konzernweite Loesung". Ausserdem wird das System kuenftig bei VW, Seat und Scoda eingesetzt.

Das Vertrauen in Standardloesungen gruendet sich nicht allein auf die Erfahrungen mit Cars, insbesondere werde die Flexibilitaet und Mobilitaet der Anwendungen gesichert. "Bei Audi liegt die Betonung heute auf Herstellerunabhaengigkeit", so Tabbert. Software von der Stange erfuelle nahezu alle Anforderungen. Sie laesst sich bei Strichzeichnungen, in der Tabellenkakulation, im Marketing, in der Bilddatenverarbeitung und selbst fuer Echtzeitanwendungen einsetzen. "Was nuetzt uns eine Hundertprozent-Loesung, wenn sie nicht in die Audi-Umgebung passt", wendet sich Projektleiter Freudenhagen gegen teure Individualloesungen.

Als Grund fuer das Client-Server-Interesse bei Audi nennen die Projektverantwortlichen das veraenderte Anspruchsdenken ihrer hausinternen Kunden. Statt schwer lesbarer Zahlenkolonnen vom Mainframe verlangten die Anwender uebersichtliche Diagramme und Schaubilder, wie sie bei der PC-Software bereits gang und gaebe sind.

Das galt besonders fuer den Pruefstandsbereich. Die Zeit, die ein Techniker fuer vergleichbare Auswertungen mit Grossrechner-Software brauchte, schaetzt Tabbert auf das Doppelte. Um wettbewerbsfaehig zu bleiben, ist die Verkuerzung der Entwicklungszeiten von der Fahrzeugkonzeption bis zur Freigabe ein wesentlicher Faktor. Die Entscheidung fuer Client-Server-Applikationen erscheint den EQ-V- Spezialisten daher als logische Folge.

Dieser Schluss ist bei den DV-Fachleuten von Audi nicht unumstritten. Schliesslich laufen dort zum Teil 15 Jahre alte Host- Programme, die von den RZ-Mitarbeitern gepflegt oder sogar programmiert wurden. Beruehrungsaengste vor der veraenderten DV-Welt scheinen Tabbert hier durchaus verstaendlich, bedroht die neue Technik doch den gewohnten Arbeitsplatz.

Die Konkurrenten stehen auch schon vor der Tuer. So lobt Tabbert die "jungen DV-Profis", die bereits ein gehoeriges Mass an Vorverstaendnis mitbraechten und die den Umgang mit PCs und PC- Software bereits verinnerlicht haetten. Schulungen seien hier kaum mehr noetig.

Fuer Tabbert ueberwiegen die Vorteile der neuen Loesungen bei weitem: Client-Server-Umgebungen seien nicht nur schneller und unmittelbarer in der Verarbeitung, uebersichtlicher in der Auswertung, flexibler in der Handhabung, sondern auch preisguenstiger im Einkauf und in der Wartung. Der Konkurrenzdruck unter den Hard- und Software-Anbietern spiele hier eine nicht zu unterschaetzende Rolle.

"Die Einfuehrung von PCs und Macs im Pruefstandsbereich zwang uns zur Weiterentwicklung des Netzes, um nicht einen Bruch in der Prozesskette zu riskieren", kommentiert Tabbert die Ausweitung der Client-Server-Struktur. Gemeint ist damit der Anwendungsablauf vom Sachbearbeiter oder Messtechniker zur Sekretaerin bis hin zum Manager.

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