Trotz mangelhafter Einzelprogramme und notwendiger Ergänzungen:

Auch Profis schätzen einheitliche Oberfläche

01.05.1987

Eine durchgängige Benutzerschnittstelle erspart Schulungsaufwand und reduziert Akzeptanzprobleme. Außerdem ermöglicht sie schnelle Reaktionen auf dringende Anforderungen. Wenn auf perfekte Lösungen verzichtet werden kann, sind integrierte Pakete auch für den professionellen Einsatz bislang noch konkurrenzlos.

In fast jedem größeren Unternehmen hat die DV-Abteilung, lange Zeit mit dem Monopol der Informationsverarbeitung ausgestattet, durch die Installation von PCs in den Fachabteilungen dezentrale Konkurrenz bekommen. Diese Entwicklung wurde hervorgerufen durch lange Anwendungsstaus und nicht endbenutzergeeignete Softwarewerkzeuge am Host sowie durch preisgünstige, vollkommen neue und benutzerfreundliche Standardsoftware am PC (zum Beispiel Spreadsheets). Das führte wegen fehlender Konzepte bei der "Individuellen Informationsverarbeitung (IIV) zunächst meist zu einem Wildwuchs an PC-Hard- und -Software.

Heute, klüger geworden, verfügen viele Unternehmen über ein Information Center, dem die Koordination und Steuerung, damit also auch die Kontrolle der IIV, obliegt. Hier werden die Richtlinien und Standards für den Einsatz von Hard- und Software - auch oberhalb der PC-Ebene - für die IIV festgelegt. Außerdem führt das Information Center Schulungen sowie Anwendungsberatungen durch und gibt Empfehlungen für die Lösung der informationstechnischen Aufgaben an konkreten Arbeitsplätzen.

Das Kriterium für die Entscheidung zugunsten einer PC-Lösung an einem Arbeitsplatz ist die Aufgabenstellung (Anwendung) in engem Zusammenhang mit dem organisatorischen Umfeld und der vorhandenen DV-Landschaft. Die entscheidende Frage lautet: Welche Daten sollen von woher kommend wie verarbeitet und weitergegeben werden?

Fast unbemerkt kamen PCs in die Unternehmen

Am einfachsten stellt sich die Aufgabe dar, wenn lokal anfallende Daten "vor Ort" verarbeitet und nicht maschinell lesbar weitergegeben werden sollen, wenn also wenig Integration in das Umfeld besteht. Auf diese Weise kamen - fast unbemerkt - die ersten PCs in die Unternehmen.

Die Aufgabenstellung wird komplexer, sobald auf bestehende Datenbestände zugegriffen werden soll oder Daten mit anderen Arbeitsplätzen ausgetauscht beziehungsweise gemeinsam benutzt und weitergegeben werden sollen. Spätestens dann mußte man sich auf Industriestandards besinnen.

Die Rahmenbedingungen zur Lösung der bestehenden Aufgaben an einem Arbeitsplatz können für den Einsatz von Standardsoftware, sowohl für integrierte Pakete als auch für Einzelprogramme, zum k.o.-Kriterium werden. Denn daraus leiten sich Schnittstellen- und Kommunikationsanforderungen ab: die Möglichkeit zur Datenübernahme von bestehenden Host-Systemen (download) und zurück (upload), von und zu anderen PC-Programmen sowie die Netzwerkfähigkeit. Für den erfolgreichen Einsatz und damit den Verkauf eines Softwareproduktes ist also nicht allein seine Leistungsfähigkeit im Sinne der Anwendung entscheidend, sondern ebenfalls seine Integrierbarkeit nach außen. Dazu zählt natürlich auch die Integrierbarkeit bereits installierter PC-Konfigurationen (standardmäßige Gerätetreiber).

Die zu lösenden Aufgaben eines Arbeitsplatzes können ihrerseits wieder einfach oder komplex, speziell oder vielfältig sein. Abhängig davon ist der Einsatz der Software.

Die am weitesten verbreitete Anwendung auf dem PC ist immer noch die Textver- beziehungsweise -bearbeitung. Besteht die Anforderung beispielsweise allein in solch einer Funktion, so werden meist Einzelprogramme eingesetzt, die den Textteilen der integrierten Pakete in vielen Funktionen überlegen sind. Im Schreibbüro trifft man deshalb nur diese Einzelprogramme an.

Soll indes in den Text eine Grafik eingefügt werden, gibt es schon die ersten Probleme: Womit wird die Grafik erzeugt; wie kann sie eingefügt werden? Wo und wie ist das konsolidierte Zahlenmaterial für die Geschäftsgrafik gespeichert?

Sobald die Aufgaben eines Arbeitsplatzes vielfältiger werden und voneinander abhängig sind, nimmt die Notwendigkeit der Integration der einzelnen Funktionen zu, die Komplexität allerdings nicht notwendigerweise ab. Wird nun für jede Teilaufgabe ein anderes Einzelprogramm zur Lösung herangezogen, muß sich der Benutzer mit unterschiedlichen Programmphilosophien beschäftigen, verschiedene Tastaturbelegungen im Kopf behalten, Daten selbst - wenn möglich - in austauschbare Formate bringen und per Hand von Anwendung zu Anwendung kopieren.

Lange Einarbeitungszeiten vom Benutzer verlangt

Diese Lösungen verlangen lange Einarbeitungszeiten vom Benutzer und hohen Schulungs- und Beratungsaufwand vom Information Center. Im Sinne der Erledigung von speziellen Teilaufgaben kann dies zwar die leistungsfähigste Kombination sein; im Sinne der Benutzerakzeptanz und des Lern- und Lehraufwandes kann diese Lösung jedoch schlecht standhalten.

Aus diesem Grunde wurden integrierte Softwareprodukte entwickelt, die im wesentlichen eines gemeinsam haben: Sie bieten die Funktionen Kalkulation (Spreadsheet), Geschäftsgrafik, Dateiverwaltung, Textbearbeitung und Kommunikation nach außen unter einer homogenen Benutzeroberfläche (Menüführung, Tastenbelegung) an, und dies meist zum Preis eines leistungsfähigen Einzelprogrammes.

Nun gibt es keine eierlegende Wollmilchsau und so geht diese Integration im allgemeinen auf Kosten der Leistungsfähigkeit der einzelnen Funktionen. Die Stärke liegt hier ganz klar in der Integration. Die Relationen zwischen diesen Funktionen können dabei so eng geknüpft werden, daß die Änderung eines Eintrags in der Datenbank zum Beispiel automatisch einen Update in der Konsolidierung und deren grafischer Aufbereitung in einem Text nach sich zieht. Darüber hinaus kann der Benutzer wiederkehrende Tätigkeiten auf Tasten ablegen und damit einen automatischen Ablauf innerhalb des integrierten Paketes erzeugen. Damit bieten sich dem Anwender Möglichkeiten, die er mit Einzelprogrammen nicht hätte.

Die praktische Erfahrung zeigt allerdings, daß nur ein kleiner Teil der Endbenutzer bereit und in der Lage ist, diese Möglichkeiten in vollem Umfang zu nutzen. Dies erfordert nämlich die Fähigkeit, komplex zu denken. Außerdem werden im Falle einer Makroprogrammierung, sobald es über das Ablegen von Initialen der Menübefehle hinausgeht, Kenntnisse verlangt, die dem Programmieren in einer Programmiersprache zu vergleichen sind und einen adäquaten Schulungsaufwand notwendig machen. Also benutzt der größere Teil der Endbenutzer diese exklusiven Vorteile innerhalb von integrierten Paketen gar nicht. Weshalb werden sie dann trotzdem eingesetzt?

PCs werden typischerweise dort installiert, wo Daten verdichtet, Zahlen konsolidiert und Berichte erstellt werden. Dabei kommt es nicht selten vor, daß sich Form und Inhalt dieser Informationen auf Anforderung der Vorgesetzten kurzfristig ändern oder daß Aufgaben spontan anfallen. Nur mit Werkzeugen, die eine benutzerfreundliche Programmoberfläche mit menüaktueller Hilfestellung haben, kann der Sachbearbeiter auf diese Anforderungen schnell reagieren. Auch wenn die Lösung nicht ganz perfekt ist, können die meisten Anforderungen aufgrund einer einzigen vertrauten Programmumgebung schnell erstellt werden. Die Perfektion ist dabei nicht so wichtig.

Standardsoftware ist ein guter Kompromiß

Das Information Center weiß um diese Dinge und wird deshalb auch die spontan anfallenden Aufgaben bei der Softwareempfehlung für den Arbeitsplatz einbeziehen. Wo besteht nicht die Notwendigkeit, bei Spreadsheet-Anwendungen auch einmal einen Text zu erstellen und die Zahlen grafisch darzustellen?

Im Sinne einer unternehmensweiten Vereinheitlichung hinsichtlich Beratung und Schulung macht es sogar Sinn, wenn nur eine einzige Funktion des integrierten Paketes genutzt wird, auch wenn die perfektere Lösung dabei in den Hintergrund treten muß. Die PCs haben ihren Einzug in den Unternehmen mit Standardsoftware gehalten. Standardsoftware bedeutet aber, mit 90prozentiger Erfüllung der Anforderung zu leben; und dies ist im unternehmerischen Sinn sicherlich ein guter Kompromiß.

Die integrierten Pakete unterscheiden sich untereinander durch die leistungsmäßig verschieden ausgeprägten Funktionen. Lotus brachte beispielsweise mit "1-2-3" seinerzeit das leistungsfähigste Spreadsheet-Programm auf den Softwaremarkt. Dabei ist es müßig, darüber zu streiten, ob ein Programm, das nur Spreadsheet, Dateiverwaltung und Grafik beinhaltet, zu den integrierten Paketen zählt. Vom selben Hersteller folgte das "echte" integrierte Paket "Symphony", um die Funktionen Text und Kommunikation erweitert sowie in der Dateiverwaltung verbessert. Auch bei "Symphony" (und dem Macintosh-Äquivalent "Jazz") ist die Programmphilosophie vom Spreadsheet getragen. Beide waren in der Leistungsfähigkeit des Worksheets zunächst unterhalb von "1-2-3" angesiedelt. Erst die neuesten Versionen beider Programme ("1-2-3" 2.01, "Symphony" 1.2) brachten in diesem Punkt gleiche Möglichkeiten.

Aufgesetzte Lösung hat auch Nachteile

Anhand dieser Entwicklung sei aber auch auf einen großen Nachteil hingewiesen: Benötigte "1-2-3" in der Version 1 noch rund 100 KB RAM für das Programm, so fordert die Version 2 schon 200 KB. "Symphony" braucht 300 KB und darüber, wenn Zusätze geladen werden. Damit hat sich die praktikable Einsetzbarkeit bei großen Datenmengen verschlechtert, da unter MS-DOS immer noch die Grenze von maximal 640 KB adressierbarem RAM besteht.

Programme mit einer permanenten Speichertechnik können ihre Vorteile nur ausspielen, wenn alle Daten der Anwendung im Speicher gehalten werden können, sonst wird ihre Handhabung umständlich und langsam. Aus diesem Grund kamen bald Hauptspeichererweiterungen von bis zu 8 MB nach festgelegten Standards (EMS - expanded memory specification) auf den Markt, die von diesen Programmen genutzt werden. Doch auch dies hat Nachteile: Es entstehen zusätzliche Hardwarekosten und der Zusatzspeicher wird nicht optimal genutzt (zum Beispiel werden keine Zahlen in die Erweiterung ausgelagert). Man merkt dieser Lösung an, daß sie "aufgesetzt" ist. Die Entwicklung der Anwendungssoftware stößt hier an die Grenzen des PC-Betriebssystem-Standards. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser entwickeln wird.

Die Dateiverwaltung in integrierten Paketen mit Spreadsheet-Philosophie wird wohl immer ein Stiefkind bleiben. Die Anzahl der Zeilen (Anzahl Datensätze) und Spalten (Anzahl Felder) sowie die Zellengröße (Anzahl Zeichen pro Feld) unterliegt den Begrenzungen des Worksheets und natürlich des vorhandenen Speichers. Für ernsthafte Datenbankanwendungen kommen deshalb meistens (programmierbare) Einzelprogramme zur Anwendung. Wichtig ist dann eine gemeinsame Schnittstelle (zum Beispiel "dBase" zu "Symphony"). Denn Statistiken, grafische Auswertungen und Textbearbeitung sind in Datenbankprogrammen schwer oder gar nicht möglich. Hier ist der kombinierte Einsatz von integrierten Paketen und Einzelprogrammen sinnvoll.

Ein anderes Anwendungsgebiet ist bisher in den integrierten Paketen noch gar nicht berücksichtigt: Erstellung von freien Grafiken und Animation. Auch hier bestehen Schnittstellenanforderungen, um beispielsweise Zahlenmaterial für Geschäftsgrafiken zu übernehmen (zum Beispiel "Symphony" zu "Concord").

In vielen Unternehmen trifft man deshalb heute folgendes Bild an: Auf den meisten PCs wird ein integriertes Paket angewendet, mit dem die überwiegende Zahl der Anforderungen befriedigt werden kann. Für speziellere und komplexere Anforderungen werden Einzelprogramme entweder solo oder in Kombination mit dem integrierten Paket eingesetzt. In letzterem Fall wird dann die "Schwäche" oder "Lücke" des integrierten Pakets durch ein besseres oder anderes Programm ausgeglichen. Dabei hat das Information Center bei der Softwareauswahl vor allem darauf zu achten, daß die zusätzlich eingesetzten Programme möglichst untereinander, zumindest aber mit dem integrierten Paket Schnittstellen haben.

Da viele Endbenutzer gar nicht alle Möglichkeiten und Funktionen von integrierten Paketen nutzen und sie auch nicht brauchen, entsteht der Eindruck, etwas zu viel gekauft zu haben. Wenn auf die Vorteile einer einheitlichen Benutzerführung nicht verzichtet werden soll, stellen Programmserien hier (für jede Funktion ein separates Programm mit gleicher Menü- und Hilfegestaltung) eine Alternative dar. SPI, die Entwickler von "Open Access, dem ersten integrierten Paket am Markt, folgen diesem Trend und stellen die Funktionen ihres Pakets unter der Reihe "Access Four" als Einzelprogramme zur Verfügung. Auch Microsoft mit "Word", "Multiplan", "Chart" und "File" sowie die IBM (beziehungsweise Software Publishing) mit der "Assistant"-Reihe (beziehungsweise "pfs:Serie") gehen diesen Weg. Allen gemeinsam ist die Möglichkeit des Datenaustausches zwischen den Programmen der Serie, den jedoch der Benutzer selbst erledigen muß.

Solche Programmserien haben im allgemeinen den gleichen Nachteil wie integrierte Pakete; das heißt, sie sind für einzelne Funktionen sehr leistungsfähig, für andere wiederum nicht. Daher kommt auf das Information Center das gleiche Problem zu wie bei integrierten Paketen: Ergänzungen durch andere Programme in das Softwareangebot aufzunehmen und damit den Vorteil der Einheitlichkeit zu unterwandern. Der Preisvorteil der einzelnen Serienprogramme wird zum Teil wieder aufgehoben, indem viele Endbenutzer die komplette Programmserie vom Information Center anfordern oder nachfordern, weil sie sich sonst in ihren Möglichkeiten beschnitten fühlen.

Schlacht nicht gewonnen

So kann man also vorerst weiterhin damit rechnen, daß sich die "Symphonys", "Frameworks", "Excels" , "Knowledgemans" etc. auf den PCs der Unternehmen behaupten können und durch neue Betriebssystemmöglichkeiten noch leistungsfähiger werden. Damit ist aber die Softwareschlacht für diese Pakete noch nicht gewonnen. Mit dem stufenweisen Rückzug der IBM aus dem bisherigen Industriestandard und ihren Bestrebungen, selber einheitliche, vertikal über die Hardwareproduktlinie integrierte Softwareprodukte (SAA) anzubieten, kann sich die Softwarewelt durch die Integration der gesamten Informationsverarbeitung eines Unternehmens auch für die PCs noch entscheidend verändern.

*Wolfgang Steinbach ist Gruppenleiter Endbenutzersysteme beim INA Werk Schäeffler KG in Herzogenaurach.