Alternative zum "zentralistischen Postkonzept":

Auch privates Btx-System für jeden offen

24.08.1984

Was ist ein privates Btx-System? In England oder den Niederlanden und neuerdings auch in den USA eine Selbstverständlichkeit, so stößt diese Frage in Deutschland im allgemeinen auf Unverständnis. Zu groß ist bei uns der Einfluß der Bundespost, zu sehr wird Bildschirmtext, wie das Telefon, als eine ausschließlich der Post vorbehaltene Dienstleistung verstanden, als daß der Gedanke an private Btx-Systeme Fuß fassen könnte.

Der Externe Rechner (ER) ist in dem zentralistischen Konzept der Bundespost eine streng kontrollierte Erweiterung des Postsystems, nicht etwa ein paralleles, privates Btx-System mit einem echten Rechnerverbund, der auch den Übergang aus dem privaten Btx-System in das öffentliche System erlauben würde. Dies wäre technisch kein Problem, denn dafür wurden die Einheitlichen Höheren Kommunikationsprotokolle (EHKP) ja schließlich einmal entwickelt, als noch keiner an Btx dachte. Die "Lösung", den externen Rechner wie ein Btx-Terminal im Teilnehmerbetrieb zu betreiben und die Verbindung über Telefon herzustellen, obwohl eine Datex-P-Verbindung besteht, ist technisch gesehen unbefriedigend.

Bezeichnend für unser deutsches Verständnis von Bildschirmtext ist weiter, daß streng zwischen dem "Externen Rechner" und "Inhouse-Systemen" unterschieden wird (man muß hier nur in die Seminarankündigungen einschlägiger Veranstalter schauen), als ob der Rechnerverbund nicht nur eine von mehreren Zugangsmöglichkeiten zu einem privaten Btx-System darstellen könnte.

Eine Abgrenzung der Begriffe soll dies verdeutlichen:

1. Privates Btx-System: Hierbei handelt es sich um eine Hardware/Software-Kombination, die dem Benutzer mindestens den Funktionsumfang eines öffentlichen Systems gewahrt und - normalerweise - zusätzlich echte Datenverarbeitungsmöglichkeiten eröffnet, so daß jedes beliebige Anwendungsprogramm im jeweiligen nationalen Standard (in Deutschland Cept) angeboten werden kann.

Die Zugangsmöglichkeiten zu einem solchen privaten Btx-System lassen sich klassifizieren in X.25- (zum Beispiel EHKP-Gateway, PAD) und V.24-Anschlüsse (wie Telefon-Wählleitung 1200/75 oder 1200/1200 Bit pro Sekunde). Ein privates Btx-System kann, wie das Postsystem, für Jeden zugelassenen Teilnehmer offen sein. Für solche Systeme gibt es eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. Nehmen wir das Beispiel eines Großhändlers in einer Großstadt wie München oder Hamburg, der für seine mittelständische Klientel ein Bestell- und Produktaufkunftssystem einrichten will. Der größte Teil der Kunden würde das private Btx-System dieses Großhändlers zu Telefon-Ortstarif direkt anwählen können ohne zusätzliche Datex-P-Kosten für den Rechnerverbund. Warum sollte dieser Großhändler sein System ausschließlich über den umständlicheren und - dank neuer IBM-S/1-Technik - nicht gerade schnellen Umweg über das Postsystem zugänglich machen?

Ein Problem allerdings bleibt: Die Bundespost wird den überwiegenden Teil der Teilnehmer mit Hilfe des automatisch wählenden Btx-Anschlußgerätes DBT03 auf diesen Umweg zwingen. Denn wer weiß schon, welche Vorteile eventuell ein DBT03 mit manueller Wahl hat? Auf den Antragsformularen ist diese Möglichkeit, die interessante private Btx-Lösungen ermöglichen würde, nicht einmal vorgesehen. Ein Vorschlag wäre, das DBT03 standardmäßig mit einem von außen zugänglichen Umschalter zu versehen. Heute ist die Umschaltung nur durch die Post möglich.

2. Btx-Inhouse-Systeme: Genaugenommen handelt es sich hierbei um den Sonderfall eines privaten Btx-Systems, bei dem der Zugang beschränkt ist auf die Mitarbeiter einer bestimmten Organisation und wobei der Anschluß inhouse direkt oder über die Telefonnebenstelle erfolgt. Denkbar sind auch Inhouse-Systeme in Großunternehmen und Verwaltungen, die mehrere Standorte miteinander verbinden.

3. Externer Rechner: Eigentlich drückt dieser Begriff nur den Blickwinkel der Post aus, das heißt, ein privater Rechner kann vom Btx-System der Post angewählt werden. Hierbei ist natürlich nicht erforderlich, daß dieser private Rechner auch ein privates Btx-System im oben beschriebenen, umfassenden Sinne darstellt. Letztlich genügt ein Datex-P-Anschluß und eine EHKP-Software für die Ebenen 4 und 6. Die Anwendung, beispielsweise ein Bestellsystem, muß dann das Presentation Image, den eigentlichen Cept-Standard, enthalten.

Private Bildschirmtextsysteme beziehungsweise Inhouse-Systeme können natürlich ebenfalls über einen Anschluß an das Postsystem verfügen. In diesem Fall ist der Rechnerverbund nichts anderes als eine weitere Zugangsmöglichkeit zu allen Funktionen des privaten Btx-Systems. Insbesondere können die dort bereits vorhandenen Werkzeuge für die Erstellung von Anwendungen und die Verwaltung eines Btx-Systems genutzt werden, wodurch sich die Aufwendungen entscheidend verringern.

Die Anforderungen an komplexe Btx-Lösungen lassen sich bei genauer Analyse wirtschaftlich nur durch Btx-Softwaresysteme lösen, die die Möglichkeiten bieten, alle Zugangswege in der jeweils optimalen Weise zu kombinieren. Rechnerverbund ist hier nur eine von vielen Möglichkeiten.

*Dr.-Ing. Carl F. Ritter ist Geschäftsführer des IDO Instituts für Datentechnik und Organisation GmbH, Düsseldorf.