Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik in NRW setzt auf User-Verantwortung:

Auch ohne OSI-Management heterogener Verbund

01.09.1989

Auf den Pfaden einer offenen System-Welt wandert das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS) in Nordrhein-Westfalen (NRW). Schon Mitte der 70er Jahre, noch vor der OSI-Standardisierung, begann die Behörde mit der Vorbereitung eines offenen Kommunikationssystems, das unter dem Namen "Datenvermittlungssystem Nordrhein-Westfalen" (DVS) bekannt wurde.

*Maria Palarz-Kupka ist Dezernentin im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Nordrhein-Westfalen

DVS, das Ende der 70er Jahre in Betrieb ging, sichert heute die Kommunikation zwischen rund 230 DV-Systemen unterschiedlicher Hersteller (IBM, Siemens, Bull, Nixdorf, Kienzle, Prime und andere) mit zirka 20 Betriebssystemen vom Arbeitsplatzcomputer bis zum Großrechner. Basis für die Datenkommunikation im DVS sind von Herstellern unabhängige Kommunikationsverfahren unter Berücksichtigung existierender Normen mit schrittweiser Anpassung an die weitere OSI-Entwicklung. Voraussetzung dazu sind allerdings leistungsfähige Netzmanagement-Tools, ohne deren Existenz ein heterogenes Verbundnetz von der Größe des DVS nicht realisierbar wäre.

Eine Vielzahl von Anwendungen der Datenfernverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung NRW wird inzwischen über das DVS abgewickelt: Zum Beispiel Justiz- und Vermessungsverwaltung, Bildungsplanung, Wasser- und Abfallwirtschaft, Gewerbeaufsicht, Umweltschutz. Im DVS haben sich folgende Funktionen bewährt:

- ein automationsgestütztes technisches Management,

- ein Testzentrum für Verbundprotokolle,

- Betriebsunterstützung und Nutzerbetreuung,

- Leistungskontrolle und Statistik, die alle unterschiedlichen Management-Funktionsbereichen nach OSI zuzuordnen sind.

Nutzerservice mit vier Basisdiensten

Um die Akzeptanz der zentralen Angebote zu erhöhen, wurde bei ihrer technischen und organisatorischen Realisierung besonderer Wert darauf gelegt, daß weitgehend auch andere Personen und Gruppen individuell und eigenverantwortlich die Dienste nutzen können.

Viele Managementinformationen und -funktionen stellt das DVS allen Teilnehmern durch den DVS-Nutzerservice, mit den Basisdiensten:

- "DVS-Informationsdienst",

- "DVS-Briefdienst",

- "DVS-Aktuell",

- "DVS-Kundendienst"

zur Verfügung. Auch technisch ist der Zugang kein Problem, denn dazu müssen bei den angeschlossenen Systemen keine zusätzlichen Funktionen implementiert werden. Benötigt wird lediglich das im allgemeinen vorhandene DVS-Dialogprotokoll.

Informationen zur Einsatzbereitschaft des DVS beziehungsweise der angeschlossenen DV-Systeme, zu Ansprechpartnern (Adressen, Implementierung der Prozeduren in den einzelnen Systemen, Realisierungsstand), Hinweise zur Nutzung von Datenbanken, Einzelheiten zur DVS-Technik, kurze Benutzungshinweise zur Ausführung der DVS-Prozeduren und Beschreibungen des DVS-Nutzerservice bietet der "DVS-Informationsdienst", der mittlerweile eine hohe Akzeptanz gewonnen hat. Besonders Betreuer fachlicher Bereiche nutzen die Möglichkeit, auch eigenverantwortlich verschiedene Informationen für die zu betreuenden Gruppen anzubieten.

Aktuelle Informationen, wie Bulletin-lnformationen, Informationen zur Einsatzbereitschaft des Netzes und einzelner angeschlossener Systeme, Zustände der Hosts, geplante Unterbrechungen und Konfigurationsänderungen, Benutzungshinweise zeigt "DVS-Aktuell" - das elektronische "schwarze Brett" des DVS an. Auch hier können die Fach- und Systembetreuer, Organisatoren und DVS-Teilnehmer selbst Informationen einbringen.

Der "DVS-Briefdienst" erlaubt den Austausch von Informationen zwischen einzelnen Personen oder auch Gruppen, zwischen Nutzern und Koordinationsstellen. Durch die Briefe können alle DVS-Teilnehmer auch Vorschläge, Anregungen, Wünsche und Kritik an den Netzbetreiber richten.

Wegen der großen Anzahl und räumlichen Verteilung der Komponenten (Nutzer, Netz, Partnersysteme), der großen Komplexität und Funktionalität, der unterschiedlichen Betriebssysteme (unterschiedlicher Hersteller) sowie der firmenübergreifenden Kommunikationsbeziehungen stellen Fehlererkennung, -lokalisierung und -behebung im

Netz wesentliche Probleme dar. Sehr hilfreich sind hier Werkzeuge zum Testen der einzelnen Verbundkomponenten (das Testzentrum), Trace-Einrichtungen, Echo-Funktionen, Schnittstellenprüfer, Protokollanalysatoren, Monitorgeräte.

DVS-Teilnehmer haben auch die Möglichkeit, aufgetretene Störungen und Schwierigkeiten an eine zentrale Stelle, den "DVS-Kundendienst", zu melden. Technisch steht für diese Zwecke umfangreiche Software auf einem zentralen System im LDS zur Verfügung. Auf den am Verbund beteiligten Systemen ist keine zusätzliche Software erforderlich, benötigt wird auch hier das normale Dialogprotokoll.

Automatisierte Störungsmeldungen

lm "DVS-Kundendienst" werden die Meldungen zentral entgegengenommen und geeignete Maßnahmen zur Analyse und Behebung eingeleitet. Stellt ein Teilnehmer eine Störung fest, so kann er diese nach Aufbau der Verbindung zum DVS-Nutzerservice durch Eingabe eines einfachen Kommandos melden.

Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß vom Bediener manuell eingegebene Störungsmeldungen in vielen Fällen keine optimale Basis für eine technische Bewertung bilden. Außerdem ist der Aufwand für den betreffenden Bediener häufig lästig und unangenehm. Manuelle Störungsmeldungen sind zwar notwendig und sinnvoll, sie bedürfen aber der Ergänzung durch weitere Hilfsmittel. Hier hat sich die automatische Störungsmeldung und Störungserfassung bewährt. Die Funktion "Automatische Störungsmeldungen" ist als zusätzlicher Prozeß realisiert, der auf den angeschlossenen Systemen mit der DVS-Software gestartet wird.

Automatische Störungsmeldungen ermöglichen eine technisch präzise Erfassung von Störungsart und Zeitpunkt des Auftretens. Der Bediener wird entlastet. Ohne zusätzlichen manuellen Eingriff sorgen Funktionen in lokalen DV-Systemen bei Verbund- und Betriebsstörungen für die schnelle Weiterleitung der exakten Störungsinformationen an den DVS-Kundendienst.

Jede Störung wird automatisch mit allen wichtigen Daten, wie Text der Störungsmeldung/Fehlercode, Adresse des meldenden Systems, Adresse des fehlerhaften Systems, Datum und Uhrzeit des Eintreffens der Störungsmeldung in einer Störungsdatei protokolliert. Auch die Daten über den Verlauf der Bearbeitung und Behebung der Störung werden langfristig gespeichert und stehen somit für unterschiedliche Auswertungen, die zum Beispiel der Verfügbarkeitsstatistik, der Schwachpunkterkennung dienen, zur Verfügung.

Störungsmeldungen (manuell beziehungsweise automatisch) werden natürlich nicht beliebigen Interessenten angezeigt. Auf Wunsch können jedoch Betreuer, Organisatoren und Nutzer Übersichten über die vom eigenen Bereich gemeldeten Störungen mit Zeitangaben, Meldetext und weiteren Einzelheiten erhalten.

Eine wesentliche Aufgabe des DVS-Kundendienstes ist es, die Nutzer über den Verlauf der Bearbeitung der gemeldeten Störungen zu informieren. Sind die Störungen auch für andere Nutzer interessant, so werden die Informationen in "DVS-Aktuell" für alle zugänglich gemacht.

Eigenständigkeit des DVS-Anwenderprojekts

Bei individuellen Problemen werden gegebenenfalls zusätzliche Informationen über den Stand der Bearbeitung der jeweiligen Störung mit Hilfe des DVS-Briefdienstes bereitgestellt. Nähere Informationen dazu sind in der DVS-Literatur zu finden.

Bei erstmalig durchgeführten neuen Testverfahren oder Stichproben ist immer wieder feststellbar, daß trotz aller Anstrengungen und Erfolge im DVS eine gewisse Dunkelziffer von Störungen existiert. Das Problem sind hierbei nicht die eindeutigen Fehler, die sofort den Betrieb unterbinden. Viel schwieriger zu erfassen sind die unentdeckten Schwächen, die über lange Zeit die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

Von besonderer Bedeutung für das Betriebsverhalten im DVS sind daher auch regelmäßige Messungen von Zeitfaktoren (zum Beispiel Antwortzeitverhalten von Zielrechnern). Im Bereich des DVS-Nutzerservice hat sich ein Verfahren bewährt, bei dem unter Berücksichtigung von vorgegebenen Zeitschranken und gewünschten Häufigkeiten nach einem statistisch begründeten Verfahren automatisch Messungen des Zeitverhaltens und der Verfügbarkeit von Verbundkomponenten beziehungsweise Verbundanwendungen durchgeführt werden.

Das zentral installierte, messende System zeichnet hierbei die Meßdaten für Einzelschritte wie "Verbindungsaufbau" oder "typischer Dialogschritt in der Anwendung" auf. Die auf diese Weise gewonnenen Daten können dann geeignet zusammengefaßt und aufbereitet werden (Grafiken, Tabellen). Sie bilden ein wirkungsvolles Hilfsmittel zur Überwachung der technischen Leistungsfähigkeit, zur Erkennung von Schwachstellen und zur Leistungsverbesserung.

Diese Hilfsmittel können in Absprache mit zuständigen Koordinatoren und Betreuern gezielt eingesetzt werden. Eine universelle Grundsoftware für automatische Messungen und für die Aufbereitung der gewonnenen Daten ermöglicht, daß auch den speziellen Bedürfnissen einzelner Nutzergruppen Rechnung getragen werden kann.

Auf Wunsch werden auch Auswertungen über bestimmte Zeiträume (Tabellen, grafische Darstellungen) regelmäßig oder im Bedarfsfall vorgelegt.

Die Zeitmessungen haben sich im DVS für folgende Einsatzbereiche besonders bewährt:

- Messung des Antwortzeitverhaltens von Partnersystemen durch eine neutrale Instanz,

- Überprüfung des Antwortzeitverhaltens des eigenen Systems (zum Beispiel Analyse der Auswirkungen lokaler Systemänderungen oder Systembelastungen),

- Prüfung der Erreichbarkeit eines Partnersystems,

- Initiierung der Funktion durch Bedienereingabe oder durch Einbindung in eigene Programme,

- Überprüfung der Erreichbarkeit aller für die betreute Anwendergruppe wichtigen Anwendungen zu Tagesbeginn,

- Ergänzung anderer Test- und Optimierungsarbeiten.

Neukonfigurierungen des Netzes wegen neuer Geräteanschlüsse, Änderungen der Netztopologie oder Änderungen der Verkehrslast ergaben die Notwendigkeit, alle Konfigurationsdaten zu verwalten. In Konfigurationsdateien werden Informationen über Hardware, Software, Anwendungen, Standort und Kontaktadressen technischer und organisatorischer Betreuer gesammelt. Für die Aktualität der Daten sorgen der Netzbetreiber, der Fachbetreuer und der Organisator.

Im Rahmen des Directory-Services sind im DVS ein netzglobales Adreßschema und Adreßräume festgelegt, die die Zuordnung der Netzadresse zur Transportschichtadresse und zum Namen des Teilnehmers sichern und fachlich zusammenzugehörende Teilnehmer zu Gruppen zusammenfassen.

Der Netzbetreiber pflegt Informationen über die aktuelle Netzkonfiguration, aktuelle Zustände der Leitungen, Verfügbarkeit und Kosten der Netzleitungen, Verkehr im Netz, geplante Unterbrechungen und Konfigurationsänderungen. Aufgrund unterschiedlicher Informationen (Netzwerkstatistik, Gebührenberechnung und anderes) wird die Konfiguration des Netzes optimiert. Dies geschieht durch Einstellung von Leistungs- und Protokollparametern, den Managementobjekten, die die Forderungen der einzelnen Managementfunktionsbereiche berücksichtigen müssen.

Mit DVS wurde ein Anwenderprojekt vorgestellt, dessen Gesamtkonzept eine besondere Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit des Anwenders beinhaltet. Die Erfahrung hat gezeigt, daß auch in dieser heterogenen Anwendungs- und Systemstruktur unter Verzicht auf herstellerorientierte Kommunikationsverfahren die Problematik beherrschbar ist.

Die Netzwerkmanagementfunktionen, die bei DVS im Einsatz sind, bieten erhebliche Vorteile sowohl für Netzbetreiber, Fach- und Systembetreuer als auch für Organisatoren und Nutzer. Die Informationen werden für die unterschiedlichen Gruppen schnell und wirkungsvoll ausgewertet, bearbeitet und verteilt.

Zum heutigen Zeitpunkt ist OSI-Netzwerkmanagement noch ein weitgehend offener Problembereich - Normen sind zwischen 1989 und 1991 zu erwarten -, in dem mit pragmatischen Zwischenlösungen gearbeitet werden muß.