Auch Investitionsentscheidungen im DV-Bereich fallen immer schwerer:VBs müssen Klinken putzen wie noch nie

17.07.1981

MÜNCHEN - Im letzten Jahr hatte die Investitionstätigkeit der Unternehmen geradezu geblüht. 1980 noch hatte das Investitionsgüter produzierende Gewerbe In der Bundesrepublik verglichen mit dem Vorjahr ein Fünftel mehr in die Bruttoanlageinvestitionen gesteckt. Im laufenden Jahr indes zeigen sich, nach Untersuchungen des Münchner Ifo-Institutes, deutliche Abschwächungstendenzen. Die geplanten Investitionen dieser Branche sind mittlerweile auf müde drei Prozent plus gelandet.

Auswirkungen dieser winzigen Planansätze können in den Auftragsbüchern der DV-Vertriebsbeauftragten nachgelesen werden. Die Unternehmen tun sich in ihren Entscheidungen für den Ausbau ihres Rechenzentrums schwer. Bei der herrschenden Investitionsunlust der bundesdeutschen Industrie kostet es die Vertriebsbeauftragten (VB) der Computerhersteller viel Schweiß, ihr Grundgehalt um die Prämie für hundertprozentige Leistung aufzubessern.

"Die VBs müssen Klinken putzen wie nie zuvor," beurteilt Rotger H. Greve, im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater, Fachgruppe Datenverarbeitung, für die Presse zuständig, aus seinen Erfahrungen die DV-Konjunktur. Die Männer und Frauen, die die Computerhersteller an die Verkaufsfront schicken, haben gegenwärtig kein leichtes Spiel, die Auftragsbücher ihrer Brötchengeber zufüllen.

Verglichen mit dem Vorjahr fallen die Auftragseingänge zwar noch hoch aus, die Steigerungsraten haben jedoch abgenommen. Die Nixdorf Computer AG, Paderborn, gibt für die ersten fünf Monate des laufenden Jahres einen Umsatz an, der um ein Viertel über dem des entsprechenden Vorjahreszeitraumes liegt. Der Auftragsbestand habe sich Angaben eines Sprechers zufolge um 24 Prozent erhöht. Der offiziellen Stellungnahme von Nixdorf nach investieren Unternehmen aller Größenordnung weiter in die Datenverarbeitung, um ihre Produktivität zu erhöhen.

Honeywell Bull in Köln gibt sich dieser Behauptung gegenüber schon wesentlich skeptischer. Von Klinkenputzen könne zwar nicht die Rede sein. Als Tatsache müsse man aber im Augenblick feststellen, daß ein potentieller Anwender heute länger prüft, für welche Anlage er sich entscheidet. Anzeichen für ein schleppendes Bestellverfahren seien seit der diesjährigen Hannover-Messe wahrzunehmen. Die wirtschaftliche Lage, die mit dem hohen Zinsniveau Hand in Hand gehe, trage zu dieser vorsichtigen Haltung der Unternehmen bei. Konzernweit, so erklärte der frischgebackene Vorstandsvorsitzende der CII-Honeywell Bull, Maxime Bonnet, erhöhte sich der Auftragsbestand trotz Konjunkturtief im ersten Halbjahr 1981 gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent.

Doch wurde dieses Plus - zumindest in der Bundesrepublik, für deren HB-Finanzen Haribert Blum zuständig ist - "sehr viel mühsamer" als in früheren Jahren erreicht. "Wenn der Leiter des Rechenzentrums mit dem Wunsch nach einer neuen Anlage zur Unternehmensleitung kommt, wird er häufig mit der Frage abgespeist: Tut's die alte nicht noch?"

Nachfrage stagniert

Die Nachfrage nach Investitionsgütern, und nicht nur nach Computern, tritt auf der Stelle. Real, das heißt preisbereinigt, fiel der Auftragseingang der Investitionsgüterbranche nach Angaben des Bundeswirtschaftsministerium im Mai, dem letzten verfügbaren Monat, um insgesamt zwei Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr nahmen die Bestellungen aus dem Inland um 0,4 Prozent ab. Der Ordereingang aus dem Ausland fiel um vier Prozent zurück. Von April auf Mai gingen die inländischen Bestellungen industrieweit preisbereinigt um 6,5 Prozent zurück. Die Auslandsorder sanken sogar um zehn Prozent.

Von diesem Absacken der Orders merkte Digital Equipment GmbH, München, allerdings nichts. Im OEM-Bereich bezeichnete eine Sprecherin des Unternehmens die Entwicklung als positiv, als sehr gut wertete sie den Bestelleingang im Mikro-Bereich. Die Nachfrage nach Minicomputern nannte sie "erfreulich". Zu wünschen übrig ließe lediglich der Universitätssektor. Die Etatkürzungen, die der neue Forschungsminister von Bülow vornahm, blieben auf die Nachfrage von DEC-Systemen nicht ohne Wirkung.

Rationalisierungsnachweis fällt schwer

Keiner, auch ein DV-Hersteller, gibt gerne zu, daß sein Produkt weniger gefragt ist. Die zögernd fallenden Investitionsentscheidungen müssen sich jedoch in den Auftragsbüchern niederschlagen. Auch große Unternehmen der DV-Branche haben nach Ansicht von Insidern Rückgänge im Auftragseingang zu verzeichnen. Die Angaben eines inländischen DV-Herstellers über den Bestellzuwachs sollen nicht mit den Zahlen in den Büchern dieses Unternehmens übereinstimmen. Bisher an zweistellige Zuwachsraten gewohnt, wolle man dort den Rückgang nicht öffentlich eingestehen.

Der Leiter der Datenverarbeitung in einem Unternehmen hat Schwierigkeiten, seine Pläne der Unternehmensleitung zu verkaufen. Nach Ansicht von Greve fällt es ihm schwer, die Wirtschaftlichkeit der Neuerung nachzuweisen gegenüber demjenigen, der ihm das Geld bewilligen soll. "Auch Rationalisierungsinvestitionen müssen finanziert werden."

Wenn investiert wird, so nach den Erfahrungen von Greve, dann in die Software. Die Hardware-Ausstattung werde gegenwärtig vernachlässigt Investitionspläne würden nicht expressis verbis zurückgestellt; es komme einfach keine Entscheidung zustande.

Die Siemens AG, München/Berlin gesteht einen Rückgang im Auftragsvolumen ein. Für den unteren Anlagenbereich bleibt der Optimismus erhalten. In einem Statement des Unternehmen heißt es: "Die meisten der auf dem DV-Gebiet tätigen Unternehmen erzielten in den Jahren 1979 und 1980 zweistellige Umsatzsteigerungen. Für die Zukunft erwarten wir - insbesondere für mittlere und große Anlagen - eine Abschwächung der Zuwachsraten. Wir rechnen aber für das laufende Geschäftsjahr, auch für die nächsten Jahre, mit einem Wachstum der DV-Branche von zehn. Prozent im Jahr." Für 1980/81 erwartet Siemens eigenen Angaben zufolge sowohl im Auftragseingang als auch im Umsatz eine Steigerung, die sich im Rahmen dieser Marktentwicklung von rund zehn Prozent im Jahr bewegt.