Auch internationale Kunden koennen per Telefon bestellen Als erstes Unternehmen bietet Power Computing Mac-Clones an

27.04.1995

MILPITAS (CW) - Als erster Anbieter von Macintosh-Clones schwimmt die Power Computing Corp. (PCC) im Kielwasser der Apple Computer Inc. Mit drei Modellen, die auf der 601-CPU der Power-PC- Architektur basieren, tritt Firmengruender Steve Kahng gegen Apples "Power-Macintosh"-Systeme an und will mit niedrigen Preisen Kunden anlocken.

An Ostern stellte Kahng (ausgesprochen "Kong") die jeweils als Desktop- und Tower-Konfigurationen ausgelegten Modelle "Power 80", "Power 100" und "Power 110" vor. Die Rechner konkurrieren direkt mit Apples Power-Mac-Systemen "7100" und "8100". Da die PCC- Rechner hundertprozentig kompatibel zu den Mac-Rechnern sind, koennen sie saemtliche fuer die Apple-Rechner entwickelten Softwarepakete nutzen. PCC wird die Systeme per Direktvertrieb an den Mann bringen. Anlaufstelle fuer telefonische Bestellungen ist das Operations Center in Austin, Texas.

Die ersten Clones liefert Kahng ab Anfang Mai in den USA aus. Der internationale Vertrieb soll ueber OEM-Partner in Europa und Asien laufen. Vertragsabschluesse stehen allerdings noch aus.

Power Computing befindet sich im Privatbesitz, groesster Anteilseigner ist die Ing. C. Olivetti & C. Spa. 1993 hatte Olivettis Vice-Chairman Elserino Piol Kontakt mit dem 45jaehrigen Kahng aufgenommen. Die De-Benedetti-Firma suchte fuer ein Start-up- Unternehmen, das Power-Mac-Clones produzieren sollte, einen Chef. Dabei war dem Italiener Piol der Suedkoreaner Kahng wegen seiner Workaholic-Mentalitaet und bescheidenen Lebensansprueche aufgefallen. Als Anfangskapital investierte Olivetti fuenf Millionen Dollar in PCC, Kahng steuerte vier Millionen Dollar bei.

Trotz dieser engen Bindungen scheinen die Italiener nicht geneigt, selbst als PCCs OEM-Partner in Europa aufzutreten. Rolf Kakrow, Sprecher der deutschen Olivetti-Dependance, teilte auf Anfrage mit, man habe "keine Plaene oder Ueberlegungen, die Power-Macintosh- Clones zu vertreiben".

Trotzdem sollen ab Juli die PCC-Computer in grossen Stueckzahlen in alle Welt verschifft werden. Interessant ist, dass PCC ausdruecklich anmerkt, auch internationale Kunden koennten ueber die Power Computing Mail-Order Operations in Austin telefonisch Bestellungen aufgeben.

King Kahng, wie der PCC-Chef im Silicon Valley wegen seiner erfolgreichen Vergangenheit als Hersteller von IBM-PC-Clones (vermarktet von der Leading Edge Products Inc.) genannt wird, hat aber offensichtlich schon ein paar Fische an der Angel: "Wir befinden uns in abschliessenden Verhandlungen mit je zwei europaeischen und zwei asiatischen Unternehmen", die als OEM- Partner die Power-Mac-Clones vertreiben sollen. Alle wuerden erste Produkte bereits innerhalb kuerzester Zeit ankuendigen.

Wie Kahng ferner sagte, besitzt PCC auch Lizenzrechte, Apples zukuenftige Power-Mac-Generationen nachzubauen. Innerhalb von zwei Monaten, nachdem Apple seine ersten auf dem PCI-Bus-Standard basierenden Power-Macs vorgestellt haben wird - Insider gehen von einem Termin im Juni 1995 auf der New Yorker Messe PC-Expo aus -, koenne PCC mit eigenen Modellen nachziehen. Darueber hinaus verhandle man gerade mit Apple ueber das Recht, auch die "Powerbooks", Apples tragbare Rechner, nachbauen zu duerfen.

Power Computing setzt seine mit 80, 100 und 110 Megahertz getakteten Rechner nicht nur durch den Preis von den originalen Power-Macs ab. Neben einem leistungsstaerkeren 4X-CD-ROM-Laufwerk (vierfache Geschwindigkeit) ruestet Kahng die Systeme mit mindestens 8 MB Arbeitsspeicher, einem 512 KB grossen Second-Level- Cache, 2 MB Videospeicher und einer High-Performance-Video-(HPV- )Card aus. Letztere entspricht Apples HPV-Design.

Inklusive des Mac-Betriebssystems und eines Softwarepakets, zu dem unter anderem "Claris Works 3.0", das Finanzprogramm "Quicken 5.0" von Intuit, "Bitstream Fonts" mit 300 Truetype- und Type-1-Fonts sowie diverse Hilfsprogramme gehoeren, kostet ein Power-80-Modell rund 2000 Dollar. Ein vergleichbarer Power-Mac-Rechner von Apple ist demgegenueber rund 700 Dollar

teurer. Die Preise der Tischgeraete liegen zwischen 2000 und 2600 Dollar, bei den Tower-Varianten hat sich Kahng noch nicht festgelegt.

Kahng-Kunden erhalten mit den Rechnern eine 30-Tage-Garantie, innerhalb derer sie die Systeme gegen Erstattung des Kaufpreises wieder zurueckgeben koennen. Ausserdem erwerben die Kaeufer waehrend der gesamten "Lebenszeit" der Rechner das Recht auf eine gebuehrenfreie Unterstuetzung via Telefon. Fuer den Service vor Ort werde ein Dienstleistungsunternehmen angeheuert.

Fuer Apple bedeuten die PCC-Clones einen gravierenden Einschnitt in der Firmengeschichte: Erst im Herbst vergangenen Jahres rang man sich in der Zentrale in Cupertino dazu durch, ein ehernes Gesetz zu durchbrechen: Keine Lizenzvergabe der Apple-Architektur und damit auch keine Oeffnung der Macintosh-Plattform.

Viele Brancheninsider hielten den eineinhalb Jahrzehnte gepflegten Isolationismus von Steven Jobs und John Sculley fuer einen klassischen und geschichtstraechtigen Fehler. Unter anderem dieser als verfehlt angesehenen Firmenstrategie schreiben Experten die ruecklaeufigen PC-Marktanteile Apples am US- und Weltmarkt zu.

Apple wandelt auf absolutem Neuland

Mit dem Eintritt von PCC in die DV-Welt wandelt nun auch die Firma des deutschen Topmanns Michael Spindler auf absolutem Neuland. Ironischerweise koennte sich mit der vergleichsweise winzigen Kahng-Firma das Schicksal von Apple verbinden: Sollte Kahng - und in der Folge weitere Mac-Cloner - mit seinen Power-Systemen ueberwaeltigenden Erfolg haben, koennte dies unter Umstaenden die Umsaetze von Apple unterminieren. Wird das PCC-Unternehmen ein Flop, koennte dies in der Branche als Signal verstanden werden, dass die Apple-Architektur trotz eines bis dato ungeahnt guenstigen Preisgefueges keine Zukunft besitzt.

Fuer die Vermarktung will Koenig Kahng 100 000 Dollar in eine Anzeigenkampagne stecken. Gemessen an der strategischen Bedeutung, die seinen Produkten zukommt, ist es aber verschwindend wenig - ganz zu schweigen von den Betraegen, die Firmen wie die IBM zur Werbung fuer das OS/2-Betriebssystem beziehungsweise Microsoft fuer seine Image-Kampagne in aufwendige PR-Aktivitaeten stecken. Big Blue investierte rund 40 Millionen Dollar. Bill Gates liess sich nicht lumpen und pumpt den dreifachen Betrag in einen weltweiten Werbeetat zum hoeheren Lob seines Unternehmens und dessen Produkte.