Auch in der Schweiz Bildschirmtext:PTT starten Videotex-Betriebsversuch

26.11.1982

BERN (sg) - Die Möglichkeit, über das Fernmeldenetz Informationen aus Datenbanken abzufragen, 8011 nach den Vorstellungen der Schweizerischen PTT zukünftig nicht mehr nur professionellen Anwendern, wie diese zum Beispiel heute über das Euronet bestehen, vorbehalten bleiben. Mit einem groß angelegten Betriebsversuch, dem ein dreijähriger Pilotversuch mit rund 150 Teilnehmern voranging, will die PTT den Videotex (Telefon-Bildschirmtext) nun auch in die guten Stuben ihrer privaten Fernsehempfänger bringen.

Dies soll bereits ab Sommer 1983 der Fall sein und zwar nach Fertigstellung von zunächst zwei Betriebszentralen in Bern und Zürich. Der Betriebsversuch wird, den besonderen Gegebenheiten dieser Alpennation entsprechend, dreisprachig ausgestaltet und über einen Rechnerverbund den Anschluß an externe Datenbanken von Informationslieferanten ermöglichen.

Der Betriebsversuch mit Videotex in Bern und Zürich wird mit etwa gegen 2000 Teilnehmern abgewickelt. Der dann später einzuführende öffentliche Dienst Videotex wird so geplant, daß bis 1990 gegen 250 000 Teilnehmer angeschlossen werden können. Dies entspricht etwa acht Prozent der heutigen Telefonabonnenten in der Schweiz.

Viele Systemköche

Die PTT haben die Standard Telephon & Radio AG (STR) mit der Erstellung des Gesamtsystems, beziehungsweise der hierfür benötigten Zentralen, für den geplanten Videotex-Betriebsversuch beauftragt. STR wird sowohl die Hardware als auch die Software zu liefern haben. Die darin eingesetzten Computer stammen aus der VAX-Serie der Digital Equipment Corporation (DEC). Die Grundsoftware wird von der Infomart Kanada erworben und heißt "ITSS-Infomart". STR verwirklicht die Applikationen.

Die Hardware in den Zentralen besteht aus einem Zentralprozessor VAX 11/780, einem Systemdisk und einer Anschlußeinheit X.25 Telepac mit 48 KBit/s. Dazu kommen Datendisk, Drucker, Magnetbandstation, Konsole, Datensichtgeräte sowie ein Kommunikations-Subsystem mit Telefonnetz für 72 Eingangsleitungen 1200/75 Bit/s und 24 Eingangsleistungen 1200/1200 Bit/s.

Die Zentralen enthalten also auch Speichermöglichkeiten, die vorab zur Optimierung der Informationsspeicherung und Übertragung dienen. Diese Videotex-Zentralen sind die Bindeglieder zwischen den Informationsbeziehern und den externen Datenbanken, die über Computer mit CCITT-Schnittstellen am Telepac, dem Paketvermittlungs-Netz der PTT angeschlossen sind. Die externen Rechner dürften größtenteils in privater Hand sein. Ihre Zahl ist für die Dauer des Betriebsversuchs beschränkt.

Der Betriebsversuch wird, so stellte die PTT hierzu unlängst fest, erst dann in vollem Umfang aufgenommen werden können, wenn auch genügend Endgeräte, also TV-Empfänger mit CEPT-Standard-Decoder zur Verfügung stehen. Dies dürfte gegen Ende 1983 der Fall sein. Deswegen können die Versuche im zweiten Semester 1983 mit der ersten Zentrale wohl aufgenommen werden, richtig zum Tragen kommen sie aber voraussichtlich erst Anfang 1984.

Die Endgeräte werden von den Teilnehmern direkt beschafft, während die ebenfalls benötigten besonderen Videotex-Modems, die zur Zeit entwickelt werden, von den PTT im Abonnement abgegeben werden sollen.

Kosten ausschlaggebend

Über Erfolg oder Mißerfolg des neuen Mediums Videotex werden nicht zuletzt auch die Kosten eine wichtige, aus der Sicht der Informationsbezieher sogar eine ausschlaggebende Rolle spielen. Bei diesen Kosten ist zwischen einmaligen Investitionskosten und wiederkehrenden Abonnementskosten zu unterscheiden. Zur Grundausrüstung, welche sowohl beim Informationslieferanten wie beim Bezieher benötigt wird, gehört ein Videotex-taugliches, das heißt, mit einem speziellen Videotex-Decoder ausgerüstetes Farbfernsehgerät. In der Regel ist ein solcher Decoder bereits in das Grundgerät eingebaut oder kann als spezielles Zusatzmodul in das hierfür vorbereitete Gerät eingebaut werden. Daneben wird aber auch ein externer, das heißt, in einem separaten Gehäuse installierter Decoder angeboten.

Diese Grundausrüstung kostet heute zwischen 2300 und 3500 Franken. Der entsprechende Mietpreis schwankt zwischen 75 und 140 Franken pro Monat. Die Preisunterschiede sind im wesentlichen durch die Unterschiede wie etwa Größe der Bildröhre, Anzahl der Programme etc. der angebotenen Geräte bedingt. Normalerweise wird der Informationsbezieher keine spezielle Alphatastatur benötigen. Ihm genügt die zum Fernsehgerät gehörende Fernsteuerung als Videotex-Steuertastatur mit numerischer Eingabe.

Der Informationsanbieter hingegen braucht für den Aufbau und die Gestaltung seiner Videotex-Seiten zumindestens eine alphanumerische Tastatur. Da jedoch eine Online-Bearbeitung der Informationen mit den Videotex-Zentralen unwirtschaftlich und wegen fehlender Editierhilfen unpraktisch sein dürfte, wird eine Tastatur mit einem Arbeitsspeicher und der Anschlußmöglichkeit eines Kassettenrecorders erforderlich sein. Die hierfür eingesetzten Kosten betragen bis zu 4000 Franken.

Weitere Kosten, welche sowohl für den Informationslieferanten wie auch für den -bezieher anfallen, bestehen in der Leistungsverrechnung für die Kommunikationseinrichtungen der PTT. Dazu wird mindestens eine normale Amtsleitung, sowie ein mit einer zusätzlichen Umschalttaste für Datenübertragung versehene Tischstation erforderlich sein. Die Mietgebühr für diese Tischstation (Typ T 70 GRSTUT) beträgt 290 Franken. Für das Modem stellt die PTT für die Teilnehmer am Betriebsversuch einen Spezialpreis von 30 Franken pro Monat in Rechnung.

Den Informationslieferanten werden im weiteren monatlich Mietkosten für die Speicherbelegung in der Videotex-Datenbank verrechnet. Die Grundgebühr für 20 Seiten beträgt 30 Franken, für weitere Seiten kommt ein Staffeltarif in Anwendung. Zu alledem kommen dann noch die normalen Telefontaxen, die sich aus der Entfernung des Teilnehmers zur Videotex-Zentrale errechnen.

Auch hier wird die PTT den Teilnehmern am Betriebsversuch entgegenkommen. Bei einer Benützung von bis zu maximal 40 Stunden pro Monat wird ein Einheitstarif von 6 Franken pro Stunde für alle Teilnehmer in der ganzen Schweiz verrechnet.

Die Verrechnung der PTT erfolgt zweimonatlich auf der üblichen Telefonrechnung. Gleichzeitig erhält der Videotex-Teilnehmer einen separaten Benützungsdauer-Beleg, auf dem die wöchentliche Benützungsdauer des Videotex-Systems ausgewiesen wird.

Es wird noch Jahrzehnte dauern

Die Liste der am jetzt auslaufenden Pilotversuch interessierten Firmen macht deutlich, daß beim Videotex durchwegs finanzielle Interessen im Vordergrund stehen. Allein unter den Mitgliedern der für die Teilnahme an Videotex gegründeten Vereinigung SVIPA (Swiss Information Providers Association) finden sich eine Vielzahl von Presse- und Verlagsunternehmen wie zum Beispiel Ringier, die die Konkurrenz dieses neuen Mediums unter Kontrolle behalten möchten.

Weiter gehören aber auch Warenhäuser und der Versandhandel, die jetzt an den Moment denken, wo ihre Katalogseiten auf den Bildschirmen in die gute Stube flimmern, zum Kreis der Interessenten.

Doch fehlen noch Anbieter von Informationen. Was nicht zuletzt mit daran liegen mag, daß viele Leute nicht so recht an die Zukunft von Videotex glauben mögen. Es wird denn auch noch Jahrzehnte dauern, bis der Videotex zu "dem" wichtigen Informationsträger wird, den heute so manche darin sehen. Das soll allerdings kein Grund dafür sein, dieses Medium allein in den Händen jener zu lassen, die daraus eher ein neues Geschäft oder einfach einen zusätzlichen Werbeträger machen wollen als ein Instrument der Bildung und Information.