DDR auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1983 um Profilierung bemüht:

Auch im Comecon: Expandieren mit Mikroelektronik

29.04.1983

LEIPZIG - Unter dem Leitthema "Programmierte Effektivität durch Mikroelektronik" stellten sämtliche Comecon-Länder auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1983 (13. bis 19. März) in fast allen technischen Angebotsbereichen entsprechende Erzeugnisse und Anwendungslösungen vor. Erwartungsgemäß zeigte hier die DDR das breiteste Spektrum, aber auch die UDSSR gab einen vergleichsweise umfangreichen Überblick.

Neben der eigentlichen Messe standen auch zahlreiche Fachveranstaltungen im Zeichen der Mikroelektronik. Das galt insbesondere für den Internationalen Messekongreß "Effektive Rationalisierung und Automatisierung durch Mikroelektronik (ERAM '83)". Der DDR-Minister für Elektrotechnik und Elektronik, Felix Meier, nannte in seiner Eröffnungsansprache die Aufgabe des Kongresses: Er soll über den Erfahrungsaustausch wichtige Erkenntnisse vermitteln, wie die Mikroelektronik immer umfassender genutzt werden kann, um die Arbeit leichter und effektiver zu gestalten. Rund 400 Wissenschaftler und Praktiker sowohl aus dem Comecon als auch aus den USA, Japan, der Bundesrepublik Deutschland und anderen westlichen Ländern nahmen an diesem Kongreß teil.

In der DDR ist von der SED schon seit geraumer Zeit die Mikroelektronik zum Dreh- und Angelpunkt bei der Realisierung des geplanten Wirtschaftswachstums in den achtziger Jahren erhoben worden. Mit ihrer Hilfe soll in Produktion und Verwaltung spürbar rationalisiert und somit das technologische Gesamtniveau angehoben werden. Entsprechend enthielten besonders das Messeprogramm sowohl der Kombinate des Industriebereichs Elektrotechnik/ Elektronik als auch des Werkzeugmaschinenbaus zahlreiche Neu- und Weiterentwicklungen.

Grundlage hierfür ist vor allem das Schaltkreisangebot des VEB Kombinat Mikroelektronik Erfurt. Es umfaßt:

- 8-Bit-CPUs vom Typ U 880 und U 83 (NMOS);

- dynamische und statische RAMs (1024 x 1 Bit);

- 8 KBit-Festwertspeicher ROM;

- 8 KBit EPROM? s

- CMOS-Logik-IS (U 4000-Serie) sowie

- Ansteuer-IS.

Neues von Robotron

Den weitaus umfangreichsten Komplex nahmen jedoch rund 35 Neu- und Weiterentwicklungen von Robotron ein. Sie alle basieren auf den Mikrorechnersystem K 1520, K 1620 und K 1630. Es handelt sich hierbei vor allem um Geräte aus dem Erzeugnisprogramm "Dezentrale Datentechnik" und hiermit verbundene neue Problemlösungen.

So kann der Robotron-Mikrocomputer K 1630 neuerdings auch für eine digitale Bildverarbeitung eingesetzt werden. Die Einsatzgebiete des Bildverarbeitungssystems erstrecken sich laut Informationen zum Beispiel auf die Sofortauswertung und Interpretation von multispektralen meterologischen und kartografischen Bildern der Erde, die interaktive und automatische Analyse von thermografischen und tomografischen Abbildungen sowie die Verarbeitung von Mikroskopbildern in Medizin und Biologie.

Als Kernstück der "Anwendungslinie Rechnereinsatz in der Geldwirtschaft" wurde das erstmals vorgestellte Bank- und Sparkassenterminal robotron K 8924 hervorgehoben (interner RAM-Speicher für Daten und Anwendungsprogramme, aufrüstbar bis 60 KB). Geräte dieses Terminalsystems sind die Datenendstellen des EDV-Systems. Sie werden zum Beispiel an Bankschaltern sowie an anderen Dateneingabe- und Dialogplätzen installiert.

Besonders betont wurden die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Robotron-Bürocomputer A 5110 (4 KB RAM Datenspeicher) und A 5120 (4 KB bis 48 KB RAM Datenspeicher), so unter anderem in der Lagerwirtschaft, im Großhandel oder in der Industrie als Ingenineurarbeitsplatz zur Normteilberechtigung.

Mikro für die Prozeßautomatisierung

Mit einer Reihe von Neu- und Weiterentwicklungen warteten ebenso die DDR-Kombinate des Automatisierungsanlagenbaus sowie des Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbaus auf.

Die Produktion sowohl von numerischen als auch von Industrieroboter-Steuerungen ist in der DDR im VEB Numerik "Karl Marx" in Karl-Marx-Stadt konzentriert. Dieser VEB stellt auch in diesem Jahr verschiedene Erzeugnisse vor:

- Als Messeneuheit die Industrierobotersteuerung IRS 650, dargestellt im Einsatz an einer Schweißstation mit einem Gelenkroboter. Die Steuerung kann auf Grund ihres modularen Aufbaus universell für Roboter bis zu sechs Achsen eingesetzt werden. Nach Herstellerangaben zeichnet sie sich sowohl durch Teach-in-Programmierung als auch durch textliche Programmierung über ein Kassettenmagnetband aus. Die Funktionen der Steuerung werden durch Einsatz von LSI-Schaltkreisen und der CPU 880 auf der Grundlage des Mikrorechnersystems K 1520 realisiert.

- Die frei programmierbaren Steuerungen des Systems CNC 600 mit den Typenvertretern CNC 600-1, CNC 600-3 und CNC-H 646. Sie basieren ebenfalls auf dem Robotron-Mikrorechnersystem K 1520.

- Zu den weiteren Exponaten zählte ebenso das erstmals bereits vor einem Jahr vorgestellte speicherungsprogrammierbare Steuerungssystem PC 600. Dieses System steht in drei Ausbaustufen zur Verfügung (Basis jeweils: Mikrorechner K 1520) und ist vor allem zur Steuerung und Überwachung im Maschinen- und Anlagenbau einsetzbar.

Problemlösungen auf der Basis von Steuerungen

Bereits vor Jahren hat in der DDR die vorherrschende Klein- und Mittelserien- beziehungsweise Einzelfertigung (zirka 75 Prozent) zur Entwicklung von Bearbeitungszentren und flexiblen Fertigungssystemen geführt. Diesem Tatbestand entsprechend wurden auch in diesem Jahr wiederum speziell von den Kombinaten des Werkzeugmaschinenbaus der DDR neue Bearbeitungszentren, Fertigungszellen und Problemlösungen auf Basis von Steuerungen aus dem VEB Numerik Karl-Marx-Stadt vorgestellt. Hierzu zählten:

- als Messeneuheiten verschiedene Bearbeitungszentren mit Bahnsteuerung CNC 600;

- Fertigungszellen, ausgerüstet mit der Handeingabesteuerung CNC 600;

- technologische Problemlösungen sowohl für den Fahrzeugbau als auch für die Walzlagerindustrie, ausgerüstet mit Mikroprozessor-Steuerungen vom Typ PC 610 und PS 2000, der Beschickungssteuerung IRS 600 oder der Bahnsteuerung CNC H 645.

- Neben einer Vielzahl von Werkzeugmaschinen mit CNC-Bahnsteuerungen wurde als Messeneuheit auch eine "automatische Schweißstation" mit der Robotersteuerung IRS 650 zusammen mit dem fünfachsigen Gelenkroboter IR 10 E als Eigenentwicklung des VEB Kombinats Fortschritt Landmaschinen in Neustadt/Sachsen gezeigt. Wie es hierzu am Messestand hieß, befindet sich dieser Roboter noch im Stadium der Erprobung.

Wie westliche Beobachter 1980 festgestellt haben, hatte die DDR auf dem Sektor des Werkzeugmaschinenbaus mit Japan und den USA einen technologischen Stand erreicht der noch über dem der Bundesrepublik lag. Inzwischen haben sich hier jedoch Veränderungen zugunsten der Bundesrepublik ergeben, weil die DDR den erreichten Vorsprung nicht nutzen konnte. Grund hierfür war die gerade für zentrale Planwirtschaften typische Diskrepanz zwischen Forschung und Entwicklung und der Überleitung in die Produktion. Probleme hatte es bereits gegeben, weil das Kombinat Robotron nicht in der Lage war, die Mikrorechner für die Steuerungen an den VEB Numerik in ausreichender Anzahl zu liefern.

Es bleibt abzuwarten, wie sich in der DDR die Mikroelektronik trotz verschiedener Fortschritte in der kommenden Zeit entwickeln wird. Die Bemühungen der DDR, auf diesem Gebiet wenigstens annähernd mit der internationalen Entwicklung Schritt zu halten, scheint jedoch wegen der hohen Vorlaufkosten stark gefährdet. Wie Fachleute auf einer Mikroelektronik-Tagung des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften der DDR-Akademie für Wissenschaften in Ost-Berlin feststellten, erfordert die Weiterentwicklung der Mikroelektronik "gegenwärtig Aufwendungen in Größenordnungen, die von einem Land allein nicht getragen werden können". Um mit dem internationalen Niveau und Tempo bei Entwicklung und Anwendung der Mikroelektronik Schritt halten zu können, wurde angeregt, die hierbei auftretenden Fragen im Rahmen einer "internationalen sozialistischen Arbeitsteilung auf höherem Niveau" zu lösen.

Sowjetunion mit größerem Angebot

Verglichen mit den Vorjahren gewährte die Sowjetunion in ihrem Pavillon diesmal einen tieferen Einblick insbesondere in das Produktionsprogramm ihrer Bauelemente- und der rechentechnischen Industrie. Obwohl man auch auf dieser Messe zwar einerseits darum bemüht war, interessierte Besucher zu informieren, gab es andererseits doch wieder die schon typischen Probleme, weil zum Beispiel Kataloge oder Datenblätter, insbesondere über das gezeigte Schaltkreissortiment, offenbar begrenzt und nur in russischer Sprache vorrätig waren und lediglich einigen Interessenten aus Comecon-Ländern herausgegeben wurden.

Einen der Hauptanziehungspunkte bildeten ohne Zweifel die am Stand des Außenhandelsunternehmens Electronorgtechnica gezeigten integrierten Schaltkreise. Hierzu zählen insbesondere

- der "ECL-Mikroprozessorensatz, Serie 1800" mit 16-Bit-CPU,

- der "TTL-Mikroprozessorensatz mit Schottky-Dioden, Serie KP 1802" sowie

- NMOS-Mikroprozessoren (8 Bit) der Serie K 1801 ".

Daneben wurden weiterhin Low-power-Schottky-TTL, bipolare RAMs MOS-RAMs sowie MOS-EPROMs gezeigt.

Electronorgtechnica zeigte darüber hinaus noch verschiedene Rechnertypen:

- Den elektronischen Kleinrechner Nairi-41 aus dem Institut für mathematische Maschinen in Eriwan, dessen Serienproduktion bereits 1977 geplant war. Als Leistungsparameter wurden damals genannt: Zykluszeit der Zentraleinheit = 160 Nanosekunden, Mikroprogrammspeicher mit 96 Bit Wortlänge und 50 KBit Speicherkapazität sowie Halbleiterspeicher mit einer Kapazität von maximal 256 KB.

Dieser Rechner gilt als eine Weiterentwicklung des Systems Nairi-3.

- Mikrorechner aus dem Zentralen Wissenschaftlichen Forschungsinstitut "Elektronika" in Moskau, ausgerüstet mit CMOS-IS, und zwar die Typen NZ 80-01, NZ 80-20/1 sowie SM 180 und SM 1420.

Schließlich wurde als Gemeinschaftsentwicklung der Akademie der Wissenschaften der Ukainischen SSR, dem Zentralen Forschungsinstitut für Nachrichtenwesen der UdSSR, und dem Kombinat Robotron/DDR der "Steuerkomplex Newa 1 M für Vermittlungssysteme" auf Basis der Robotron-Zentraleinheit EC 2655 (EDVA EC 1055) als Beispiel der Kooperation sozialistischer Länder vorgestellt.

Die ungarische Daten- und Bürotechnik war in Leipzig durch drei Unternehmen vertreten. Die Videoton-Werke, größter Hersteller von DV-Systemen, stellten diesmal Erzeugnisse vor, die bereits schon vor einigen Jahren an gleicher Stelle zu sehen waren: Das Datenverarbeitungssystem SZM 52, das Kleinrechnersystem VT 20 sowie das Datensichtgerät VDT 52 100. Das Unternehmen Budavox zeigte das intelligente Terminalsystem TAP-34, und das Unternehmen IVG warb für Koffer- und Schreibmaschinen sowie für neue elektronische Abrechnungs- und Registrierkassen.

Bulgarien feierte in diesem Jahr sein 15jähriges Messe-Jubiläum in Leipzig und wartete mit einem für seine Verhältnisse recht umfangreichen Programm auf. So zeigte das Außenhandelsunternehmen ISO-Timpex als Messeneuheiten die beiden Textverarbeitungscomputer ISOT 1024 und 1025, verschiedene Magnetbandspeicher, Disketten und Plattenstapel sowie das Datenerfassungsgerät EC 9005 als eine Weiterentwicklung des Systems EC 9003.

Bereits in den Vorjahren hatte Bulgarien erste Mikrocomputersysteme aus eigener Produktion vorgestellt. In diesem Jahr war mit dem Mikrocomputer vom Typ ISOT 0260 wiederum ein neues Erzeugnis aus der Produktion von ISOT zu sehen. Wesentliche Kennzeichen der ISOT-Mikros sind vor allem MOS-IS. Als Leistungsparameter für den Arbeitsspeicher wurden 12 KByte und für den Textspeicher 18 KByte angegeben.

Mit einem eigenen Messestand war die Bulgarische Akademie der Wissenschaften vertreten, an dem angewandten Mikroelektronik offeriert wurde. Hierzu zählten unter anderem das System BK zur Automatisierung biologischer Forschung sowie der Mikrocomputer IMKO-2.

Als Beitrag des Maschinenbaus zeigte das bulgarische Außenhandelsunternehmen Machinoexport Roboter, Manipulatoren und zum Teil mit NC-Steuerungen ausgerüstete Werkzeugmaschinen.

Im Vergleich zum Vorjahr erschien das polnische Messeangebot wieder etwas reichhaltiger. Metronex, das Außenhandelsunternehmen der Industrievereinigung für Automatik und Meßapparatur "Mera", stellte in Leipzig das Minicomputersystem MERA-60, ein bereits seit etwa 1980 in der Wissenschaftlichen Produktionsvereinigung Mera-Ster hergestelltes Erzeugnis, aus. Es handelt sich hierbei um einen 16-Bit-Rechner, von dem bereits 1982 200 Stück in die UdSSR exportiert worden sind. Aus der Produktion von Mera-Blon stammte dagegen das Datenübertragungssystem DZM 180, welches schon seit etwa 1977 angeboten wird. Darüber hinaus wurden verschiedene Einrichtungen für Computersysteme, die im Rahmen des ESER-Programmes der Comecon-Länder speziell in Polen hergestellt werden, gezeigt.

Sieht man von einzelnen Neu- und Weiterentwicklungen vor allem aus der DDR und dem ohne Zweifel starken Engagement der DDR als Messe-Ausrichter ab, so blieb diese Messe gerade wegen des gewählten Leitthemas "Programmierte Effektivität durch Mikroelektronik" dem Messebesucher einiges schuldig. Eine Demonstration neuester Technologien war es nicht; dafür wurde von einigen Comecon-Ländern zu wenig Neues geboten.

* Klaus Krakat ist Mitarbeiter bei der Forschungsstelle für gesamtdeutsche, wirtschaftliche und soziale Fragen, Berlin.