Auch Europäer sollten Japans Marktöffnungsabkommen nutzen

21.08.1992

*Geschäftsführer des Fachverbandes Informationstechnik im VDMA und ZVEI

Durch die starke Stellung ausländischer Anbieter in wichtigen Hochtechnologie-Märkten, die zunehmende Abhängigkeit von Südostasien in der Mikroelektronik und die Beschlüsse von Maastricht zur Aufnahme eines industriepolitischen Artikels in die EG-Verträge ist das Thema Industriepolitik wieder verstärkt in die europäische und nationale Diskussion geraten Eine strategisch so bedeutende Schlüsselindustrie wie die Informationstechnik steht im Zentrum dieser Diskussion.

Hinter der Forderung nach Industriepolitik wird vielfach die Vorstellung einer Zielvorgaben setzenden sektoralen Strukturpolitik vermutet. Eine solche staatsinterventionistische Position kann nicht im Interesse einer dem Wettbewerbsprinzip verpflichteten Industrie liegen. Der Fachverband hat daher in einer Grundsatzerklärung zur Industriepolitik seine Position in drei Punkten unmißverständlich dargelegt:

1. Industriepolitik muß im nationalen und internationalen Umfeld vergleichbare Rahmenbedingungen und Spielregeln schaffen, die einen fairen und offenen -Wettbewerb ermöglichen.

2. Solange das nicht der Fall ist, hat sie in strategisch wichtigen Bereichen wie der Informationstechnik für ausgleichende Maßnahmen zu sorgen, die im gesamtwittschaftlichen Interesse liegen.

3. Industriepolitik ist eine Aufgabe von Politik und Regierung in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sowie den gesellschaftlichen Interessengruppen.

Die Forderung nach einem offenen und fairen Wettbewerb in der Informationstechnik ist für die gesamte deutsche und europäische Industrie von höchster Priorität. Die Informationstechnik gehört zu den wichtigsten Basisindustrien. Ihre Beherrschung und breite Anwendung sind der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Fortschritt aller Sektoren in Industrie, Handel, Dienstleistung und Administration.

Ein fairer und offener Wettbewerb am Weltmarkt, wie er zur Zeit nicht gewährleistet ist, läßt sich am ehesten erreichen, wenn eine zeit-, preis-, mengen-, funktions- und technologiegerechte, das heißt die unmanipulierbare und marktgerechte, Verfügbarkeit auch von Mikroelektronik, insbesondere von Speicherbauelementen und Prozessoren, gegeben ist. Dafür ist es wesentlich, daß der Entwicklungs- und Produktionsstandort Europa für die gesamte Informationstechnik erhalten bleibt und unterstützt wird. Oberstes Ziel der Politik muß die Herstellung von Chancengleichheit auf den Weltmärkten sein. Ausgleichende Maßnahmen haben zeitlich klar begrenzt zu sein, zukunftsorientiert zu wirken, und sie dürfen nicht zu einer Marktabschottung nach außen, etwa durch restriktive handelspolitische Maßnahmen, führen.

In einer international so auf Arbeitsteilung und Zusammenarbeit ausgerichteten Branche wie der Informationstechnik kann Industriepolitik nicht isoliert betrieben werden. Die strukturellen Probleme, die zur Zeit bewältigt werden müssen, sind nicht auf Europa beschränkt, sondern ein weltweites Phänomen. Hinzu kommt, daß neue Produktionsstandorte in Südostasien entstanden sind, deren zusätzliche Kapazitäten jetzt auf den ohnehin bereits hart umkämpften Weltmarkt drängen. Diesem Wettbewerb kann die europäische Industrie nur begegnen, wenn die Rahmenbedingungen hierzulande denen der internationalen Wettbewerber angeglichen werden und die Europäer an den schnell wachsenden Märkten in Fernost partizipieren.

In den Vereinigten Staaten bemüht sich die Regierung zur Zeit verstärkt darum, Hindernisse für den Marktzugang amerikanischer IT-Produkte abzubauen, zum Beispiel bei der öffentlichen Beschaffung in Japan. Ein entsprechendes Abkommen für Hard- und Software wurde kürzlich mit dem Miti getroffen.

Die Europäischen Gemeinschaften sollten auf politischer Ebene Verhandlungen mit der japanischen Regierung aufnehmen, um die Marktpotentiale des im Januar 1992 abgeschlossenen USA-Japan-Computermarkt-Offnungsabkommens auch für Europäer nutzbar zu machen. Durch die guten Beziehungen zwischen dem europäischen Branchenverband der informationstechnischen Industrie "Eurobit" und dem aus elf großen amerikanischen IT-Unternehmen bestehenden Computer Systems Policy Project (CSPP) ist ein hohes Maß an Übereinstimmung mit der amerikanischen informationstechnischen Industrie gewährleistet. Zu den japanischen Verbänden bestehen ähnliche Partnerschaftliche Beziehungen, die genutzt werden können.

Eine erfolgreiche Initiative der EG-Kommission zur Gleichstellung der europäischen Industrie mit anderen Anbietern auf den südostasiatischen Märkten im Sinne von mehr Wettbewerb auf dem Weltmarkt wäre eine wichtige Voraussetzung für ein stärkeres Engagement der europäischen Industrie in dieser wichtigen Region.