Auch ein Zehn-Wege-Grossrechner vorgestellt Mit Parallelrechnern plant IBM Ausstieg aus alter Host-Technik

15.04.1994

STUTTGART (jm) - Parallelarchitekturen sind IBMs Hoffnungstraeger fuer das marodierende Mainframe-Geschaeft. Neben einem neuen, aber herkoemmlicher Grossrechnertechnologie verpflichteten Zehn-Wege- System, stellte Big Blue nun offiziell die massiv-parallelen (MPP) "Parallel Transaction Server" und "Parallel Query Server" vor. Im AIX-Segment feierte zudem das MPP-System "SP-2" sein Debuet.

Die Ankuendigung in Stuttgart war zweigeteilt. Eher am Rande lobte Big Blue seinen neuesten Vertreter herkoemmlicher Grossrechnertechnologie aus: Ein freongekuehltes Zehn-Wege-System, das die S/390-Familie der 9021-Mainframes am oberen Ende ergaenzt.

Waehrend diesem das Stigma aus der Mode gekommener Technologie anhaftet, strich IBM bei den fuenf neuen Modellen luftgekuehlter 9221-Mainframes heraus, dass sie schon mit den in Boeblingen gefertigten S/390-CMOS-Mikroprozessoren rechnen. Neu ist zudem, dass Big Blue nunmehr auch fuer diese ES/9000-Einstiegsmodelle Funktionen bereitstellt, die bislang den groesseren Mainframes der 9121- und 9021-Reihen vorbehalten waren. Hierzu gehoert unter anderem die ueber die Hardware verwirklichte Datenkomprimierungsoption.

Unter AIX laeuft der jetzt auch offiziell vorgestellte MPP-Rechner SP2 mit bis zu 128 Power-2-Prozessoren. Er ist das Nachfolgemodell zum bereits auf der CeBIT 1993 gezeigten "SP1".

Dem Einstieg in den Ausstieg aus der traditionellen IBM-Mainframe- Architektur raeumten Edmund Hug, Vorsitzender der Geschaeftsfuehrung der IBM Deutschland GmbH Holding, sowie der Leiter des Boeblinger Entwicklungslabors, Herbert Kircher, allerdings den groessten Raum ein.

Das technologische Wendemanoever bereitet der angeschlagene DV- Riese mit der Einfuehrung des Transaction Servers und des Query Servers vor. Beide arbeiten nur in Verbindung mit MVS-Systemen (vgl. CW Nr. 47 vom 19. November 1993, Seite 29: "ES/9000-System ist der letzte IBM-Dinosaurier...").

Sie dienen als vorgeschaltete Spezialsysteme, die - auf die speziellen Aufgaben der Transaktionsverarbeitung beziehungsweise der Datenbankabfrage fixiert - MVS-Hosts zuarbeiten.

Parallel-Server arbeiten nur mit IBM-Systemen

Anzumerken ist ferner, dass die Parallel-Server nicht mit allen MVS-Systemen kooperieren. Kircher hierzu: "Der groesste Teil der S/390-Architektur kann fuer den Transaction- und den Query-Server genutzt werden."

Laut IBM-Unterlagen handelt es sich hierbei um die zwoelf wassergekuehlten ES/9000-Systeme der 711-basierenden Modelle. Auch ein im Fruehjahr 1993 vorgestelltes 511-Modell soll als Kombattant der beiden Vorschaltrechner geeignet sein.

Beide neuen Server nutzen die von der Kircher-Division entwickelten S/390-CMOS-Mikroprozessoren. Wie bei den Power-PC- CPUs handelt es sich bei diesen um Ein-Chip-Implementationen. Hier enden aber die Gemeinsamkeiten.

Die CMOS-Mikroprozessoren fasst Big Blue auf sogenannten Central Electronic Complexes (CEC) zusammen. Bei der Query-Maschine arbeiten sechs eng gekoppelte (tightly coupled) Prozessoren auf einem CEC, auf denen jeweils eine Betriebssystemkopie laeuft. Maximal bis zu acht CECs sind pro System moeglich. Der Transaction Server baut auf zwei oder mehr CECs mit zwei bis sechs CPUs.

Der laut IBM ab dem dritten Quartal 1994 verfuegbare Query Server verarbeitet etwa von einer Workstation an den Grossrechner gestartete SQL-Anfragen. Bestandteil des Query Servers sind Plattenspeicher. Auf diese werden Auszuege aus der operationalen DB2-Datenbank zur Auswertung geladen. Zunaechst unterstuetzt der Rechner allerdings nur DB2-Anfragen von unter MVS laufenden Grosssystemen.

Last, but not least erweiterte Big Blue seine erstmals im September 1990 angekuendigte Sysplex-Architektur (System Complex). Im "S/390 Parallel Sysplex" koppelt IBM bis zu 32 MVS/ESA-Systeme unter der aktualisierten MVS/ESA-Version 5.1 lose ueber Escon- Kanalverbindungen. Es lassen sich alle ES/9000-Systeme der 9021- und 9121-Linien einbinden, die auf den Modellen 511 und 711 basieren. Eine ebenfalls neue Komponente, der "Workload Manager", verteilt anfallende Arbeitslasten ueber den gesamten Maschinenverbund. Fuer den Anwender verhaelt sich die Rechnergruppe wie ein einziges System ("Single System Image").

Anwender der Parallel-Sysplex-Architektur benoetigen allerdings eine neue Kopplungstechnologie, die "System/390 Coupling Facility 9674". Das eigenstaendige System aus Hard- und Software ist ueber Lichtwellenleiter, sogenannte Coupling Links, mit den Host- Rechnern sowie gegebenenfalls mit dem Transaction Server verbunden, wobei sich maximal eine Distanz von drei Kilometern ueberbruecken laesst.