E-Procurement & B-to-B/Der Einstieg ins E-Procurement muß nicht teuer sein

Auch die Kleinen können profitieren

23.03.2001
"Um vom E-Procurement zu profitieren, muss man erst einmal so um die 250000 bis 300000Mark investieren", sagen manche. Wofür? Für spezielle Software, die komplette Umstrukturierung des Unternehmens und vor allem für einen Consultant? Nein, das eben muss man nicht - gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ist das die falsche Strategie. Von Rainer Funk*

Der E-Commerce im Business-to-Business-Sektor boomt. E-Procurement erst recht. Optimistische Prognosen gibt es zuhauf. Und selbst konservative Studien sprechen eine klare Sprache - beispielsweise die Durlacher-Studie "Business-to-Business E-Commerce Investment Perspective": Das Volumen des B-to-B-Marktes in Europa betrug im vergangenen Jahr demzufolge etwa 76 Milliarden Dollar, für das Jahr 2004 erwartet man 1.200 Milliarden. Deutschland soll hierbei mit 438 Milliarden die höchsten Umsätze generieren.

Die Großen sind schon längst dabeiDie Experten sind sich einig: Der Handel verlagert sich ins Internet. Wer nicht mitzieht, hat Pech gehabt. Waren und Dienstleistungen werden zum Großteil "online" verkauft und eingekauft.

Stichwort: Einkauf. Vom E-Procurement - von der elektronischen Beschaffung - verspricht man sich am meisten. Und das zu Recht, denn die Vorteile erscheinen überzeugend. Beschaffung auf traditionellem Weg war ja noch nie eine besonders prickelnde Angelegenheit: eher langweilig, zeitraubend und kostenintensiv. Die Frankfurter Flughafen AGhat in ihrer Untersuchung aus dem Jahr 1999, die schon als Klassiker unter den E-Commerce-Studien bezeichnet werden kann, das traditionelle Beschaffungssystem mit dem elektronischen verglichen. Man kam zu erstaunlichen Ergebnissen: Durch E-Procurement ließen sich die Bearbeitungskosten für Bestellungen von kleineren Artikeln um 87 Prozent senken. Nahm die Bestellung von drei Kisten Kopierpapier nach Berechnungen der Frankfurter vorher noch 182 Minuten in Anspruch, konnte der Aufwand durch vollelektronische Beschaffung auf 18 Minuten gesenkt werden. Die Kosten sanken von 276 auf 35 Mark. E-Procurement ist also schneller, billiger und effizienter. Solche Prognosen können einem schon den Kopf verdrehen. Wer möchte da nicht mitmischen?

Große Konzerne sind schon längst dabei. Jetzt drängen die KMUs ins Web - und sind irritiert. Denn das Internet ist für viele ein unübersichtliches Chaos, das Angebot an E-Commerce-Software ebenso; E-Procurement ist in scheinbar unendlichen Variationen möglich. Die derzeitige Diskussion in diesem Bereich trägt auch nicht gerade zur Gemütsruhe des Kleinunternehmers bei: E-Procurement ist erst wirklich E-Procurement, wenn das Unternehmen sein ERP-System - beispielsweise ein Warenwirtschaftssystem - über eine geeignete Schnittstelle integriert oder gleich einen eigenen Marktplatz im Internet gründet, sagen Consultants von Beratungsfirmen und Softwareunternehmen.

KMUs müssen nicht investierenSo Mir-nichts-Dir-nichts gehe gar nichts. "Das wäre ja auch zu schön gewesen", resigniert da der Unternehmer und zeigt sich dem B-to-B-Geschäft gegenüber fortan skeptisch. Die Studie von Arthur D. Little veranschaulicht in der Tat - trotz der E-Commerce-Euphorie - eine gewisse Orientierungslosigkeit: 75 Prozent der Unternehmen haben noch keine ausformulierte Strategie und die Hälfte noch keine klar definierte Zielsetzung für den Einsatz von E-Commerce im B-to-B-Bereich.

Nun ist es aber Zeit für ein paar beruhigende Worte: KMUs müssen keinen Pfennig investieren, um am E-Procurement teilzunehmen. Angesichts des Budgets mancher Kleinunternehmen und der rasanten Entwicklung auf dem IT-Markt scheint das allemal eine nachdenkenswerte Empfehlung zu sein. Wie kann also der Weg zum elektronischen Einkauf realisiert werden? Nun, es gibt verschiedene Mittel und Wege - doch wie man sehen wird, schränkt sich die Auswahl für den kostenbewussten Kleinunternehmer ein.

Just-in-Time-Bestellungen reizenGroßunternehmen wussten schon Anfang der neunziger Jahre - noch vor dem Internet-Hype - die Vorteile der elektronischen Beschaffung zu nutzen. Die Just-in-Time-Bestellung benötigter Güter reizte besonders. Damit A elektronisch von B bestellen konnte, musste in der Tat das gesamte Warenwirtschaftssystem der beteiligten Firmen digitalisiert werden. Dies geschah durch die Einführung von ERP-Systemen. An der Schnittstelle zwischen A und B wurden dann die gesendeten Daten standardisiert und für den Geschäftspartner lesbar. Bei dieser Art des E-Procurement über EDI (Electronic Data Interchange) fand eine Verbindung nicht über das Internet statt, sondern über eigens dafür gelegte Leitungen. Diese Art der Beschaffung war und ist natürlich nur für große Unternehmen rentabel. Da dieses System ursprünglich nicht Web-basierend war, könnte man es auch als Vorläufer künftiger Peer-to-Peer-Lösungen betrachten.

Jedes Unternehmen kann sofort einsteigenDas EDI-Beschaffungssystem wurde durch das Internet entscheidend verbessert, denn jetzt kann theoretisch jeder mithandeln. A und B können ihre Informationen über das Web austauschen. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Das Problem besteht weiterhin darin, das firmeneigene ERP-System in eine Schnittstelle zu integrieren. Denn erst dann sieht B, was A braucht, erst dann ist eine Katalogauswahl oder ein automatisches Freigabeverfahren möglich. Eine Reihe von Anbietern glaubt, diese Technik zu beherrschen. Doch wenn es die Integration in eine hochwertige Schnittstelle wie BMECat (www.bmecat.org) sein soll, trennt sich die Spreu vom Weizen. Es besteht kein Zweifel: Diese Form des E-Procurement ist kostspielig und für KMUs derzeit ungeeignet, da sich nur eine begrenzte Anzahl sehr großer Firmen auf diese Weise vernetzt haben - zum BMW, Audi, Siemens, Bayer, Visa oder American Express.

Doch das Internet macht eine weitaus größere Bandbreite an Handelsformen möglich: Online-Shops, Auktionsplattformen und - vor allem - Marktplätze. Dort gilt das Prinzip "many to many", das heißt viele Einkäufer treffen auf viele Anbieter. Die Vorteile liegen auf beiden Seiten: Einkäufer können ihren Bedarf bündeln und erreichen Konzernkonditionen beim Einkauf. Oder sie platzieren eine Ausschreibung auf dem Marktplatz und lassen die Anbieter im Sinne einer "reverse auction" um den Auftrag bieten. Auch hier heißt es "Just-in-Time". Auf Marktplätzen kann ein jeder Unternehmer sofort einsteigen. Es sind keine Investitionen erforderlich. Ein Internet-fähiger Computer reicht aus. Je nach Branche und Bedarf findet sich immer ein geeigneter Marktplatz: Wer Investitionsgüter benötigt, kann sich an allocation.net wenden; auf smarterwork.com wird mit Dienstleistungen gehandelt; preis24.com hat sich auf Büroartikel, Büromöbel und MRO-Artikel, also Güter des allgemeinen Geschäftsgebrauchs, spezialisiert. Was muss man tun, um über beispielsweise preis24.com einzukaufen? Die Website aufrufen und sich registrieren lassen. Sofort nach der Freischaltung lassen sich aus dem Sortiment von rund 45 Anbietern ungefähr55 000 verschiedene Artikel bestellen. Schnell, unkompliziert und deutlich günstiger als bisher.

Ein weiteres Argument: Die Unternehmen können sich durch den Einkauf auf Online-Marktplätzen wieder auf ihre Kernkompetenz besinnen. Denn durch den elektronischen Einkauf werden nicht nur die Einkaufspreise, sondern vor allem die Prozesskosten gesenkt, indem man zeitraubende Angelegenheiten kostenfrei "outsourct". In Zukunft kümmern sich die Betreiber um die Einholung verschiedener Angebote, um Produkt-, Preis- und Lieferantenvergleich und die Nachfrageaggregation. Finanz- und Logistik-Services werden folgen. Anhand dieser Features erkennt der Kunde die Qualität.

ERP-Integration kein ProblemBei hochwertigen Marktplätzen ist auch die Integration des ERP-Systems, von dem schon die Rede war, kein Problem. Der Marktplatz wird zur professionellen Schnittstelle. Genehmigungsverfahren, Budget- und Mittelkontrolle, Anlagenbuchhaltung, Rechnungseingangsbuchung und Rechnungsprüfung können vollständig automatisiert werden. Im Firmenalltag sieht das so aus: Mitarbei-ter bestellen eigenverantwortlich; oder es werden automatische Budgets festgelegt; oder eine Bestellung ab einem bestimmten Warenwert bedarf der Genehmigung des Abteilungsleiters. Der Marktplatzbetreiber informiert in diesem Fall die definierten Ansprechpersonen. Das Ergebnis ist "die papierlose Beschaffung".

Erfahrungsgemäß nehmen jedoch nur sehr wenige KMUs die Möglichkeit wahr, ihr Warenwirtschaftssystem an die Plattformen anzubinden. Zu groß erscheint vielen - gerade im Hinblick auf den noch nicht konsolidierten B-to-B-Markt - das Investitionsrisiko. Die Skepsis von Seiten der Verbraucher ist nicht ganz unberechtigt. Es tummeln sich noch zu viele unausgereifte Marktplätze im Internet, wobei manche den Namen gar nicht verdient haben: In Deutschland gibt es ungefähr 120 dieser Foren, doch nur etwa die Hälfte ist auch wirklich transaktionsfähig. Das belegt eine Studie der Boston Consulting Group vom Herbst 2000.

Auf mehreren Hochzeiten tanzenDer Markt wird sich in den nächsten Jahren bereinigen. Bis dahin sollte der Kunde wachsam sein und allzu große Investitionen in unbekannte Marktplätze vermeiden. Warum sollte man sich auch gleich fest an einen Betreiber binden? Für den Einkäufer ist die Kooperation mit einem Marktplatz meist kostenlos und unverbindlich. Bis man geeignete Partner und richtige Softwaresysteme gefunden hat, kann man ja auf mehreren Hochzeiten tanzen nach dem Motto: Learning by doing.

Welches Fazit lässt sich ziehen? Online-Marktplätze bieten kleinen und mittleren Unternehmen Einkaufsbedingungen, wie sie im Prä-Internet-Zeitalter nur von Großkonzernen erzielt werden konnten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Großinvestitionen für Kleinunternehmen sinnlos sind, denn so viel lässt sich durch ein gestrafftes Beschaffungswesen auch wieder nicht einsparen. Jetzt loslegen, einen geeigneten Marktplatz finden und eigene Erfahrungen sammeln. Bevor es der Konkurrent tut. Der Markt ist noch chaotisch, da wird ein kleines Maß an Risikobereitschaft und Eigeninitiative umso mehr belohnt.

* Rainer Funk ist SAP- und Unternehmensberater in München

Sparpotenzial: Beispiel Flughafen FrankfurtAltes Verfahren: Zeit (Minute) / Kosten (Mark) / Online-Verfahren: Zeit (Minute) / Kosten (Mark)

Bedarfsidentifikation / 10 / 15,00 / 10 / 15,00

Vorab-Marktsondierung / 10 / 15,00 / entfällt / entfällt

Erstellen Bestellanforderung / 15 / 23,00 / 5 / 8,00

Genehmigungsverfahren / 15 / 23,00 / entfällt / entfällt

Budget- und Mittelkontrolle / 5 / 8,00 / entfällt / entfällt

Prüfung auf Anlagenkontierungspflicht / 7 / 11,00 / entfällt / 1,06*

Freigabe der Bestellanforderung / 3 / 5,00 / entfällt / 0,45*

Marktsondierung (Angebotseinholung) / 15 / 23,00 / entfällt / entfällt

Angebotsanalyse und Vergabevorschlag / 20 / 30,00 / entfällt / entfällt

Bestellschreiben / 10 / 15.00 / entfällt / entfällt

Einkaufskontrolling / entfällt / entfällt / entfällt / 0,12*

Warenlieferung an Warenannahme / 7 / 11,00 / 1 / 2,00

Erstellung einer Wareneingangsmeldung / 8 / 12,00 / 2 / 3,00

Transport zum Besteller / 25 / 38,00 / entfällt / 3,18*

Rechnungseingangsprüfung / 10 / 15,00 / entfällt / entfällt

Rechnerische Rechnungsprüfung / 5 / 8,00 / entfällt / entfällt

Abwicklung Gutschriftverfahren / entfällt / entfällt / entfällt / 0,48*

Preisliche Rechnungsprüfung / 7 / 11,00 / entfällt / entfällt

Technische und sachliche Prüfung / 5 / 8,00 / entfällt / entfällt

Zahlungsanweisung / 5 / 8,00 / entfällt / 0,48*

Summe / 182 / 279,00 / 18 / 34,37

*Anteilsmäßige Pauschalkosten.Quelle: Flughafen Frankfurt Main AG

Abb: Schnittstellen zwischen Lieferanten und Abnehmern

E-Commerce-Schnittstellen verbinden die unterschiedlichen Unternehmen. Außerdem wirken E-Commerce-Anwendungen in nahezu alle Unternehmensbereiche der jeweiligen Partnerunternehmen hinein. Quelle: Preis24.com