Der Personalmarkt für Ingenieure stagniert

Auch die DV-Industrie braucht in Zukunft weniger Techniker

10.05.1991

DÜSSELDORF (hk) - Auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure ist zunächst Ruhe eingekehrt. Nach einer Untersuchung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) erhöhte sich 1990 der Stellenmarkt für diese Berufsgruppe lediglich um 0,2 Prozent auf 71 961 (Vorjahr 71 400) Stellen. In der DV-Industrie werden Ingenieure fast nur in der Prozeßautomatisierung gesucht Während die Nachfrage nach anderen Berufsgruppen im Zuge der Wiedervereinigung stark gestiegen sei, erklärte Christel Königsbüscher vom VDI-Verlag, wurden für Ingenieure zunächst keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen. Als Grund nannte sie die Golfkrise und die Tatsache, daß die Unternehmen 1989 und Anfang 1990 zahlreiche Mitarbeiter eingestellt haben. In Ostdeutschland würden vorerst keine Ingenieure gesucht, sondern Verkäufer und Controller. Nur wenn es um Produktions-Kooperationen geht, haben Ingenieure eine Chance unterzukommen, weiß die Düsseldorfer Bereichsleiterin.

Innerhalb der einzelnen Branchen gab es deutliche Verschiebungen. Laut VDI lag der Bedarf bei Dienstleistungsbetrieben wie Hotels, Krankenhäusern, Verlagen und Beratungsbüros um 18,9 Prozent über den Stellenangeboten der Betriebe des Maschinenbaus und der Elektrotechnik inklusive Datenverarbeitung. Den zweiten Rang nahm die elektrotechnische Industrie mit 18,6 Prozent ein, gefolgt vom Maschinenbau mit 14 Prozent und den großen Mischkonzernen mit 7,5 Prozent.

Auch DV-Hersteller seien nach VDI-Angaben sehr zurückhaltend geworden, was die Einstellung von Ingenieuren angeht. Zwar würden weiterhin Techniker für die Entwicklung von Hardware, aber auch zur Erstellung von Software eingestellt, aber, so Frau Königsbüscher, der Personalmarkt hat sich für die DV-Hersteller längst normalisiert". "Davon kann man ausgehen", bestätigt HP-, Personalleiter Stefan Böhm diesen Trend. Sein Unternehmen sei sehr zurückhaltend geworden, was Neueinstellungen angeht. Es ist ja kein Geheimnis", sagt er "daß unsere Branche mit großen Schwierigkeiten zu

kämpfen hat."

Die Elektroingenieure treffe diese Zurückhaltung der DV-Industrie insofern zusätzlich, so die Auffassung der RP-Personalmanagerin Ursula Wiehl-Schlenker, als die "reine Hardware-Orientierung der Unternehmen abnimmt. Für die Software-Entwicklung würden schon immer Informatiker genommen, und inzwischen sei es doch so, daß selbst in der Meßtechnik fundierte Software-Kenntnisse erforderlich seien, so daß man auch hier bereits auf Informatiker zurückgreife oder, wenn auf Elektroingenieure, dann mit fundiertem DV-Know-how.

Bei den Siemens-Oberen überwiegen die Molltöne, so Hans-Bernd Fischer, zuständig für die Hochschulkontakte des Elektrokonzerns. Allerdings hätten sich die eher pessimistischen Beurteilungen seines Vorstandes noch nicht auf die Personalpolitik niedergeschlagen. Fischer nennt als Beleg Zahlen: im vorigen Geschäftsjahr stellten die Münchner über 3000 Ingenieure, statt der geplanten 2500 ein. Und in diesem Geschäftsjahr hätte man nach der ersten Hälfte bereits 1800 engagiert, so daß man das Plansoll von 2500 leicht erfüllen wird. Anders dagegen sieht es bei der Tochter SNI aus.

Hier hat man die Geburtswehen der Vereinigung mit Nixdorf noch nicht verkraftet. Angesichts eines fehlenden Zukunftskonzeptes des Vorstandes, so wird kolportiert, laute vor allem bei ehemaligen Nixdorf-Mitarbeitern die Devise: weg, solange es der Arbeitsmarkt zuläßt. Die Entwicklung wird der Vorstand nicht ungern sehen, gehen Insider doch davon aus, daß im Herst personalmäßig das große Reinemachen beginnt.

Da die Computerunternehmen nicht mehr viel Geld verdienten, sei es nur logisch, daß Personal nicht zusätzlich beschäftigt werde, so die Schlußfolgerung von Frau Königsbüscher. Gute Chancen hätten die Techniker indes in der Prozeßautomatisierung. Auch Wolfgang Schewe stellte in letzter Zeit wenig Ingenieure ein. Der NCR-Personalchef begründet jedoch seine Zurückhaltung damit, indem er auf seine hohe Anzahl von Praktikantenplätzen verweist - in diesem Jahr sollen es hundert sein, und damit, daß er in Zukunft konsequent aus diesem Potential seinen Nachwuchs rekrutieren will. Schewes kurze Begründung: "Anzeigen sind zu teuer." Im übrigen wisse er dann genau, wen er einstelle. Er wolle, so sein großes Vorhaben, beim qualifizierten Nachwuchs von der Personalsuche über Stellenanzeigen wegkommen.

In der Software-Industrie werden nach Auffassung von Rainer Fritsch von der Software AG wenige Ingenieure gesucht. Zwar greife man auf diese Berufsgruppe zurück, wenn es zum Beispiel um die Erstellung von Anwendungssoftware gehe, insgesamt spielten jedoch die reinen DV-Spezialisten die erste Geige in seinem Unternehmen.

Der SAG-Personalverantwortliche ist zwar angetan vom Kenntnissstand etwa der Elektroingenieure, gibt jedoch zu bedenken, daß diese hochqualifizierten Mitarbeiter sehr schnell frustriert das Unternehmen verlassen, wenn sie ihr Wissen nicht entsprechend ihrer Ausbildung einsetzen könnten.