Neues Laufwerk arbeitet jetzt stabil, ist aber mechanisch kompliziert:

Auch das 3480-Band erfordert den Operator

13.09.1985

Bei der Betrachtung der 3480-Band-Maschinen muß man zunächst einmal das Gerät und das Medium trennen. Offensichtlich hat die 3480 Jetzt die Anfangsprobleme überwunden und läuft bei den Anwendern mittlerweile relativ problemlos.

Anfangs waren Probleme mit einem zu starken Abrieb von den Bändern aufgetreten, was aufgrund undefinierter, und unkontrollierbarer Ablagerungen Störungen im Betrieb führte. Diese Störungen traten jedoch vorzugsweise bei den ersten Anwendern in den Vereinigten Staaten auf. Bundesdeutsche Kunden blieben davon weitgehend verschont. Jetzt ist Insider-Informationen zufolge diese Angelegenheit vollständig gelöst.

"Die Maschine ist in Ordnung", so ein Marktkenner, "wenngleich sie auch vom Mechanismus her nicht gerade optimal ist und sich auch in der vorliegenden Form nicht für ein automatisches Handling eignet."

Bemängelt wird hier insbesondere die "äußerst komplizierte" mechanische Führung des Bandanfangs durch einen geradezu abenteuerlichen Arm. Das gehe von hinten durch die Brust ins Auge.

Immerhin: Die Performance scheint in dem Rahmen zu liegen, den die Kunden erwarten. Anwender hatten insbesondere eine Bandstation gefordert, mit der sich Übertragungsraten von 3 MB pro Sekunde realisieren lassen. Der 3420-Vorgänger brachte es gerade auf 1,25 MB pro Sekunde. Das reichte Anwendern der 3380-Dünnfilmplatte vorn und hinten nicht zu einer schnellen' Datensicherung aus.

"Das langsamste Gerät in der Kette bestimmt die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung", so seinerzeit der DV-Manager einer Lebensversicherung, "und das sind heute eindeutig die Bandlaufwerke." Ferner verlangten die User nach höheren Speicherkapazitäten, um nicht 14mal pro Stunde bei der Sicherung einer 3,2-GB-Platte das Band wechseln zu müssen.

Ein deutliches Zeichen, daß die IBM offenbar tatsächlich keine nennenswerten Probleme mehr mit dem 3480-System hat, sehen Kenner in einem forcierten Angebot dieser Laufwerke. Big Blue zieht derzeit zum einen die Liefertermine kräftig nach vorn, zum anderen sollen die Geräte mit Macht an den Mann gebracht werden.

Die Anbieter IBM-kompatibler Peripherie tun sich derzeit schwer auf der 3480-Geräteseite. Bis jetzt ist, soweit bekannt, nur ein Unternehmen an der Entwicklung einer entsprechenden Bandmaschine dran: Aspen in den USA. Die Entwickler hier haben es aber bislang nur auf einen Prototyp ohne die notwendige Steuereinheit gebracht. In der Entwicklung dieses Bandcontrollers steckt aber gerade die Hauptarbeit "IBM", so eine Expertenmeinung "baut immer mehr in den Mikrocode. Da muß man erstmal durchsteigen." Fachleute schätzen, daß die Aspen-Truppe mindestens noch ein halbes, eher aber ein Jahr an der Elektronik sitzen wird. Daneben entwickeln auch japanische Unternehmen an einer vergleichbaren Maschine, sind aber noch weit vom Prototyp entfernt.

Genauso, interessant wie die pure Hardware ist die Medienseite bei der 3480-Betrachtung. Nach wie vor gibt es bei der IBM einen Engpaß in der Lieferung von Cartridges. Der Grund: Es ist äußerst schwierig, vorauszusagen, wie viele von den Kunden sofort ihr Archiv umstellen wollen. Eine Reihe von Anwendern wollen dies auf einen Schlag tun und das alte Bandarchiv damit überflüssig machen. Das hat den großen Vorteil daß man damit erheblichen Platz ein sparen kann, was bei vielen Unternehmen, deren Archive aus den Nähten platzten, ein gewichtiges Argument ist. Immerhin läßt sich so etwa um den Faktor 4 bis 5 an Raum gewinnen. Hier hat offensichtlich die Nachfrage die IBM-Planung über den Haufen geworfen.

Dazu kommt, daß Big Blue zu diesem Zeitpunkt auch der einzige Anbieter derartiger Cartridges ist. Zwar bereiten Unternehmen wie die BASF die Produktion dieser Datenträger vor, sind aber bislang noch im Stadium der Testauslieferungen.

Das zentrale Problem bei der Fertigung der in den 3480-Cartridges eingesetzten Chromdioxid-Bänder ist, daß es zum einen weltweit nur zwei Hersteller des benötigten Pigmentes gibt. Zum anderen wirft die Verarbeitung des Chromdioxids erheblich größere Probleme als etwa die des bei Standard-Bändern eingesetzten Ferrits auf. Das Chromdioxid-Pigment ist sehr viel empfindlicher in der Verarbeitung. So ist etwa die Abbindegeschwindigkeit höher, was statt der erwünschten Dispersion schlicht zu einem Klumpen führen kann. Chromdioxid-Dispersionen reagieren chemisch deutlich heftiger als Dispersionen mit Eisenoxid.

Eine weitere Schwierigkeit, liegt in der Produktion der Cartridge-Gehäuse. Sie werden im Spritzgußverfahren hergestellt, das aber eine Vorbereitungszeit von gut einem halben Jahr benötigt. Eine andere Möglichkeit der Bandproduktion ist statt der Verwendung von Chromdioxid der Einsatz von Kobalt-dotiertem Eisen Das Problem liegt hier weniger in der Technik als vielmehr wieder einmal an der IBM: Etwas gegen die IBM machen zu wollen, kann schnell zu einem aufwendigen und sehr teuren Erlebnis werden.

Trotz der von der IBM forcierten Auslieferung der neuen 3480-Systeme ist das Geschäft mit den 3420-Oldtimern noch nicht tot. Die 3420-Geräte sind, gemessen an der Entwicklungsgeschwindigkeit in der Datenverarbeitungstechnik, uralt. Produkte aus den Jahren 1972/73 haben nach der Ansicht von Experten "mehr Fehler als ein Hund Flöhe". Wenn hier Reparaturen nichts mehr nützen, werden die Geräte ersetzt - durch neue 3420-Laufwerke. Dazu gibt es eine Reihe von Kunden, die auf absehbare Zeit nicht auf die 3480 umstellen werden, weil sie entweder ihre Archive noch nicht umstellen wollen oder nicht einen genügend großen Vorteil in dem Einsatz der neuen Technik sehen.

Sie halten sich insbesondere noch zurück, da auch die neuen Maschinen aufgrund ihrer komplizierten Mechanik nicht für das automatische Handling geeignet sind. Damit ist der Wunschtraum vieler Anwender, das operatorlose Rechenzentrum, derzeit nicht zu verwirklichen.

Technisch sind die 3480-Bänder von ihrer Kapazität her noch lange nicht ausgereift. Es bereitet beispielsweise kein Problem, statt des jetzt eingesetzten 18-Spur-Kopfes einen 36-Spur-Kopf zu entwickeln und auch in Serie zu produzieren. Nur gilt auch hier: Solange die IBM dies nicht tut, haben auch Mitbewerber mit besserer Technik keine Chance. Dies führt wieder zu dem altbekannten Satz: Standard is, whatever IBM does.

Dabei ließe sich ohne nennenswerten Aufwand auch die lineare Dichte auf dem Magnetband erhöhen, sagen die Entwickler. Möglicherweise hat die IBM dies bereits im Köcher und fährt, wie schon oft erlebt, die Midlife-Kicker-Strategie. Mit möglichst diffusen Äußerungen zur Produktstrategie kann man sowohl Anwender als auch Konkurrenz in Atem halten.

Die Zukunft des Magnetbandes sieht zur Zeit noch relativ rosig aus. Die wiederbeschreibbare optische Platte ist mittelfristig ohnehin noch Zukunftsmusik, die nur beschreibbare Platte hat noch eine Reihe von deutlichen Nachteilen. So sind etwa die Schreib-/Lesezeiten zu lang, ferner ist die Fehlerrate erheblich höher als bei den magnetischen Medien. Zudem ist das Ganze auch eine Frage der Kosten. Wenn auch bei speziellen Anwendungen der Einsatz der optischen Platte mittlerweile wirtschaftlich ist und in Einzelfällen die Ablösung des Magnetbandes möglich erscheint, so gilt dies jedoch noch lange nicht für den allgemeinen Fall.