Auch Berater wollen mal nach Hause

11.06.2008
Consulting-Häuser suchen flexible, kundenorientierte und reisefreudige IT-Experten. Moderne Arbeitszeitmodelle sollen die Belastung dämpfen.

Der Wettbewerb um erstklassige IT-Berater wird immer intensiver. Nicht nur Consulting-Häuser suchen nach ihnen, sondern auch in Anwenderunternehmen stehen sie ebenfalls auf der Wunschliste ganz oben. Umgekehrt sind die Bewerber an den Angeboten der Industrieunternehmen überaus interessiert. Schließlich schreckt das stressige Beraterleben doch so manchen Hochkaräter ab. Das haben einige Consulting-Häuser erkannt und steuern dagegen. So gibt es beispielsweise bei Capgemini Sabbaticals oder "Time-Out-Programme" zur flexiblen Karrieregestaltung. Aber auch auf der inhaltlichen Seite wirft die Branche einiges in die Waagschale. "Den klassischen IT-Berater gibt es gar nicht", meint Kai Oliver Schäfer, Vice President bei Capgemini. Dafür sei das Aufgabenfeld der IT-Beratung insgesamt zu breit gefächert. Zu den Aufgaben des Consultants gehören, so Schäfer, IT-Strategiethemen, IT-Organisation und Architekturen. Das Ganze setze sich dann fort über eine prozessorientierte SAP-Beratung bis hin zu Softwareingenieuren, die Individualsoftware entwickeln. Der Capgemini-Manager: "Wenn wir schon vom klassischen Berater sprechen, dann ist er derjenige, der vormittags mit den Fachbereichsleitern einen Workshop zum Prozessdesign moderiert und steuert und am Nachmittag als Projektleiter mit den IT-Mitarbeitern des Kunden die Projekte entsprechend umsetzt." Damit sei das Spektrum doch etwas breiter als in den meisten IT-Linienfunktionen.

Anforderungen bleiben trotz Fachkräftemangels hoch

Auch wenn der Pool an Hochkarätern klein sei, verabschiedet sich Capgemini nicht von seinen qualititativen Anforderungen. So müssten die Kandidaten eine gewisse Basis mitbringen, auf der aufgebaut werden könne. Schäfer: "Wir achten bei der Rekrutierung nicht nur darauf, dass der Kandidat zu den Kollegen passt, sondern auch, dass er für die Interaktion mit Kunden und Kollegen geeignet ist." Schließlich werde gerade in der IT-Welt die Zusammenarbeit zwischen Kollegen aus allen Teilen der Welt immer wichtiger. Ein weiterer wichtiger Punkt sei das Change-Management. Der Capgemini-Mann: "Um in all diesen Bereichen erfolgreich agieren zu können, muss der IT-Berater neben dem technischen Know-how über soziale Kompetenzen verfügen." Das Unternehmen setzt gerade ein umfassendes internes Transformationsprogramm um. Damit sollen die Mitarbeiter für die kommenden Anforderungen in einer sich verändernden IT-Dienstleistungs- und Beratungslandschaft fit gemacht werden. Darunter fallen laut Schäfer die immer häufigere Arbeit in globalen und teilweise virtuellen Teams, das Thema Innovationen und nicht zuletzt auch die Nähe zu den Kunden.

Ein typischer Arbeitstag: Nichts geht ohne Meetings

Kerstin Zeddies, Beraterin bei Capgemini und seit mehreren Jahren in der Branche tätig, hat sich bewusst für den Bereich Consulting entschieden. Sie wollte international arbeiten, verschiedene Unternehmen im Rahmen der Projektarbeit kennen lernen, Wissen und Erfahrungen vergrößern und rasch Verantwortung übernehmen. Ein typischer Arbeitstag sieht laut Zeddies so aus: eng mit dem Kunden zusammenarbeiten, in Meetings Ziele definieren und Aktivitäten abstimmen. Zeddies: "Für die Umsetzung der Projekte ist das Team vor Ort im Großen und Ganzen selbst verantwortlich." Wie eng dabei die Zusammenarbeit mit den Kollegen des Auftraggebers ist, hänge jeweils vom Kunden ab. Die Beraterin war im Rahmen ihrer bisherigen Projekteinsätze vor allem in großen Teams international bei Kunden tätig, wobei ihr die Arbeit mit gemischten Mannschaften großen Spaß macht. Das Problem mancher Beratungskollegen, von den internen Leuten des Kunden nicht akzeptiert zu werden, kennt sie nicht. "Meine Erfahrung ist, dass man vom Kunden als Know-how-Träger wahrgenommen und akzeptiert wird. Bei größeren Projekten ist es zudem so, dass die Kundenmitarbeiter für eine gewisse Zeit aus ihrem Alltag herausgenommen und einem Projekt zugeteilt werden. Man kommt also nicht als Berater in eine bestehende Abteilung hinein, sondern das Team wird zu Beginn des Projekts gebildet."

Auch Heimschläfer haben wenig Zeit für private Dates

Dass Capgemini eine Fünf-vier-drei-Tage Regelung anbietet, empfindet Zeddies als angenehm. Die Berater seien in der Regel fünf Tage für den Kunden aktiv, vier Tage davon beim Kunden vor Ort und drei Nächte im Hotel. Wenn die Mitarbeiter am Freitag in ihrem Home Office arbeiten, dann können sie drei Tage in der Woche mit ihrer Familie und Freunden verbringen, argumentiert das Beratungshaus.

Christian Huck, der als IT-Berater bei der Business Solutions Unit tätig ist und sich um Reporting- und Planungsprojekte bei Kunden kümmert, gehört zu den wenigen, der sein Projekt am Heimatstandort betreut: "In einem so genannten Heimschläferprojekt tätig zu sein klingt zunächst wunderbar. Man wacht in seinem eigenen Bett auf und denkt, dass man das soziale Leben, das sonst nur am Wochenende stattfindet, auch unter der Woche führen kann." Die Realität indes sehe anders aus. Denn die Projektarbeit sei einfach zu unkalkulierbar, als dass man Verabredungen außerhalb des Kollegenkreises treffen könne.

Der Arbeitstag des Capgemini-Consultants fängt zwischen 8 und 8.30 Uhr beim Kunden an. Als Erstes fragt er den Status quo des aktuellen Projektes ab und bespricht alle Vorhaben mit dem Kunden. Huck: "Der typische Arbeitsalltag ist stark von Diskussionen und Teamarbeit geprägt - sowohl mit den eigenen Kollegen als auch mit den Mitarbeitern des Kunden."

Interkulturelle Kompetenz wird wichtiger

Der IT-Berater ist seit fast dreieinhalb Jahren bei Capgemini beschäftigt. Vorher war er bei einem kleinen SAP-Beratungsunternehmen. Die Zukunft seiner Zunft sieht er in einem koordinierenden und qualitätssichernden Job. "Der IT-Berater muss dafür sorgen, dass die Kollegen in Polen oder Indien die Entwicklungsarbeit perfekt übernehmen. Dies bedeutet ein anspruchvolles Anforderungsprofil." Immer wichtiger wird seiner Meinung nach deshalb die interkulturelle Kompetenz.

Zu den Beratern, die Wert auf Work-Life-Balance legen, gehört Management-Consultant Klaus Eckey. Aus diesem Grund hat er zum zweiten Mal die "Flow-Periode" des Unternehmens in Anspruch genommen. In diesem Arbeitszeitkonzept wird die reguläre Arbeitszeit auf 80 Prozent (vier Tage pro Woche) oder auf 60 Prozent (drei Tage pro Woche) reduziert. In Zusammenhang mit Projekteinsätzen und in Absprache mit dem Vorgesetzten ist es während der Flow-Periode auch möglich, für mehrere Wochen die reguläre Arbeitszeit zu leisten und das entsprechende Zeitguthaben hinter-her durch eine "Block-Frei-Phase" auszugleichen. Eckey hat sich dieses Mal für die Drei-Tage-Woche entschieden: "Die Projektsituation ließ es zu, dass ich meine Tätigkeit entsprechend reduzieren konnte."

Ein entscheidender Grund war für den Berater, dass bei normaler Arbeitszeit sich alles andere auf das Wochenende fokussiert. Eckey: "Für all diejenigen, die nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben suchen, bietet die Flow-Periode die Möglichkeit, mehr Zeit für private Belange zu haben." Neben diesem Modell bietet das Beratungshaus noch das Time-Out-Modell an, bei dem Mitarbeiter bis zu drei Monaten komplett aussteigen können. In diesem Fall werde verständlicherweise nicht das volle Gehalt gezahlt, aber es bleibe ein Minimum an Sozialversicherung bestehen. Genutzt werde diese Möglichkeit für den Abschluss einer Dissertation oder für längere Weiterbildungskurse.

Aber nicht nur Consulting-Häuser wissen den Job des IT-Beraters zu schätzen. Auch bei den Anwendern steht er hoch im Kurs. Uwe Holländer, der bei der Bayer Business Services GmbH in Leverkusen für das Hochschul-Marketing zuständig ist, bestätigt dies: "Die Bayer AG sucht verstärkt qualifizierte IT-Profis - und zwar querbeet." Besonders gefragt sei der Experte für Business Process Consulting, der sowohl Geschäftsprozesskenntnisse als auch IT-Wissen mitbringe. Zu den Kunden des Bayer-Consulting-Bereichs zählen alle Abteilungen des Konzerns, einschließlich der Teilkonzerne und Servicegesellschaften. Gegenüber den externen Consulting-Unternehmen haben die internen Beratungsmannschaften laut Holländer den Vorteil, tiefere Einblicke in die Struktur des Konzerns zu gewinnen. Interne Kunden seien 350 Gesellschaften weltweit. Der Personalexperte: "Ein IT-Berater bei Bayer trägt die Verantwortung für die Analyse und Konzeption der Geschäftsprozesse der Kunden. Dafür benötigt er neben seinem IT-Know-how vor allem betriebswirtschaftliches Wissen."

So vorbereitet, könne der IT-Berater das Optimierungspotenzial in Abläufen erkennen, diese zusammen mit dem Kunden verbessern und in moderne IT-Lösungen übertragen. Die Umsetzung werde gemeinsam mit Softwareentwicklern, Betriebswirtschaftlern und möglicherweise einem Controller bewerkstelligt. Holländer: "Wenn der IT-Berater es schafft, in diesen interdisziplinär zusammengesetzten Teams Brücken zu schlagen, steht dem Umsetzungserfolg nichts mehr im Wege." (hk)

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