EDV bei den Kommunen:

Auch Beamte suchen nach der wirtschaftlichsten Lösung

11.12.1974

Die bundesdeutschen Städte und Gemeinden stützen sich bei der Datenverarbeitung mehr und mehr auf Terminals. Im Saarland konnte Triumph-Adler, in Ostwestfalen Nixdorf jetzt das große Geschäft machen, während Baden-Württemberg ein Singer-Land ist. Dabei kalkulieren die Beamten in den Rechenzentren mindestens so scharf wie private Dienstleistungsbetriebe.

In Ostwestfalen muß IBM acht Terminal-Systeme 3735 beziehungsweise 3741 Modell 2 wieder abbauen. Sie werden durch Nixdorf-Systeme 720 ersetzt. Der erste Hardware-Tausch erfolgte in Detmold bei der Kasse des Kreises Lippe. Sie ist für das Kassenwesen der Kreisverwaltung Lippe sowie für die Abrechnung von fünf Krankenhäusern, fünf Altersheimen und drei Jugendheimen zuständig und hat am Tage durchschnittlich 2000 Belege zu verbuchen.

Zu Jahresbeginn hatte man ein IBM-Terminal 3741 installiert. Tagsüber sollten die Belege erfaßt, abends die Tagesdaten über Wählleitung zum Kommunalen Rechenzentrum Lemgo übertragen werden. Die Ergebnisse des RZ sollten nachts wieder überspielt und am nächsten Morgen vom Terminal ausgedruckt werden.

Das KRZ Lemgo hat eine IBM 370/135 und bearbeitet folgende Sektoren: Personalwesen, Grundbesitzabgaben, Gewerbesteuer, Verbrauchsabrechnung, Kassenwesen, Sozialwesen, Einwohnerwesen, Ausländerwesen, Schul- und Krankenhauswesen.

Im Monat 1655 Mark billiger

Nachdem man in Detmold Nixdorf die Erlaubnis zur Installation eines Systems 720 im simulierten Parallellauf gegeben hatte, ergab ein Leistungsvergleich:

- Die Übertragungszeiten der 3741 waren doppelt so hoch bei der 720.

- Im KRZ brauchte die 3741 doppelt so viel Kernspeicherzeit wie die 720.

- Durch die automatische Sende- und Empfangsbereitschaft des Nixdorf-Systems sparte man monatlich 22 Arbeitsstunden.

So erwies sich die Nixdorf-Lösung im Monat um 1655 Mark billiger als das IBM-Terminal. Außerdem gilt bei der Kreiskasse das Nixdorf-System als bedienungsfreundlicher.

Konsequenzen des Leistungsvergleichs

Die Westfalen zogen aus dem Leistungsvergleich schnell Konsequenzen: Die Kreiskasse Detmold löste das IBM- durch das Nixdorf-System ab. Die Kreiskasse Minden und zahlreiche Gemeinden wollen dem Beispiel folgen. Nixdorf konnte mit dem kommunalen Rechenzentrum Lemgo eine Rahmenvereinbarung für 60 Systeme 720 für die Mitgliedsgemeinden abschließen.

Kampfpreise im Saarland

1975 beginnt auch für die Gemeinden an der Saar das Computerzeitalter. Am 29. November ging ein Auftrag über 50 Terminals des Typs TA 100/10 an Triumph-Adler.

Projektträger der saarländischenTerminalisierung ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die "Kommunale Datenverarbeitung Saar" (KDS), in Saarbrücken. Damit ist auch das kleinste deutsche Bundesland mit 1,2 Millionen Einwohnern auf dem Weg zu einem integrierten MDT-RZ-Verbund.

Die KDS besitzt keinen eigenen zentralen Großrechner. Rechenzeit wird je nach Bedarf dort gekauft, wo sie am preiswertesten ist. Dazu Robert Jeanrond, Leiter der KDS: "Wir sind erst einmal von der Überlegung ausgegangen, die Arbeit draußen in den Kommunen für die Mitarbeiter zu erleichtern. Dann haben wir uns auf dem freien Markt nach Service-Rechenzentren umgesehen. Ich bin der Überzeugung, daß wir noch lange ohne den eigenen Rechner auskommen. Die Zusammenarbeit mit den Service-Unternehmen und Industrierechenzentren klappt ausgezeichnet!"

Keine Motivationsreisen

Die Kalkulation sieht so günstig aus, daß die KDS den angeschlossenen 50 Gemeinden ausgesprochene Kampfpreise für EDV-Dienstleistungen anbieten kann. Die Folge: Man konnte auf zeitraubende Motivationsreisen und Referate in den Gemeinden verzichten. Sogar drei kleine saarländische Gebietsrechenzentren haben der KDS alle EDV-Aufgaben übertragen, weil es für sie billiger ist.

KDS-Chef Jeanrond ist bei der Auswahl der Service-Rechenzentren auch überregional wählerisch: "Der Verkauf von EDV-Dienstleistungen an unsere Gemeinden muß wirtschaftlich sinnvoll sein und nach dem Fallkostenprinzip erfolgen!" So läßt Jeanrond einen großen Teil der Aufgaben im Rechenzentrum der Landesbank und Girozentrale Saar rechnen. Der Computer, eine 370-145, steht im selben Haus, in dem die KDS ihren Sitz hat.

Deutsche Gemeinden lassen in Frankreich rechnen

Darüber hinaus werden Jobs in Heidelberg, Völklingen, Frankfurt, Neunkirchen und sogar im französischen Metz gerechnet.

Die 50 Terminalcomputer TA 1000/10 sind für die KDS mit 6 K ausgerüstet worden; sie haben neben der Tastatur einen Bildschirm, Drucker und Minimagnetbandkassetten als Daten- und Programmträger.

Um auch bei der Datenübertragung nach dem saarländischen Sparmodell zu verfahren, werden die tagsüber erfaßten Daten nach sehr umfassenden Programm- und Eingabe-Check-Prozeduren nachts bedienungslos abgerufen, verarbeitet und wieder fortgeschrieben zurückgesendet. Am nächsten Morgen können dann die aktuellen Daten in den einzelnen Gemeinden herausgedruckt werden. Die Übertragung geht über Wählleitungen mit 2400 Baud/sec Transfergeschwindigkeit.

Zu den EDV-Dienstleistungen der KDS gehören vorwiegend: Personalwesen, Krankenhauswesen, Einwohnerwesen, Sozialwesen, Verbrauchsabrechnung, Wohngeldabrechnung. Eine der größten und aufwendigsten Arbeiten wird ab 1. Januar 1975 das Haushalts-Kassen- und Rechnungswesen sein.

Für die Installierung der Terminals haben das Saarbrücker Bürohaus Mauer GmbH, Triumph/Adler und die 51 Mitarbeiter der KDS 36 Monate Zeit. Die Abrechnungs- und Buchungsmaschinen, die die Gemeinden bisher autonom einsetzten, können dann verschrottet werden .

Im Stuttgarter Ortsnetz wird DFÜ ausprobiert

Der Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Mittlerer Neckar will die Datenfernübertragung im Stuttgarter Ortsnetz erproben. Von den derzeit 25 Datenbearbeitungsstellen liegen sieben im Bereich des Stuttgarter Ortsnetzes und können daher ohne hohe Gebühren über Wählleitungen die Daten zum Rechenzentrum übertragen.

"Wir prüfen zur Zeit die Wirtschaftlichkeit der Datenfernübertragung. Ein Teil der Mitglieder ist dafür. Aber Wirtschaftlichkeit und Bequemlichkeit liegen noch im Streit. Außerdem ist die Situation im Raum Stuttgart-Eßlingen anders als für die übrigen Mitglieder, die weiter entfernt sind", berichtet Verbandsgeschäftsführer Braun.

Die Datenbearbeitungsstellen sind ebenso wie im Einzugsbereich der Rechenzentren Ulm, Heilbronn, Reutlingen und Karlsruhe mit Singer-1501-Geräten ausgerüstet. Die Daten werden auf Minikassetten gespeichert; die Kassetten werden vorsichtshalber gedoppelt und die Duplikate ins RZ per Post geschickt. Braun: "Es ist noch nie eine verlorengegangen, so daß man aufs Original hätte zurückgreifen müssen." Die Singer-Terminals können auch für DFÜ eingesetzt werden.

500 000 Mark im Jahr gespart

Der Zweckverband mit 240 Mitgliedern hat zur Zeit die Daten von 2,2 Millionen Einwohnern erfaßt - das sind 93 Prozent der Einwohner des Verbandsgebietes. Die restlichen Gemeinden des Verbandsgebietes werden nach Meinung von Braun spätestens in drei bis vier Jahren ebenfalls dabei sein. 1975 wird die Tätigkeit des RZ auf Finanz-, Personal- und Krankenhauswesen ausgedehnt.

Zwei Jahre lang hat der Zweckverband auf Anlagen der Stadt Stuttgart sowie dreier Industriebetriebe berechnet. Jetzt hat man eine eigene 370/145. "Die haben wir im Leasing - das ist im Jahr 500 000 Mark billiger als die frühere Lösung. Da mußten wir ja jeden Fehllauf in Mehrschichtmiete extra bezahlen. Außerdem sind wir jetzt vor Preiserhöhungen sicher. " Im Juli 1975 kommt eine zweite 370/145 dazu. "Wir haben die gleiche Anlage noch einmal bestellt, weil dadurch die Sicherheit größer wird. Bei Ausfällen können wir ohne weiteres umschalten", sagt Braun. Die neue Anlage kommt gleich in ein neues Haus: Im April zieht das Rechenzentrum des Zweckverbandes zusammen mit der Datenzentrale Baden-Württemberg in einen gemeinsamen Neubau.