IT-Berater und -Beratung/Die bestehenden Grundsätze der Beratung bleiben gültig

Auch alte Hunde lernen neue Tricks

22.06.2001
Wirft man einen kritischen Blick hinter die Kulissen der Beratung im E-Business-Zeitalter, so stehen dort immer noch die soliden Werte und Grundsätze einer klassischen Management- und IT-Beratung. Know-how, Erfahrung und Kompetenz haben zwar in der New Economy neue Ausprägungen erhalten, doch sie bleiben die Säulen, auf die auch die Beratungsunternehmen der Zukunft bauen. Von Martin Giebel und Hans-Hermann Jung*

Anfang dieses Jahres hat das Rheinbacher Institut für Unternehmensberatung eine Imagestudie durchgeführt, bei der deutsche Führungskräfte zu den 15 führenden IT-Beratungsunternehmen befragt wurden. Die Studie hat herausgefunden, dass heute vor allem Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie das Können, Know-how an den Kunden zu vermitteln, gefragt sind. Ein überraschendes Ergebnis? Nein, durchaus nicht. Dass IT-Berater in der Lage sind, zu kommunizieren sowie im Team zu arbeiten, ist genausowenig neu wie die Kompetenz, Wissen zu vermitteln. Zu diesem Ergebnis hätte auch eine Studie Mitte der 90er-Jahre kommen können. Und es dürfte auch niemanden verwundern, wenn diese Attribute auch noch in fünf Jahren aktuell sind. Denn es handelt sich hier um drei grundlegende Skills, die das Berufsbild des IT-Beraters prägen.

Doch auch wenn die Anforderungen an den Consultant die Gleichen bleiben, so verändern sich doch laufend deren Gewichtung und Prioritäten. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an einen Management- und IT-Berater heute wesentlich facettenreicher und deshalb höher sind als früher. Doch die drei Grundpfeiler der IT-Beratung - Know-how, Erfahrung und Kompetenz - bilden weiterhin die Basis jeder erfolgreichen Beratung. Sie folgen nach wie vor den Grundregeln erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns und sind die unwandelbaren Kernprinzipien der Beratung.

Konkrete Ergebnisse sind gefragtIm Kern sowohl der Management- als auch der IT-Beratung geht es darum, Unternehmen effizienter und dadurch wettbewerbsfähiger zu machen - unabhängig davon, ob sie zur New, Old, True oder False Economy gehören. Schließlich findet der Großteil der IT-Beratung eben nicht in E-Business-Projekten für Startups oder Spinoffs statt, sondern geschieht in Unternehmen der Großindustrie oder des Mittelstandes.

Know-how: Ohne Wissen um die wertschöpfenden Geschäftsprozesse des Kunden und die Anforderungen in seiner Branche kann Beratung nicht erfolgreich sein. Das war gestern so, ist heute so und wird sich auch morgen nicht ändern. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass hier die Ansprüche des Kunden deutlich höher liegen als noch vor einigen Jahren: Er fordert heute nicht nur schnelle Erfolge auf speziellen Gebieten, sondern erwartet von dem Berater eine ganzheitliche Sicht des Unternehmens.

Gerade bei der Umsetzung von E-Business-Lösungen müssen Berater heute in der Lage sein, kurzfristig zu entscheiden, Antworten zu geben, Lösungen zu finden und diese vor allem auch auf die gesamte Firma auszurichten. Unternehmensweites Denken und Handeln stellt an die Consultants den Anspruch, die Prozesse "Plan", "Build" und "Run" abzudecken. Es gilt, Know-how zusammenzuführen - und das auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Dies wirkt sich auch auf die Dauer eines Projektes aus.

Die Zeiten der Yuppie-Berater sind vorbeiDie Zeiten der Yuppie-Berater, die seitenlange Strategie- oder IT-Konzeptpapiere verfassten und dann dem Unternehmen den Rücken kehrten, sind vorbei. Heute muss ein gutes Beratungsunternehmen auch in der Umsetzung aktiv werden. Ganz deutlich spiegelt sich dieser Trend in der Marktentwicklung der Beratungs- und Realisierungsunternehmen wider: Die Beratungshäuser bemühen sich derzeit, ihre Implementierungskompetenz zu verstärken, während Systemhäuser massiv in den Berater investieren. Beispiele dafür gibt es in letzter Zeit genug: die Übernahme des Beratungshauses A. T. Kearney durch den IT-Dienstleister EDS oder die Beteiligung von Cisco an KPMG.

Neben dem allgemeinen Wissen um Unternehmensprozesse sehen sich Berater auch zunehmend dem Anspruch ausgesetzt, ein Verständnis für die einzelnen Wirtschaftsbereiche mitzubringen. Gerade im E-Business-Zeitalter haben Berater ohne Branchen-Know-how sowie die damit verbundenen Veränderungen und Markttrends in der Branche ihrer Kunden einen schweren Stand. Mehr denn je ist es heute wichtig, die Sprache des Kunden nicht nur zu verstehen, sondern auch ein kompetenter Dialogpartner zu sein. Dies wiederum eröffnet neue Möglichkeiten für Quereinsteiger: Berater können heute zum Beispiel Experten für die Finanzdienstleistungsbranche oder für Customer-Relationship-Management sein. Durch die Bildung von Teams aus mehreren Beratern und Spezialisten ergänzt sich so das Wissen interdisziplinär - wichtig beim geforderten ganzheitlichen Ansatz. IT-Berater, die auf Teams und flexible Zuordnung von Human Resources setzen anstatt auf Einzelgänger und Allrounder, stehen deshalb heute auch höher im Kurs als noch vor ein paar Jahren.

Erfahrung: Schon in der Vergangenheit hat langjährige Erfahrung in mehreren Projekten den Auftraggeber überzeugt. Und auch in Zukunft wird Erfahrung zu den wichtigen Auswahlkriterien zählen. Heute wird jedoch neben einschlägiger Projektexpertise mehr Gewicht auf Erfahrung in einer bestimmten Branche oder einem Themengebiet gelegt.

Berater, die bereits in mehreren Projekten gearbeitet haben, besitzen zudem den Vorteil, dass sie auf ein interdisziplinäres Netz aus Kontakten zugreifen können. Für den einzelnen Berater ist es heute unabdingbar, über seine eigene Organisation hinaus zu blicken sowie Kontakte außerhalb seines Unternehmens zu suchen und zu pflegen.

Zeitfaktor nicht zu unterschätzenEin nicht zu unterschätzender Vorteil des erfahrenen Beraters ist die Zeitplanung, denn diese steht in direkter Verbindung mit den Kosten. Der Berater sollte einschätzen können, wie lange das Projekt dauert und über welchen Zeitraum hinweg er es begleiten muss. Gerade darauf legen Kunden heute gesteigerten Wert.

Kompetenz: Sie manifestiert sich in den Skills und dem Können der Berater. Dazu gehört auch zu wissen, was man nicht weiß. Kompetente Berater müssen erkennen, was sie selbst bewirken können und was in Kooperation mit Partnern oder Zulieferern machbar ist. Auch diese Aussage ist nichts Neues. Neu ist aber, dass Berater ihre Kompetenz mittlerweile in vier Themenbereichen beweisen müssen: Strategie, Struktur, Prozesse und Systeme. Auch hier zeigt sich wieder, dass der Einzelne diese Palette nicht mehr allein abdecken kann, sondern die Anforderungen nur im Team zu bewältigen sind. Zudem lassen sich diese vier Aspekte nicht mehr sukzessive betrachten, sondern laufen meist parallel und kontinuierlich ab. Es geht also heute in der Beratung um einen Lernzyklus, in dem Berater konkrete Ziele definieren, Maßnahmen priorisieren und Ergebnisse sowohl erfassen als auch nachbereiten müssen.

Ein kompetentes Beratungsunternehmen begleitet also den gesamten Transformationsprozess in einem Unternehmen. Gerade im E-Business-Zeitalter dürfen keine Insellösungen entstehen, die einerseits weder zur gesamten Strategie des Unternehmens passen noch eine Anbindung an die Altsysteme und -anwendungen im Unternehmen ermöglichen. Auch hier zeigt sich erneut, dass IT-Berater heute eine ganzheitliche Sicht auf das Kundenunternehmen haben müssen. Die Konsequenz, die sich bereits am Markt abzeichnet, ist, dass immer mehr Unternehmen nach Partnern suchen, die sämtliche Lösungen - sprich die Strategie- und IT-Beratung, die Konzeption und Implementierung neuer (E-Business-)Lösungen sowie die Integration mit bereits vorhandenen Legacy-Systemen - aus einer Hand liefern können.

Für den Berater und seinen Kunden bedeutet dies, dass sie zunehmend zu Partnern werden, da sich Zeitraum und Umfang der Zusammenarbeit vergrößern. Damit erhalten Kommunikations- und Teamfähigkeit einen neuen Stellenwert. Anders formuliert: Beraterunternehmen sind immer mehr gefordert, über Unternehmensgrenzen hinaus mit verschiedenen Partnern zusammenzuarbeiten. Ohne Kommunikationsgeschick und eine gehörige Portion Teamgeist wird kein Berater mehr konkurrenzfähig sein, und ohne ein funktionierendes Zusammenarbeitsmodell wird keine Beraterfirma mehr erfolgreich sein. Mit intellektueller Leistung allein kann die Beraterzunft im 21. Jahrhundert nicht mehr überleben.

*Martin Giebel verantwortet den Bereich Strategic Alliances bei Softlab in München, Hans-Hermann Jung ist Management-Berater bei Nexolab in München.