Bertelsmann-Studie zu Multimedia-Firmen

Attraktive Unternehmenskultur motiviert die Mitarbeiter

19.05.2000
GÜTERSLOH (CW) - Auf die bewusste Gestaltung ihrer Unternehmenskultur legen die meisten Multimedia-Unternehmen großen Wert - dies fand die Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, in einer aktuellen Studie heraus. Die jungen Firmen sind davon überzeugt, dass dieses Konzept wesentlich zu ihrem Erfolg beiträgt.

Vorrangige Ziele junger Multimedia-Unternehmen sind Kundenzufriedenheit und Servicequalität sowie Schnelligkeit und Flexibilität. Auch die Mitarbeiterzufriedenheit hat große Priorität und landet noch vor dem Ziel der Gewinnmaximierung. Auch "Spaß an der Arbeit" soll zum Erreichen dieser Ziele beitragen. Nicht zuletzt die genannten Merkmale Fairness, Teamgeist, Entfaltungsmöglichkeiten und Vertrauen bestätigen laut Bertelsmann-Studie den Eindruck, dass die gleichzeitige Orientierung an Kunden- und Mitarbeiterbedürfnissen ein wichtiges Element der Unternehmenskultur ist. 75 Prozent der Multimedia-Firmen sehen auf dem Feld der Unternehmenskultur noch Handlungsbedarf.

Zu ihnen gehört auch ein Teil der 54 Prozent der Befragten, die ihre Unternehmenskultur bereits aktiv gestalten. Hier verfügen 70 Prozent über ein schriftlich fixiertes Leitbild, 85 Prozent betreiben eine bewusste Arbeitsplatzgestaltung. Nur 13 Prozent formulieren ihre Grundsätze zur Mitarbeiterführung aus. Diesen geringen Prozentsatz führt die Studie auf die überschaubare Mitarbeiterzahl zurück. Die meisten Multimedia-Unternehmen gehen zudem davon aus, dass ihre Mitarbeiter unternehmerisch denken. Dementsprechend bestimmen ein kooperativer Führungsstil und die Förderung der Eigeninitiative das Führungsverhalten.

Entwicklungsbedarf sieht die Bertelsmann-Analyse jedoch bei konkreten Führungsinstrumenten: So seien das Delegieren von Aufgaben und Verantwortung sowie gemeinsam erarbeitete Zielvereinbarungen in nur geringem Maße vorhanden. Auch für die Bewältigung von Konflikten gibt es laut Studie kaum standardisierte Routinen oder feste Ansprechpartner. Probleme werden gelöst, indem alle Beteiligten offen darüber diskutieren. Die überwiegende Anzahl der Unternehmen gibt sogar an, es träten wenig nennenswerte Differenzen zwischen Mitarbeitern und Geschäftsführung auf, da die Beschäftigten sich als Mitunternehmer fühlten. Hier begrüßt die Studie die mündigen Mitarbeiter, die ihre eigenen Interessen vertreten. Sie vermutet indes, dass womöglich besonders in Unternehmen mit einer größeren Mitarbeiterzahl "die Gefahr der Konfliktverdrängung besteht, wenn gar keine Instrumente der Bewältigung existieren".

Als besondere Stärke der jungen Multimedia-Unternehmen führt die Studie die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit den Arbeitsinhalten an. So entstehe der Eindruck, dass immaterielle Anreize insgesamt sehr bedeutsam seien. Diese Einschätzung dürfe jedoch nicht zum Schluss führen, dass eine stimmige Unternehmenskultur sowie herausfordernde Arbeit die finanziellen Anreize ersetzten. Vielmehr sei die Unternehmenskultur ein wichtiger ergänzender Faktor, der nicht unterschätzt werden sollte.

Die große Bedeutung materieller Anreize zeigt sich in relativ hohen, variablen und leistungsbezogenen Entgeltanteilen von zwischen 20 und 30 Prozent, die die Beschäftigten erhalten. 67 Prozent der Multimedia-Firmen bedienen sich dieser Gehaltsstruktur für Mitarbeiter, sogar 82 Prozent nutzen dieses Instrument bei Führungskräften. Grundlage der variablen Bezahlung dürfte laut Bertelsmann-Studie die materielle Beteiligung am Unternehmen sein. Hier zeigten die Multimedia-Unternehmen eine große Experimentierfreude bei der Ausgestaltung der Beteiligungsformen und hätten eine "klare Vorreiterrolle gegenüber anderen Branchen".

Die häufigsten Beteiligungsarten sind die Ertrags- und Gewinnbeteiligung sowie die Beteiligung am Eigenkapital durch Aktien beziehungsweise Aktienoptionen. Als Gründe hierfür nennen die Firmen die Motivation und Leistungssteigerung der Mitarbeiter, die Bindung an das Unternehmen sowie die Förderung unternehmerischen Denkens. Zudem können junge Multimedia-Firmen, die keine hohen Festgehälter zahlen, ihren Mitarbeitern eine attraktive Einkommensperspektive bieten und gleichzeitig auf dem heiß umkämpften Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte mithalten.

Die Studie der Bertelsmann Stiftung kommt zu dem Schluss, dass junge Multimedia-Firmen ihre Unternehmenskultur als Gestaltungsaufgabe begreifen. Dennoch existierten auch in dieser Branche keine Patentrezepte im Sinne einer "besten" Unternehmenskultur. Beispielhaft seien die großen Anstrengungen, die die Betriebe zur materiellen Beteiligung ihrer Mitarbeiter unternehmen. Mit Blick auf Führungsinstrumente empfiehlt die Studie den jungen Unternehmen, von etablierten Betrieben zu lernen: Bei dem zum Teil rasanten Wachstum vieler Startups könnten nämlich die bisher gängigen Vertrauensmechanismen an ihre Grenzen stoßen.

Branchenübergreifende Anregungen zur Gestaltung der Unternehmenskultur gibt es im Internet unter der Homepage http://unternehmenskultur.org, die die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung initiiert hat.

Abb.1: Was motiviert?

Geld spielt als Motivationsinstrument in Multimedia-Firmen nur eine untergeordnete Rolle. Quelle: Bertelsmann

Abb.2: Führungsverhalten

Chefs von Multimedia-Firmen vertrauen auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter. Quelle: Bertelsmann