ATM ist den Anwendern noch zu teuer Das ATM-Forum kann sich nur auf wenige Kompromisse einigen

13.01.1995

KYOTO (IDG) - ATM als Wunderheilmittel fuer die prognostizierte Bandbreitenexplosion in den Netzen gehoert bei fast jedem Connectivity-Hersteller zum guten Ton. Doch bis die Standards fuer das neue High-Speed-Uebertragungsmedium von Sprache, Daten und Video verabschiedet sind, duerfte es noch eine Weile dauern. Zumindest konnte sich das ATM-Forum auf einer Konferenz in Kyoto nur zu halbherzigen Kompromissen entschliessen.

Entgegen den urspruenglichen Versprechungen in Sachen Videokonferenzen glauben Experten mittlerweile, dass ATM seinen Siegeszug in den Backbones der existierenden Netze beginnen wird. So geht beispielsweise Rob Enderle, Senior Industry Analyst bei Dataquest davon aus, dass ATM, wenn es einmal eingefuehrt wird, auf der Applikationsebene einen Innovationsschub ausloest und Anwendungen realisiert werden, von denen heute noch niemand zu traeumen wagt.

Doch bis es soweit ist, duerfte noch einige Zeit vergehen. Zwar hat das ATM-Forum, das zur Spezifizierung der ATM-Standards gegruendet wurde, waehrend einer einwoechigen Konferenz in Kyoto einige Kompromisse erreicht, doch viele Fragen blieben ungeloest. Deshalb haben zahlreiche Hersteller sich bereits zusammengeschlossen, um sich selbst auf Spezifikationen fuer ihre ATM-Produkte zu einigen. Aber auch hier ist das ATM-Lager in zwei Teile gespalten: Die einen wollen unter Kostenaspekten die Entwicklung einer moeglichst preisguenstigen ATM-Technik fuer den Desktop forcieren, waehrend andere wiederum nicht bereit sind, Kompromisse in Sachen Uebertragungsgeschwindigkeit und Performance einzugehen.

Nur eines scheint im Moment klar zu sein: Multimedia und Videokonferenzen werden nicht die Killerapplikationen fuer ATM sein, als die sie urspruenglich eingestuft wurden. So hat sich mittlerweile in Sachen Videokonferenzen ISDN, das die Uebermittlung von Daten, Video und Sprache ueber die gleiche Telefonleitung erlaubt, als internationaler Standard durchgesetzt. Deshalb verwundert es nicht weiter, dass viele die wichtigsten ATM- Applikationen in der Verbindung von LANs sowie im WAN-Einsatz sehen. Thomas Nolle, President der Cimi Corp., einer Consulting- Firma fuer strategische Planungen, glaubt, dass der ATM-Erfolg davon abhaengt, was passiert, wenn mit dieser Technologie die Grenze zwischen LANs und WANs ueberschritten wird. Fuer Nolle ist dies auch die Frage, ob ATM eine voller Erfolg oder ein Reinfall wird, "waehrend alle anderen Fragen hinsichtlich der Standardisierung unwichtig sind."

Entscheidend bei der Beantwortung dieser Frage duerften die Kosten sein. Insider gehen davon aus, dass ein ATM-Anschluss mit 45 Mbit/s, der die existierenden T3-Leitungen nutzt, pro Jahr etwa 180 000 Dollar kostet. Zur Zeit jedenfalls setzen viele Unternehmen aus Kostengruenden bei der Interconnectivity ihrer LANs lieber auf Frame Relay, das ebenfalls Voice- und Video-Conferencing innerhalb des Netzes erlaubt.

Um die Uebertragungskosten in Grenzen zu halten, einigte sich das ATM-Forum jetzt auf den Kompromiss, Videos kuenftig komprimiert nach dem MPEG-2-Standard zu uebertragen. Damit hat das ATM-Forum zumindest den Teil der Hersteller zufriedengestellt, die bereits an den Set-top-Boxen fuer Video on demand arbeiten. Allerdings zweifeln Skeptiker daran, dass sich ATM fuer den Video-Massenmarkt wirklich eignet, wenn dem Durchschnittsanwender bereits 23 Dollar fuer einen normalen Kabelanschluss zu teuer sind, er sich aber im Falle ATM, so Nolle, bereits bei der billigsten Loesung mit monatlichen Kosten in Hoehe von 2000 Dollar konfrontiert sieht.