Amerikanische Tonart verstimmt deutsche Manager:

Atari Hamburg weiter ohne Chef

07.12.1984

HAMBURG (lo) - Die Atari GmbH in Hamburg bleibt kopflos: der designierte neue Geschäftsführer Detlev Driemeier kündigte seinen Vertrag wenige Tage vor der Eintragung ins Handelsregister. Wolfgang Bloedorn unterschrieb bei Apple als Werbeleiter. Die Gesellschaft firmiert zum Jahresanfang in Atari Corp. Deutschland GmbH um.

"Die Schnauze voll", so ein enger Beobachter, mußte der bisherige Marketing- und Vertriebschef Driemeier von speziellen Methoden des neuen Eigners der US-Muttergesellschaft Jack Tramiel haben. So sei es an der Tagesordnung gewesen, geharnischte Direktiven zu erhalten - etwa für Entlassungen nach dem "Rasenmäherprinzip" (COMPUTERWOCHE von 3. August 1984). Über das weitere Schicksal der deutschen Tochter aber habe man "nichts Greifbares" in die Hand bekommen.

Driemeier - "Garant für Preisstabilität und vertrauensvolle Kontinuität", beschreibt ihn Ex-Atari Chef Klaus Ollmann - sagte, er wolle die geplante Massenvermarktung der Atari Computer über den Preis nicht mittragen. Dies betreffe vor allem den stärkeren Einstieg bei 16- und 32-Bit-Rechnern. Gerade diese Produkte seien "zu erklärungsbedürftig", um am Fachhandel vorbei und ohne Händlerpflege allein über den Preis verkauft zu werden.

Bei Homecomputern könnte Atari mit der Preisstrategie Erfolge gegenüber dem Marktführer Commodore erzielen, gibt sich Driemeier zweckoptimistisch.

Wann der Mann aus der zweiten Reihe ausscheiden wird und wer ihm nachfolgt, ist noch nicht entschieden. Er wird nach eigenen Worten jedoch der Branche treu bleiben. Atari verbucht gleichzeitig in der BRD einen weiteren Verlust: Der Werbeleiter Wolfgang Bloedorn - seit 1982 bei dem Hamburger Unternehmen - wirbt ab 1. Januar 1985 für die Apple

Computer Marketing GmbH in München. Diese Ex-Atari-Manager sind die letzten Glieder einer Kette von Abgängen, an deren Spitze Klaus Ollmann steht (COMPUTERWOCHE vom 17. August 1984).

Tramiels Pläne liegen weiterhin im verborgenen. In Branchenkreisen kursieren Gerüchte, nach denen der Name und das Unternehmen Atari von der Marktfläche verschwinden soll - mit allen, beispielsweise personellen, Konsequenzen. Parallel dazu entstünde ein neues Unternehmen mit neuen Produkten. In diese Richtung weist das vollmundige Announcement Tramiels im Januar 1985: Anläßlich der CES (Consumer Electronic Show) in Las Vegas, dem Großmarktflecken für Klein-Computer, will er einen 32-Bit-Rechner vorstellen. Als besondere Eigenschaft gilt der Preis: unter der 1000-Dollar-Marke. Bezweifelt wird, ob der beredte Amerikaner ihn überhaupt "serienreif" zum angekündigten Termin vorstellen kann.

Rätselraten gibt es auch über die Software für das 32er-Gerät. Fehlt sie, läßt man ihm nicht viele Marktchancen. Das Vertrauen der softwareproduzierenden Drittfirmen in den Namen Atari sei allerdings gegenwärtig "besonderen Belastungen" ausgesetzt, so Insider. Ataris Mannschaft soll die SW jedenfalls nicht erstellen, bekundete verschiedene Male Tramiel.

Im Business-Bereich beschreibt ein Beobachter die Situation: "IBM und Apple kommen von oben, Commodore beherrscht den Markt von unten - Tramiel muß erst mal eine Nische finden."