Experten beurteilen geplanten Mega-Deal eher skeptisch

AT&T will durch Fusion mit SBC die Flucht nach vorne antreten

06.06.1997

Für ein gewisses Aufsehen sorgte das, was das "Wall Street Journal" unter Berufung auf gut informierte Kreise berichtete: Branchenprimus AT&T verhandelt mit mehreren der sogenannten Baby Bells über eine Fusion, wobei angeblich die Gespräche mit der texanischen SBC am weitesten gediehen sind.

Der Zusammenschluß beider Gesellschaften wäre mit einem Volumen von umgerechnet mehr als 85 Milliarden Mark die bis dato bei weitem größte Fusion der Wirtschaftsgeschichte und würde einen Telecom-Giganten mit rund 80 Milliarden Dollar Umsatz, über 220000 Mitarbeitern und einem Marktanteil in den Vereinigten Staaten von mehr als 60 Prozent entstehen lassen. AT&T hat im Geschäftsjahr 1996 mit 130000 Angestellten 52,2 Milliarden Dollar umgesetzt und dabei einen Gewinn von 5,9 Milliarden Mark ausgewiesen. SBC, 1984 wie alle anderen der ursprünglich sieben Baby Bells aus der Zerschlagung der alten AT&T Corp. enstanden und bis vor kurzem unter dem Namen Southwestern Bell im Markt tätig, hatte erst kürzlich die kalifornische Baby Bell Pacific Telesis übernommen und erzielte 1996 mit knapp 100000 Mitarbeitern einen Umsatz von 23,5 Milliarden Dollar. Als Gewinn wurden 3,2 Milliarden Dollar bilanziert.

De-facto-Monopol in sieben US-Bundesstaaten

Ob der Deal zustande kommt, ist allerdings mehr als fraglich. Die Fusion würde nach Ansicht so gut wie aller Branchenkenner die Verhältnisse auf dem erst im vergangenen Jahr vollständig geöffneten US-Telecom-Markt auf den Kopf stellen.

Motiv für den Merger ist offensichtlich der Wunsch beider Firmen, an Größe und Schlagkraft zu gewinnen, wobei AT&T gewissermaßen zu den Ursprüngen des Konzerns vor 1984 zurückkehren und in Kombination mit dem bisherigen SBC-Geschäft über ein De-facto-Monopol in den lokalen Telefonmärkten von sieben US-Bundesstaaten verfügen würde. Ein solches Szenario dürfte jedoch mehr als nur ein Stirnrunzeln bei den US-Kartellbehörden verursachen.

Darüber hinaus gilt es unter Insidern als noch längst nicht ausgemacht, wer im Falle einer Fusion die unternehmerische Führung des kombinierten Konzerns übernehmen würde. SBC-CEO Edward Whitacre gilt in der Branche als Manager mit Geschick und Fortune, der sein Unternehmen frühzeitig auf die Erfordernisse künftig weltweit offener Telecom-Märkte eingeschworen und rechtzeitig einen Internationalisierungskurs gesteuert hat.

Für den in letzter Zeit eher glücklosen AT&T-Chef Bob Allen dürfte indes ein Merger dieser Größenordnung die letzte Chance auf einen spektakulären Coup darstellen, berichtet das "Wall Street Journal" weiter. Dies um so mehr, als sich das Unternehmen - mit Ausnahme des derzeit noch auf tönernen Füßen stehenden Bündnisses mit dem Unisource-Konsortium - im Vergleich zu BT, Deutsche Telekom, MCI und Sprint bis dato im globalen Wettbewerb nicht gut genug positionieren konnte, während ihm auf dem Heimatmarkt durch den zunehmenden Wettbewerb die Felle davonzuschwimmen drohen.